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1879 Nr. 21

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503

Titel/Untertitel:

Die Württemberger Summarien, das ist: Kurzgefaßte Auslegung der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments. 2 - 7. Hft 1879

Rezensent:

Sachsse, Eugen

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503

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 21.

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von den Ifraeliten gefungen wurden, wenn Tie nach Je-
rufalem zu den grofsen Feiten zogen. Mit einem folchen
Zuge wird das Leben des Chriften verglichen, der aus
dem Reiche der Welt zum Haufe Gottes wandelt. Der
Begriff des Haufes Gottes ift aber nicht einheitlich feft-
gehalten, indem darunter bald die irdifche Gemeinde,
bald die vollendete im Himmel verbanden wird. Die
einzelnen Pfalmen werden als Stationen auf diefem Wege
gedeutet. Bei diefem Entwürfe liegt die Gefahr der Eintönigkeit
fehr nahe. Die Befchreibung innerer Erfahrungen
durch 15 Betrachtungen durchzuführen, ohne den
Lefer zu ermüden, ift eine überaus fchwierige Aufgabe.
Dazu gehört eine reiche Bhantafie, wie fie Bunyan in
feiner Pilgerreife fpielen läfst, und plaftifche Geftaltungs-
kraft, welche verwandte Empfindungen fcharf abhebt;
andcrerfeits wäre es erwünfchte Abwechslung gewefen,
wenn zwifchen die ftetigen Schilderungen der inneren
Empfindung fich die Darftellung der objectiven Mächte
eingeflochten hätte, von denen die innere Empfindung
erregt wird. Letzteres hat Verf. unterlaffen, zu erfterem
fcheint er nicht reich genug, wie denn auch die Schilderung
der Heimath, des Heimwehs, des Wandertriebes
fich mehrfach, oft in denfelben Wendungen wiederholt.

Was nun die Ausdeutung der 15 Pfalmen als einzelner
Stationen in dem Chriftenleben betrifft, fo ift fie
nicht in den Pfalmen begründet; wäre fie richtig, fo
ftände Pfalm 126 wohl am Schluffe des Cyklus. Die
Ausdeutung ift daher vielfach gezwungen; es fiel uns
das Goethe'fche Epigramm ein: Habt ihr einmal das
Kreuz von Holze tüchtig gezimmert, pafst ein lebendiger
Leib freilich zur Strafe daran.

Wohlthuend dagegen ift die Befcheidenheit des Ver-
faffers, welcher offen bekennt, dafs er es nur dem weithin
gern aufgenommenen Namen feines Vaters verdanke,
wenn fich auch ihm da und dort eine Thüre aufthue.

2. Die Württemberger Summarien, das ift: Kurzgefafste
Auslegung der Heiligen Schrift Alten und Neuen
Teftaments. Neu herausgegeben von einigen evan-
gelifch-lutherifchen Geiftlichen Bayerns. 2 — 7. Hft.
Gütersloh 1878 u. 79, Bertelsmann. (N. T. 1. Bd.
S. 65—422. gr. 8.) ä M. — 60.

Nachdem in Nr. 2 diefes Jahrg. das Erfcheinen des
erften Heftes angezeigt war, find in rafcher Folge Heft
2—7 erfchienen, welche die vier Evangelien und die
Apoftelgefchichte enthalten. Die Herausgeber find alfo
fichtlich bemüht, das Werk, wie verfprochen, in drei
Jahren fertig zu ftellen. Ich kann nur wiederholen, dafs
die Auslegung kurz und kräftig ift und ftets nur die
Hauptwahrheiten hervorhebt. Doch macht es fich an
einigen Stellen fühlbar, dafs veraltete, allfeitig aufgegebene
Erklärungen der Auslegung zu Grunde liegen. Hier
wäre eine leife beffernde Hand am Platze gewefen.

3. Behrmann, Paft. Geo., Bibelstunden. Beiträge zum
Verftändnifs der Gemeinde dargeboten. 3. Thl. Die
Gleichnifsreden des Herrn. 2. Hälfte. Hamburg 1879,
Oemler. (VII, 196 S. gr. 8.) M. 2. 40.

