Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1879

Spalte:

505-506

Autor/Hrsg.:

Kloepper, K.

Titel/Untertitel:

Repetitorium der Geschichte der Pädagogik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart 1879

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 21.

506

Kloepper, Gymn.-Lehr. Dr. K., Repetitorium der Geschichte
der Pädagogik von den älteften Zeiten bis auf
die Gegenwart. Für Candidaten des höheren Schulamts
, der Theologie, fowie zur Vorbereitung für das
Rektorats- u. Mittelfchullehrer-Examen und für Seminare
. Roftock 1879, Werther. (IV, 116 S. 8.)
M. 1. 80.

Den Gedanken des Verfaffers, ,den Studirenden der
Philologie und Theologie, die während der Univerfitäts-
zeit feiten oder gar nicht Gelegenheit haben, ein Colleg
über gefchichtliche Pädagogik zu hören', einen ,Weg-
weifer bei der Vorbereitung zum Examen in diefem
Fache zu geben', müffen wir als einen fchr zeitgcmäfsen
bezeichnen. Die Ausführung, welche derfelbe in dem
vorliegenden Repetitorium gefunden hat, bekundet in
gleicher Weife gründliche pädagogifche Studien, wie
praktisches Gcfchick, ihre Ergebnifse in knapper Form
den Examinanden darzubieten.

Die Einleitung verbreitet Geh über liegtiff, Werth,
Quellen, Literatur und Eintheilung der Gefchichte der
Pädagogik. Der Verf. unterfcheidet drei Epochen: 1)
die vorchriltliche Zeit; 2) die Zeit vo/ Chriftus bis zur
Reformation; 3) die Reformations- und nachreformato-
rifche Zeit. Die erfle bezeichnet er als die Epoche der
nationalen und individuellen Erziehung, die zweite als
diejenige der humanen, die dritte als Epoche der humanen
und vernünftigen Erziehung. In der vorchrift-
lichen Zeit wird zuerft die Erziehung bei den Völkern
des Orients, dann bei den Völkern des Occidents in anschaulicher
Ucberfichtlichkeit behandelt (S. 5—44). Die
Zeit von Chriftus bis zur Reformation (S. 45—64) um-
fafst Grundlage und Anfänge der chriftlichen Erziehung,
die Erziehung unter der Gewalt der Kirche, das Laien-
thum und feine Erziehung. In der letzten Epoche wird I
zunächft das Zeitalter der Reformation dargeftellt, dann
die Zeit von Anfang des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
; es folgt hierauf Peftalozzi mit den Pädagogen
des Schuhvefens im 19. Jahrhundert bis Fröbel, endlich
werden die deutfehen Geiftesheroen und ihr Einflufs auf
die Pädagogik gefchildert. Als befonders gelungen
möchten wir aus den verfchiedenen Abtheilungen des
kleinen Werkes die Abfchnitte über die Erziehung bei
den Germanen (S. 41—44,1, das mittelalterliche Schul-
wefen 'S. 47—59), die Reformatoren und ihre Nachfolger
iS. 65—75), über den vortrefflichen Arnos Comenius
S. 80—84) und den ihn weit überragenden Heinrich
Peftalozzi (S. 99—106) hervorheben, zugleich aber einige
Ausheilungen, die wir zu machen haben, zuvörderft an
die Erwähnung des zuletzt genannten grofsen Pädagogen
anknüpfen.

Auf S. 99 nämlich heifst es: .Schon in feinem fechs-
ten Lebensjahre verlor er (Peftalozzi) feinen Vater, der
aus einer angefehenen florentinifchen Familie flammte
und Arzt war.' Nun ift ganz richtig, dafs Peftalozzi
Schon in feinem Sechsten Lebensjahre feinen Vater ver- <
lor, es ift ferner auch richtig, dafs diefer Arzt war, von
einer florentinifchen Abdämmung desfelben aber
weifs man in Zürich nichts. Vielmehr verhält es fich
nach einer Mittheilung eines Züricher Freundes, bei dem
Ref. fich erkundigt hat, mit der Herkunft Peftalozzi'«
folgendermafsen. ,Die Peftalozzi flammen aus Cleven !
(Chiavenna), wo die Familie jetzt und auch im Bündnerland
, befonders in Chur, noch vorkommt. Nach dem
zürcherischen Wappenbuch kaufte 1567 der Stammvater
des zürcherischen Zweigs, Junker Johann Anton Pefta-
lutz, der mit einer Zürcherin (Gcfsner) verheirathet war,
das Bürgerrecht. Auch in der Oberpfalz (Baiern) kommt
Schon feit ein paar Jahrhunderten das Gefchlecht vor,
ebenfalls von Cleven flammend, dort freiherrlich und
gräflich, und früher durch Militärs ausgezeichnet. (Daher
ift Schiller im Wallenftein dazu gekommen, diefen Namen
zu brauchen, wo Buttler zu den vor dem Morde
fich fcheuenden Hauptleuten fagt: ,So ruft mir Pefta-
lutzen!') In Zürich zählte das Gefchlecht Stets viele
Geistliche, Staatsmänner und bedeutende Kaufleute und
Industrielle unter feinen Gliedern'. Soviel über Peftalozzi
, mit deffen florentinifcher Abstammung es alfo
nichts auf fich hat. Nicht weniger unrichtig ift es, wenn
auf S. 70 Zwingli die Einführung des vierflammigen
Kirchengefanges in den Kirchen der reformirten Schweiz
zugefchrieben wird. Dem ift auch nicht alfo, fondern
.Zwingli verwarf den Gemeindegefang aus Opposition
■ gegen den katholifchen Chor- und Mefsgefang und man
| hielt zu fehr an feiner Autorität feft, als dafs man fo

