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Ausgabe:

1879 Nr. 22

Spalte:

531-532

Autor/Hrsg.:

Schröder, Friedr. Wilh. Jul.

Titel/Untertitel:

Zeugnisse von der freien Gnade Gottes in Christo Jesu. Eine Sammlung Predigten 1879

Rezensent:

Sachsse, Eugen

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53i

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 22.

532

Helmholtz begründeten Speculationen über den Raum,
welche die Aufgabe haben, den Raum begrifflich zu
erfaffen und dadurch die bereits von Euklid aufgehellten
Axiome der ebenen Geometrie trotz ihrer
Unbeweisbarkeit als für uns nothwendig aufzuzeigen.
Wie aber dicfe Speculationen, gegen welche der Philo-
foph Gegründetes nicht einwenden kann , nicht ver-
mifcht werden dürfen mit daran angeknüpften Phan-
taftereien, als gebe es aufser unferem begrenzten drei-
dimenfionalen Weltraum einen Raum von vier Dimen-
fionen und in ihm Wefen, die auf unhchtbare Weife in
unferem Raum zu wirken vermögen und drgl., fo vertritt
auch Helmholtz, trotz mancher Unklarheit, einen
Empirismus, der mit Kant nicht ftreitet.

Es liegt auf der Hand, wie mifslich es ift, zwei von
einander ziemlich unabhängige Unterfuchungsreihcn zu
einander in Beziehung zu fetzen. Auch der Verf. erliegt
diefer Schwierigkeit. Indem er jene metamathematifchen
Speculationen nur nach ihren erkenntnifstheoretifchen
Confequenzen ins Auge fafst, fieht er zwifchen Kant
und Helmholtz einen fchroffen Gegenfatz, der durch die
Formulirung der beiderfeitigen Anfchauungen in heben
gegenfätzlichen Antworten auf eben fo viele Fragen in
möglichft helles Licht gehellt wird. Unferes Erachtens
jedoch gewinnt Verf. Siefen Gegenfatz nur, indem er
hier Diefem, dort Jenem Gewalt anthut. Dies im Einzelnen
zu beweifen, würde hier zu weit führen; einige
Beifpiele mögen genügen. Der Verf. überheht die Ver-
fchiedenheit der Fragehellung: Kant fragt nach der
Raumanfchauung überhaupt, Helmholtz nach dem Ort
im Raum und nach der behimmten, uns eigenthüm-
lichen Raumanfchauung. Auch Helmholtz giebt zu,
dafs wir Menfchen nach unterer eigenthümlichen Orga-
nifation nur diefer und keiner anderen Raumanfchauung
fähig find: auch Kant behreitet die Möglichkeit nicht,
dafs andere Wefen vielleicht eine andere Raumanfchauung
haben. Nur weil Verf. zwifchen Anfchauung und
Begriff des Raumes nicht hinlänglich unterfcheidet, kann
er Kant und Helmholtz die Frage, ob wir veränderte
Eigenthümlichkciten des Raumes erfinnen können, entgegengefetzt
beantworten laffen. Wenn der Verf. Kant
den geometrifchen Axiomen apodiktifche Gewifsheit,
Helmholtz ihnen nur eine durch Erfahrung begründete
Wahrfcheinlichkeit beilegen läfst, fo liegt der fchroffe
Gegenfatz nur im Ausdruck. Kant's apodiktifche Gewifsheit
beruht bekanntlich nur auf der Nothwendigkeit
unterer Natur, fo zu erkennen; diefe aber behauptet
auch Helmholtz.

Trotz alles aufgewandten Scharffinns können wir
deshalb die Beweisführung nicht für gelungen halten.

Jena. Bernhard Pünjer.

Schröder, weil. Paff. Friedr. Wilh. Jul., Zeugnisse von
der freien Gnade Gottes in Christo Jesu. Eine Sammlung
Predigten. Nach dem Tode des Verfaffers auf
Veranlaffung vieler Freunde desfelben hrsg. Elberfeld
1878. (Barmen, Klein.) (XVIII, 356 S. gr. 8.)
M. 3. —

