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Ausgabe:

1879 Nr. 2

Spalte:

33-35

Autor/Hrsg.:

Schlottmann, Konstantin

Titel/Untertitel:

David Strauss als Romantiker des Heidenthums 1879

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 2.

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Confequenz und Schärfe feines Denkens, die um fo mehr i Titel gerechtfertigt. Nach feinem eigenen Geftändnifs
zu bewundern find, als er Autodidakt ifi Seine philo- j habe Straufs für einen Philofophen und Heiden gelten
fophifche Bedeutung ift zuerft von Erdmann in der ,Ent- | wollen und den Chriftennamen, wenn auch mit einigen
Wickelung der deutfchen Speculation feit Kant' an's Licht , Schwankungen, feit den vierziger Jahren , theilweife
gezogen und feitdem auch, z. B. von K. Fifcher, aner- j fpottend, abgelehnt. Und auch der Name eines Roman-
kannt worden, wiewohl andere Darfteller der Gefchichte j tikers paffe auf ihn, in derfelben Weife, wie auf Julian,
der Philofophie, z. B. Harms, ihn noch nicht zu feinem i Wie jede neue Epoche in der Gefchichte der Menfch-
Rechte kommen laffen. heit, fo fage er felbft nach Neander, durch einzelne

Wir haben von Maimon eine lefenswerthe, aber : Zeichen vorher verkündigt zu werden pflege, wie jede
nichtgerade gefchickt gefchriebeneSelbftbiographie. Diefe ' neue in das Leben der Menfchheit tief eingreifende Wahrlegt
Witte in feiner Schrift der Lebensbeichreibung zu [ heit fleh verfprengte Boten vorausfehicke, welche fie
Grunde. Wer fleh mit leichter Mühe über den Lebens- j vorzeitig einem noch unempfänglichen Zeitalter predigten,
gang Maimon's unterrichten will, kann diefen Abfchnitt ! fo geflohene es auch auf der andern Seite, dafs Einzelne
des vorliegenden Buches mit Nutzen gebrauchen. Gröfse- es verfuchten, einen Zuftand des Menfchengefchlechts,
ren Vortheil wird es freilich immerhin gewähren, fleh 1 der für dasfelbe nicht mehr geeignet fei, zurückzuführen,
an die Quelle felbft zu wenden. indem fie noch einmal recht kräftig ausfprächen, was

In einem zweiten Abfchnitt handelt dann der Verf. doch feine Herrfchaft über die Menfchen nicht mehr er-
von der Bedeutung Maimon's in der Gefchichte der Phi- , halten könne. Wenn nun auch Straufs felbft gewifs fleh
lofophie, ohne diefelbe, foweit ich gefehen habe, in ein 1 für keinen Nachzügler der Vergangenheit, fondern einen

helleres Licht zu fetzen, als es bisher in einigen Darftellungen
fchon gefchehen ift. Dafs die Fichte'fche
Lehre der Maimon's fehr nahe kommt, ift bekannt, ebenfo
dafs Fichte felbft letzteren als einen fehr fcharffinnigen
Vorgänger anerkennt. Zu viel ift aber wohl von Witte
gefagt, wenn er behauptet, dafs ohne Maimon kein

berufenen Herold der Zukunft gehalten habe, fo fei das
nur einer der oft bei ihm vorkommenden Widerfprüche.
Auch der Redner wolle ja das chriftliche Princip in
feinen .letzten Nachwirkungen' überwinden, und mit
Julian habe er dasfelbe Ideal: ,die freie, harmonifche
Menfchlichkeit des Griechenthums, die auf fleh felbft

Fichte, Hegel, Schelling möglich gewefen wäre. ruhende Mannhaftigkeit des Römerthums'. Zwar werde

In Zufätzen giebt der Verf. auszugsweife Maimon's I der angedeutete Widerfpruch von ihm empfunden, und
Anflehten über die Kabbala und über die Religion, geht I er fuche fleh durch die Ausrede zu helfen, nur .gleich-
dann noch auf die Erkenntnifslehre desfelben ausführ- ( fam formell' könne man fleh zu den Gegnern Julian's
licher ein und fchliefst mit einem Abfchnitte: ,Urbe- j hingezogen fühlen; aber die fcholaftifche Diftinction von
wufstes oder Unbewufstes?' Diefe nicht ganz geordneten .formell' und .materiell' könne nicht aus der Verlegen-
Zufätze machen den Eindruck, als hätte ein fefter Plan heit retten: ein formeller Fortfehritt, der zugleich matefür
die Abfaffung des ganzen Buches nicht vorgelegen, und riell ein Rückfehritt gewefen, gehöre nicht der Gefchichte,
als fei die Schrift etwas haftig gearbeitet, welches letz- fondern der heidnifch romantifchen Phantafle an. Somit
tere auch vorkommende Unrichtigkeiten vermuthen laffen i bleibe auch auf ihm, wie auf Julian, der Titel eines Ro-
— fo wird der bekannte G. E. Schulze [Aenesidemus] j mantikers mit Recht haften, möge er für Julian auf den-