bald von der Einfeitigkeit zurück gekommen wäre.......

Erfl 1598 befchlofs der Rath in Folge eines von dem
Archidiakon Raphael Egli eingereichten Memorials die
Einführung des Gemeindegefangs'. (Vgl. Kirchliche Statistik
der reformirten Schweiz von G. Finsler S. 685).
Die Vierftimmigkcit desfelben entstand durch den Einflufs
der Goudimelfchen Pfalmenmelodien und wurde erfl
1636 oder 1641 eingeführt (Finsler a. a. O. S. 686).

Bei der Angabe der bedeutendsten Univerfitäten
(S. 59. 60) fehlen auffallender Weife die in der Reformationszeit
geftifteten: Wittenberg 1502, Marburg 1527,
Königsberg 1544, Jena 1558.

Als Druckfehler find zu verzeichnen: Arim St. Urim
(S. 17), Bethol St. Bethel (S. 18), Brafilius St. Bafilius
(S. 46), medicinifch St. medicäifch (S. 61), shola St. schola
(S. 83), Pharifaismus St. Pharifäismus (S. 91). Die Jahreszahlen
find, Soweit wir fehen, richtig; nur ift Chryfo-
ftomus nicht im Jahre 408, fondern fchon 407 geftorben.

Ueberzeugt, dafs der Verf. diefe Verfehen bei einer
zweiten Auflage gern berichtigen wird, empfehlen wir
diefes Repetitorium namentlich auch den jungen Theologen
, auf dafs keinem mehr im Culturexamen das Unglück
widerfahre, wovon neulich in dem bekannten Artikel
der Kölnifchen Zeitung zu lefen war, nicht zu
wiffen, dafs Luther 1520 eine Schrift an den chriftlichen
Adel deutfeher Nation, fowie fpäter ("1524) an die Bürgermeister
und Rathsherren aller Städte Deutschlands geschrieben
! Solches Steht auf S. 66 für Jedermann klar
und deutlich zu lefen.

Crefeld. F. R. Fay.

Rodgers, Rev. George, Die Stiftshütte und ihre gottesdienstlichen
Ordnungen im neutestamentlichen Lichte.

Nach dem Englifchen von J. v. Lancizolle. Berlin
1879, Deutfche evangel. Buch- u. Traktatgcfellfchaft.
(VIII, 104 S. 8.) M. - 75; cart. M. — 90.

Nicht mit einer archäologifchen Studie über die
Stiftshütte haben wir es hier zu thun, fondern mit einem
erbaulich gefchriebenen, aus dem Englifchen in's Deutfche
übertragenen Büchlein, das nach der Vorbemerkung der
Ueberfetzerin ,nur dies Eine' bezweckt, ,uns Chriftum vor
die Augen zu malen, Ihn, den „Schönften unter den
Menschenkindern" (Pf. 45, 3), defs Anfchauen feiig macht'
Im allgemeinen entfpricht das Schriftchen diefem Zwecke
in finniger, recht erbaulicher Weife. Ob es aber geschmackvoll
ift, die verfchiedenen Decken der Stiftshütte,
nämlich die Dachsfell-, Widderfell-, Ziegenhaar- und
Cherubim-Decke auf das Werk und die Perfon Chrifti zu
deuten, wie dies in Cap. 7—10 gefchicht, laffen wir dahingestellt
. Auch wäre es intereffant zu erfahren, woher
der englifche Verfaffer weifs, dafs Jordan ,Plufs des Gerichts
' bedeutet, wie auf S. 46 zu lefen ift.

Crefeld. F. R. Fay.'