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Ausgabe:

1879 Nr. 21

Spalte:

502-503

Autor/Hrsg.:

Gerok, Gust.

Titel/Untertitel:

Die Lieder im höhern Chor. Psalm 120 - 134 für die Pilgerreise des Christen ausgelegt 1879

Rezensent:

Sachsse, Eugen

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5oi

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 21.

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diges Wort), fehr gefährlich das Argument für die Wahrheit
des chriftlichen Glaubens aus der Todesfreudigkeit
feiner Bekenner(59), die doch bei allen Religionen vorkommt
, — falfch die Behauptung, dafs die anderen Religionen
nur zufälligen Zufammenhang mit der Ferfon
ihres Stifters haben (33), wogegen der Parfismus und
Buddhismus entfcheiden, — und dafs es in falfchen Religionen
keine wahre Gewifsheit geben könne (71), —
da uns doch volle fubjective Gewifsheit z. B. aus der
Theologie des Islam und des Brahmanismus äufserft
deutlich entgegentritt etc. In Beziehung auf die Alt-
teftamentliche Religion hebe ich als unberechtigt hervor
die Befchreibung der drei Stufen der hcbräifchen Religion
(699), die Behandlung der Engellehre (334 ff.), —
die Erklärung der Stelle vom ,Sprofs Jehova's' Jef. 4
(711), — die Auffaffung von o~:z = Perfönlichkeit (307),

fchen im Gegentheil einen natürlichen Zug zum Böfen,
— noch ift fie dogmatifch werthvoll, da fie nicht die
in Gottes Schöpfergedanken gefetzte Idee des Men-
fchen ihrer empirifchen Trübung gegenüber zum reinen
Ausdruck bringt, alfo der Abficht des proteftantifchen
Dogma nicht gerecht wird. Die Lehre vom Wunder
und von der Infpiration fcheitert an der Unmöglichkeit
, ohne die Naivität und Unbefangenheit
der alten Kirchenlehrer das Wefentliche ihrer Aus-
fagen retten zu wollen. So anerkennenswerth auch der
Eortfchritt über die alte mechanifche Infpirationstheorie
ift, fo fehr ift doch noch der Factor theoreti fcher Erleuchtung
bei den Gottesmännern vorangeftellt, während
nach der biblifchen Auffaffung die Infpiration zu-
nächft eine Erfüllung mit Kräften, Motiven und
Zwecken in der Form der Begeifterung ilt; nur wer

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— die völlig unbiblifche Zufammenftellung von Gerech- das fefthält, kann auch die Schranken der Unfehlbarkeit
tigkeit und Heiligkeit, während doch die erfte die Allmacht Infpirirter und die Grade der Infpiration verliehen,
göttlicher Weltzwecke, die letztere die fich felbft Und bei der Betrachtung des W unders ift zunächft
wahrende Ueberweltli chkeit Gottes ift (272. 283. 287. : die Behauptung (589) zurückzuweifen, dafs ein beftimm-
308. 415), — ferner die Meinung, der Sabbath Gen. 2 j ter Wunderbegriff nicht möglich fei, ohne dafs auch ein
fei als ein noch jetzt fortdauernder gedacht (473), da er
doch nur ein längft vergangener kurzer Zeitraum fein foll, —
und die rationaliftifche Auslegung der Verfluchung des
Ackers um des Menfchen willen (500). Im N. T. ift befon-
ders die Art auffällig, wie fpätere chriftologifche Formeln,
z. B. von der einen Seite des Wefens Chrifti, die zur
Einheit der Perfon fich mit ihm verbunden hat,

Naturgefetz anerkannt werde. Denn der Wunderglaube
aller wirklich wundergläubigen Zeiten, d. h. der Zeiten,
die felbft Wunder zu fehen unbefangen erwarteten, fieht
gerade völlig von jedem Gedanken an ein Naturgefetz
ab, und findet den Unterfchied des Wunders vom täglichen
Naturgefchehen nur in dem Auffallenden und
cthifch Zweckmäfsigen des Gefchehens. Argumente,

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in den fo ganz anders gerichteten johanneifchen und wie die, dafs jede unverdorbene Natur am Wunder
paulinifchen Worten gefunden werden (335. 338. 343- ; Freude hat (614) (wie doch auch an der Poefie im Ge-
'4O Seltfam ift die Stelle 259 .artet der jüdifche Geift ! genfatz zur profaifchen Wirklichkeit), oder dafs die unbedingte
Freiheit des Geiftes in Chriftus Wunder
fordere (615) (da doch diefe Freiheit feines Geiftes fich
am Kreuze ohne Wunder erwiefen hat), follten nicht
vorgetragen werden. Und wer von fo ganz anderem
Standpunkte ausgeht, follte nicht Lotze's Beweis für die
metaphyüfche Möglichkeit des Wunders fich aneignen,
oder Schleiermacher trotz feiner ausdrücklichen Ab-
weifung des .Naturwunders' zum Apologeten für das
Wunder machen.