In dem vorliegenden Bändchen wird die zweite Hälfte
der Gleichnifse Chrifti ausgelegt. Indem ich auf Nr. 18
des dritten Jahrgangs diefer Zeitung verweife, wo das
Erfcheinen des erften Bändchens angezeigt wurde, bemerke
ich, dafs der zweite Band feinem Vorgänger nach
Geift und Form durchaus ähnlich ift. In der Auslegung
dürfte folgendes auffallen:

In dem Gleichnifs vom verlornen Sohne wird be-
fonders betont, dafs unter dem Vater nicht Gott der
Vater, fondern der Heiland zu verftehen fei; wie es
fcheint, aus Furcht vor dem Mifsverftändnifs, als ob der
Sünder Vergebung habe, fobald er Reue in fich empfinde

und eine Verhöhnung durch einen gottmenfehlichen Mittler
nicht bedürfe (S. 41). Indefs ift dies Bedenken unbegründet
. Der Heiland will darlegen, dafs es eine göttliche
Gnade gebe auch für den verlorenften Sünder,
wenn er fich bekehre. Die Vermittelungen diefer Gnade
liegen aufserhalb des Gefichtskreifes. Auch fcheint der
Verf. das Gezwungene diefer Erklärung zu fühlen, denn
in der Auslegung (S. 17) tritt ftillfchweigend Gott der
Vater wieder ein. Das fchwierige Gleichnifs vom ungerechten
Haushalter erfährt folgende Deutung: Der
reiche Mann ift der Mammon, der Haushalter der natürliche
Menfch. Die Vcrfchwendung des Haushalters be-
fteht darin, dafs er aus Mildthätigkeit armen Leuten
grofse Darlehen giebt. Das fieht fein Herr als Untreue
an und will ihn darum entlaffen. Der Haushalter aber
erkennt, dafs fein bisheriger Herr nicht rechtmäfsiger
Befitzer der Güter fei und vermehrt feine Wohlthaten,
um fich dadurch das Wohlgefallen des rechtmäfsigen
Herrn — Gottes —zu erwerben. Diefe Auslegung, welche
im wefentlichen auch Olshaufen vorträgt, ift nicht ohne
grofse Bedenken. Man fieht nicht ein, warum der erfte
| Herr den Haushalter entlaffen will, da der Fürft der
Welt gegen Wohlthaten nichts einzuwenden hat, folange
man ihm gehorcht. ' Sodann ift mit keinem Worte an-
1 gedeutet, dafs der Herr unrechtmäfsiger Befitzer der
J Güter ift und dafs es einen anderen rechtmäfsigen Herrn
I giebt. Diefer Gedanke wird einer gefuchten Auslegung
zu Liebe hineingetragen. Immer noch bleibt es die an-
nehmbarfte Erklärung, dafs Jefus den Reichen in Ifrael,
welche bis dahin ihre Güter mifsbraucht haben und deshalb
bald verworfen werden follen, den Haushalter vorhält
als Mufter der Klugheit, mit der er feine Situation
überfchaut, und der Emfigkeit, mit der er die noch vorhandene
Macht gebraucht, um das unabwendbare Unheil
unfehädlich zu machen.

Hamm (Weftfalen). Lic. Sachfse.

Siona. Monatsfchrift für Liturgie und Kirchenmufik zur
Hebung des gottesdienftlichen Lebens. In Verbindung
mit Prof. Dr. L. Schöberlein und unter zahlreicher
Mitwirkung von Gelehrten und Geiftlichen,
Cantoren und Lehrern hrsg. von Pfr. M. Herold
und Prof. Dr. L. Krüger. 3. Jahrg. Gütersloh 1878,
Bertelsmann. (IV, 192 S. gr. 8.) M. 4. —

Gern mache ich auf obige Zeitfchrift aufmerkfam,
I welche den dankenswerthen Zweck verfolgt, durch Pflege
; der kirchlichen Mufik die evangelifchen Gottesdienfte
würdiger zu geftalten. Es ift ja kein Zweifel, dafs feit
j 150 Jahren trotz allen mufikalifchen FArtfchritts der
evangelifche Gottesdicnft in mufikalifcher Beziehung
| zurückgegangen ift, und dafs reiche Schätze kirchlicher
Mufik unbenutzt daliegen, weil weder Gemeinde noch
Chor zur Zeit im Stande ift, fie auszuführen. Hier ift
für Geiftliche, Lehrer und Mufikdirectoren noch viel zu
thun. Ein Chor zur Ausführung liturgifcher Einlagen
könnte überall herangebildet werden.

Die Zeitfchrift bietet zunächft ausführliche Auffätze.
Wir heben hervor: Herold, über Liturgie und Predigt.
Gegen den Mifsbrauch der Zwifchenfpiele. Die Collecte.
Der erfte Auffatz enthält viel zur Beherzigung, wenn er
I auch von reicher Ausgeftaltung der Liturgie fich zu viel
| Gewinn verfpricht. Eine zu lange Liturgie kann ebenfo
einfehläfern, wie eine trockene Predigt. Das zeigt fatt-
fam die griechifche und auch die anglikanifche Kirche.

Sodann finden fich kurze Mittheilungen aus Vergangenheit
und Gegenwart, liturgifche Formulare und
mufikalifche Zugaben.

Möchte die Zeitfchrift die Unterftützung finden,
welche der Eifer ihrer Herausgeber verdient. Der Preis
beträgt jährlich nur 4 Mark. ,

Hamm (Weltf.). Lic. Sachfse.