beharrlich Schulz gefchrieben — und viele Unbeholfenheiten
und Unebenheiten in der Sprache. — An Angriffen
und Ausfällen gegen folche, die anderer Meinung
als der Verf. find, fehlt es nicht, und Witte verfteht nach
feiner Meinung es auch allein, Kant zu interpretiren.
So haben fleh nach ihm in dem einen Punkte, der das
Ding an fleh betrifft, nicht nur die Aelteren, Maimon,
Schulze, Jacobi, fondern auch die Neueren Trendelenburg
, Ueberweg, Liebmann und fogar die Allerneueften
Cohen und Stadler geirrt — nur Witte allein hat das
Richtige gefunden!

Leipzig. • M. Heinz e.

felben auch nur im Blicke auf Fr. Wilhelm IV gekommen
fein. Eine paffendere Parallele zu Julian aus der
preufsifchen Gefchichte hätte Straufs in Friedrich II auf-
ftellen können, die fleh bei Hamann angedeutet finde;
aber dann wäre Jener nicht zum Romantiker geworden.

Schlottmann lehnt es nun ab, die Parallele zwifchen
Julian und Straufs darauf zu gründen, dafs fie beide ohne
inneren Beruf zu Theologen ausgebildet worden oder
Fürften feien, Straufs z. B. etwa im Reiche der Geifter,
fondern das Gemeinfame werde eben darin gefunden,
dafs fie als heidnifche Romantiker die höhere Lebensform
, die fie nicht wahrhaft verftänden, fleh nur in verzerrten
Bildern vorftellen könnten; dafs ferner wachfen-
Schlottman n. Konftantin, David Strauss als Romantiker der Widerwille ihr Urtheil über die Dinge und über
des Heidenthums. Halle 1878, Buchhandlung des Wai- dif. Meuchen trübe und verblende und, fobald gewiffe
c . ' ' rehgiole Prägen ms Spiel kamen, ihren Verftand und

fenhaufes. (64 S. gr. 4.) M. 1. Co. | ihren fonft oft bewiefenen Wahrheitsflnn befchädige, und

Die mannigfaltigen und bedeutendenWirkungen, welche j dafs fie endlich ein innerer Zwiefpalt in die feltfamften
von dem am 8. Februar 1874 aus dem Leben gefchie- I Widerfprüche mit fich felber verwickele,
denen D. F. Straufs auf die Entwickelung nicht nur des In feiner Mannheimer Rede habe Straufs die Abficht

wiffenfchaftlich-theologifchen, fondern auch des religiös- gehabt, zuerft chriftliche Gefchichtsfchreiber zu befchul-
fittlichen und des geiftigen Lebens unferes Volks über- digen, dafs fie Julian mit der übertriebenen Sympathie
haupt ausgegangen find, mufsten es nahe legen, recht der Romantik beurtheilt hätten, und fodann Fr. W. IV
bald nach feinem Tode fein Leben in einheitlichem Bilde als einen Romantiker ,unter fremdem Namen zu ver-
zu zeichnen. So haben wir denn auch fchon die Straufs- 1 höhnen'. Bei der Ausführung diefer Abficht aber habe
Biographien von Zeller und Hausrath erhalten. Auch er die erwähnten drei Charakterzüge deutlich an den
der Herr Verfaffer der vorliegenden gröfseren Abhand- Tag gelegt.

lung nimmt Stellung zu dem ganzen Leben und Wirken Um dies nachzuweifen, wird nun im 2. Abfchnitt

von Straufs, wenn es auch nicht feine Abficht ift, Bio- : der Abhandlung (S. 6—14) ein kurzes, treues Lebensbild
graph desfelben zu fein. Schlottmann, anknüpfend an j Julian's gegeben, im 3. Abfchnitt (S. 14—22) fodann auf-
den pikanten Titel des einft zu Mannheim gehaltenen gezeigt, mit wie grofsem Unrecht neben Ullmann beVortrags
über Julian den Abtrünnigen, Hellt Straufs fonders Neander von Straufs wohlfeilem Spotte preis-

dar als einen .Romantiker des Heidenthums'. Als fol
chen zeigt er ihn uns zuerft in dem Redner von Mann
heim und fodann in feinem ganzen Leben und Streben.

gegeben werde, als habe er aus romantifcher Sympathie
Julian zu günftig beurtheilt. Im 4. Abfchnitt weiter
(S. 22—45) fucht Schlottmann, geftützt auf L. von Ranke

Die Abhandlung ift in 5 Abfchnitte getheilt. In j (vgl. befonders: ,Aus dem Bricfwechfel Fr. W. IV mit
dem erften derfelben wird der auf Straufs angewendete I Bunfen'j, in Bezug auf Fr. W. IV der .durch den Ro-