Der Verfaffer, faft 30 Jahre Pfarrer an der refor-
mirten Gemeinde zu Elberfeld, feffelte durch feine eigen-
thümliche Predigtgabe nicht nur allfonntäglich einen
grofsen Kreis von Zuhörern um feine Kanzel, fondern
war in weiten Kreifen der rheinifchen Kirche bekannt.
So ift es natürlich, dafs nach feinem Tode von vielen
Seiten die Herausgabe feiner Predigten verlangt wurde,
und um diefem Verlangen zu genügen, haben die Hinterbliebenen
43 Predigten aus der ganzen Zeit feiner
Wirkfamkeit von 1841—1876 ausgewählt, die nun im
Druck vorliegen und weiterer Beachtung werth find.
Ausgehend von der Erfahrung des neuen Lebens in
Chrifto fchildert der Verf. nicht nur die Entwicklung der

einzelnen Seele, fondern fafst den Einzelnen ftets als Glied
des Reiches Chrifti, das fich in der Welt vollendet.
Daher bildet der verklärte Chriftus und die herrliche
Vollendung feines Reiches den Mittelpunkt der Predigt
und das Ziel, dem alles andere als Durchgangspunkt
entgegenftrebt. Altteftamentliche Vorgänge werden mit
Vorliebe als Typen diefer Reichsvollendung verwandt.
So fchildert der Verf. die Eroberung Jericho's als Vorbild
des Lebens der Kinder Gottes auf Erden: fechs
Tage des Glaubens, ein Tag des Schauens. Dabei fehlt
nicht lebendige Naturempfindung in poetifcher Form.
Z. B. heifst es in der Predigt über den Jüngling zu Nain:
Die Gegend rings fo fchön, fo lieblich! Lenzesduft,
Blüthenwehen, Gefang in den Zweigen, Gemurmel am
Bach! Und mitten in all' der Pracht und Herrlichkeit
ein todter Jüngling, eine weinende Mutter, eine Wittwe
und viel Volks, das Leid trug mit ihr. So ift denn
diefes Erdenthal, fo fchön, es ift dennoch ein Thränen-
thal, ein Thal der Todten.

Die Form ift nicht lehrhaft entwickelnd, fondern in
fchnellcm Wechfel die Beziehungen des Hauptgedankens
vorführend. Der Stil ift reich an Pointen, die Darftellungen
find mehr Skizzen, als ausgeführte Schilderungen:
eine Exclamation, oft nur ein Wort als Bezeichnung des
Gedankens. Daher war der mündliche Vortrag eindringlicher
als das gedruckte Wort. In der Abficht, wirkungsvoll
zu reden, wird der Verf. zuweilen gefucht; z. B.
wenn er die Auslieferung Jefu an Pilatus als die erften
Strahlen der Heidenmiffion fchildert, oder wenn er die
1 Bufse ein Cabinetsftück der Auserwählten nennt. Ich
glaube dicfe Predigten weiterer Beachtung empfehlen zu
dürfen.

Flamm (Weftfalen). Lic. Sachfse.

Schott, Pfr. Dr. Theod., Ausgewählte Psalmen für Bibel -
stunden u. Hausandachten ausgelegt. Neue Folge.
1. Bdchn. Pfalm 39 und 44. Ileilbronn 1878, Henninger
. (120 S. 8.) M. I. 50.

Für Bibelftunden und Hausandachten hat der Verf.
ausgewählte Pfalmen, dies Mal den 39. und 44., in einer
Reihe von Betrachtungen ausgelegt und zwar in einer
dem von ihm beabfichtigten Zwecke entfprechenden
Weife. Auf Grund einer genauen und forgfältigen Exe-
gefe entwickelt er die in dem Schriftworte enthaltenen
erbaulichen Gedanken und wendet fie mit praktifchem
Gefchick und klarem Blick auf das Leben an.

Mit vollftändiger Zuftimmung hat Ref. die fechs
Betrachtungen über den 39. Pfalm gelefen und fich
deffen gefreut, was über die chriftliche Frömmigkeit im
Allgemeinen (S. 6 u. 7), über die Zungenfünden (S. 8),
über das Klagen und Schelten der Frommen (S. 12. 13.
37. 38) und im Gegenfatze dazu über das Stillefein
(S. 14), über den Ton vom Sterben 'S. 20 u. 21) und
das Gebet (S. 53) gefagt wird. Dagegen will es ihm
vorkommen, wie wenn das ,dunkle Bild', welches der
Verf. in der dritten Betrachtung über Pfalm 44 ,aufgerollt
' hat (S. 88 — 99), etwas zu dunkel gerathen wäre,
denn fo fchlimm fteht es mit unferem deutfehen Volke
gottlob doch noch nicht.

Crefeld. F. R. Fay.

Bibliographie

von Dr. Caspar Rene Gregory.
jDcutfcbc (Literatur.

Schreiber, Thdr., Apollon Pythoktonos. Ein Beitrag zur
griech. Religions- u. Kunffgefchichte. Leipzig, Engelmann
. (106 S. gr. 8.) Mit 2 Taf. in Lichtdr. 4. —

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