Die Wichtigkeit des Gegenftandes und die Bedeut-
famkeit des Buches und feines Verfaffers haben über
die Grenzen, die fonft an diefem Ort der Anzeige gefleckt
find, hinausgeführt. Der Schlufs der Anzeige
möchte deshalb, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen
, noch einmal dem Verf. für feine, auch bei vielem
Widerfpruche als anregend und inhaltvoll empfundene
Gabe danken und die Hoffnung auf baldige Vollendung
des Buches ausfprechen.

Göttingen. H. Schultz.

aus, fo liegt ihm (wegen feiner Betonung von Mafs und
Gerechtigkeit) ein Hängenbleiben an Zahl, Mafs und
Gewicht nahe; da wird aus dem Ifraeliten der Cananiter,
der Kaufmann. Auch den Jona führt feine Flucht
vor feinem Berufe auf ein phönizifches Kauf-
fahrteifchiff. Und wenn S. 720 ff. der hiftorifche
Beweis für die Vollkommenheit Jefu und damit des
Chriftenthums aus dem Neuen Teftamente, fpec. aus
dem Evangelium des Johannes, geführt wird, fo ift über-
fehen, dafs die Ueberzeugung diefer Bücher von Jefu
vollkommener Heiligkeit von Niemandem bezweifelt wird,
dafs aber ein hiftorifcher Beweis von Schriften ausgehen
müfste, welche auch die Gegner als unpar-
teiifch anerkennen. Wenig befriedigend ift die Behandlung
der alten Meifterfrage von dem Vorauswiffen
freier Handlungen durch Gott (323), wobei immer die
Zeit auch in Gott felbft übertragen wird. Fbenfo der
Verfuch, die Trinitätslehre zu conftruiren ohne Rücklicht
auf die Lehre von der Frlöfung und vom Reiche Gottes,
fo erfreulich auch die Unbefangenheit ift, mit welcher
die Auffaffung des Logos ,als eines einzelnen perfön- I

liehen Individuum im Sinne unferes Sprachgebrauchs- Zur praktischen Schrifterklärunq

abgewiefen wird (344. 364. 430). Schon der Widerfpruch 1. Gerok Diak r„n- rti« 1 ;«a„ • um.
mit der Logoslehre der alten Kirche und der Bibel der .! ' , Guft- D,e Lieder im honern Chor. Pfalm
in der Aeufserung des Verf.'s liegt, dafs die Ge'fetz- | ^ 134 fur dle pdgerreife des Chriften ausgelegt,
gebung auf Sinai auf den Vater zurückzubeziehen fei, | Stuttgart 1879, Greiner. (VII, 328 S. 16.) M. 3. — ■
zeigt, wie unficher der ganze Boden hier ift, — und ' Seb- M. 4. _

wenn die Liebe Gottes zu fich felbft nach beliebter j Der Sohn drs T.irhw* r-,.1 r , .
Auffaffung als die tieffte Quelle des trinitarifchen Le- Betrachtungen über S ton L , Y f rbruliche
bens angefehen wird, fo liegt dabei doch ein durch- Lied« ?IL, ri k T 34, Welche Luther als
aus unrichtiger Begriff von dfm Wefen der Liebe vor. ^olA ^^ d^V^^'- " .Dr ,«* ^bcn.
Liebe ift Gemeinfchaft fuchen für den eignen Lebens- ftattuno- „„ 1 i 1 . Verfrf[ers;.wJe die elegante Auszweck
; f.e ift alfo nur bei einer Dreiheit ^wi rkHch er SchflP^JZJ^^f^ tEÜ?änA erwccke»
Perfonen in Gott oder mit Rückf.cht auf eine ewig in vor 1 I Tg' f*& W'ö,eine Poeti'che Gabe
Gottes Willen gefetzte und gefuchte Gemdnfchlft mS Aber "t. r ' .beftimmt1 fur afthetifche Damentifche.
gefchaffenen Geiftern (Reich Gottes) deafiTJ^Ä &£n£«t TSR Ä ^ DaS BücnIein ift Vorführung
über den Urlland bietet einen hiftorffch wie f!r^ ft"' d,eyor einer durchausländ-
dogmatifch gleich unhaltbaren VemitömgfvSci? der merkt inTr'v" Sölten wurdcn nd der Verf be_
außerdem in der .Urkunde' keinerlei Halt hat Die ^tetoZXVffctJ^t*** ^P^che Einfach-
,reine unfchuldige Natur des erften Menfchen mit dem (prl^n ^

natürlichen Zuge zum Guten' ift weder hiftorifch aufzu- I Kurze folSe ■ D^ vJ IrUY^ d' PlI Ä ift in
zeigen; - - denn d,e erfte Probe zeigt uns in den Men- Pfalmen afs ,L ede^