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Ausgabe:

1879 Nr. 21

Spalte:

494-495

Autor/Hrsg.:

Enders, Ernst Ludwig (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Dr. Martin Luther’s Sämmtliche Werke. 19. Bd.: Vermischte Predigten. 4. Bd., enthaltend die Predigten vom Jahre 1533 bis 1537. 2. Aufl 1879

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 21.

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gelegte Studien über Heffus bekannt gemacht hat, veröffentlicht
in vorliegendem Werke die Ergebnifse feiner
Forfchungen, die feit Jahren auf das Leben des letzgenannten
Poeten gerichtet waren. Zunächft lernen wir
in diefem erften mit einem Bildnifse des Lichters ge-
fchmückten Bande das Leben desfelben von der Geburt
(1488) bis zur Verfetzung nach Nürnberg (1526) kennen.
Es ift der wichtigere Theil. — Das erfte Buch ift über-
fchrieben: Schul- und Wanderjahre (1488—1514) und
führt bis zu dem Zeitpunkt, wo Heffus als weithin anerkannter
Dichter fich in Erfurt niederliefs. Der Verf.
erweift durch genaue Unterfuchung als urfprünglichcn
Namen des heffifchen Bauernfohnes Eoban Koch, als

gifter bringen follte. Aber bei aller Anerkennung läfst
fich doch ein Bedenken nicht unterdrücken. Ueber Eo-
banus Heffus zwei Bände! Das dürfte des Guten zuviel
fein. Wo will es hinaus, wenn in diefer Weife foll fortgearbeitet
werden? Die meiften Lefer werden die Empfindung
haben, dafs das Werk gewonnen hätte, wenn
es knapper gefafst wäre. Schon die allgemeinen Ueber-
blicke über die Zeitverhältnifse, wie auch die Bemerkungen
über einzelne Perfönlichkeiten, z. B. Reuchlin
und Erasmus konnten kürzer gehalten werden. Sie geben
ja doch nur weithin Bekanntes. Und dann die eingehende
Befprechung der Dichtungen! Der Verf. fagt
felbft, dafs die gefchickten Verfe des Poeten nur noch

Geburtsort das Dörfchen Halgehaufen, und befchreibt ein hiftorifches Intereffe haben. Warum dann ein fo

kurz die erften Unterrichtsanftalten, welche der Knabe
befuchte. Bei Schilderung der Erfurter Verhältnifse giebt
er für die einzelnen Perfönlichkeiten manches, auch
manche Berichtigung, aus den dortigen Matrikeln, für
das Allgemeine hält er fich fehr an das bekannte Werk
von Kampfchulte. Uebrigens ift feine Zeichnung der

langes Verweilen bei dem Einzelnen? Keine einzige der
Productionen des Dichters hat bleibenden Werth, keine
hat auch nur in die damalige Fortbewegung der Ge-
fchichte tiefer wirkend eingegriffen. Da wäre eine knappere
Charakterifirung am Platze gewefen. Ebenfo fieht
man nicht ein, warum fo viele Gedichte ganz oder theil-

Stellung, welche die älteren Humaniften zu den Theo- | weife überfetzt find. Der Fachgenoffe würde die Örigi-
logen und diefe zu jenen einnahmen, S. 24 ff., eine zu nalverfe vorgezogen haben, und von den übrigen Lefern
grobe, während Mutian gleich darnach wohl zu günftig J werden, fo ift zu fürchten, nicht viele bei den über-

gefchildert wird. Ihm eine ,echte und tiefe Frömmig
keif beizulegen, S. 38, ift zu viel; wenigftens war diefe
,Frömmigkeif des Spötters keine chriftliche. Bemerkt
werde noch, dafs Petrus Luder kein eingewanderter Italiener
war, fondern aus Kislau im Kraichgau flammte,

fetzten fich aufhalten. Sie ermüden zu fehr.

Schliefslich ift noch die gute Ausftattung des Buches
hervorzuheben. Der Buchhandel hat in feiner Anfangszeit
den Reformatoren und auch den Humaniften unendlich
viel zu verdanken gehabt. Ehre folchen Verlegern,

S. 23, und dafs der Geburtsort Spalatins Spalt heifst, und , die des eingedenk bleiben und dies dadurch bekunden,
nicht wie man oft, auch hier S. 39 lieft, Spelt. Schon I dafs fie die Forfchung in der Reformationszeit hoch
fehr bald kann der Verf. nun von dichterifchen Schöpf- ' herzig fördern!

ungen des jungen Humaniften berichten. Diefe werden
alle mit gröfster Genauigkeit befchrieben, fowohl was
bibliographifch das Aeufsere, als was den Inhalt betrifft.
Er hat fich die Mühe nicht verdriefsen laffen, überall
den Originaldrucken nachzufpüren und es ift ihm faft
durchweg gelungen; nach der Seite hin ift das Mögliche
gefchehen. Ferner giebt er in diefem Abfchnitt
und weiterhin viele Notizen über einzelne Männer, mit
denen Heffus in kürzeren oder längeren Verkehr kam.
Diefe find fehr dankenswerth. Sie machen das Buch,
wenn auch nicht gerade dem Lefer angenehm, fo doch
dem Forfcher um fo brauchbarer. Nur möge hier bemerkt
werden, dafs dem Verfaffer in der monographi-
fchen Literatur, die er an den betreffenden Stellen zu
verzeichnen pflegt, doch Manches entgangen ift.

Erlangen. , G. Plitt.

Luther's, Dr. Martin, Vermischte Predigten. Hrsg. von
Pfr. Ernft Ludw. Enders. 4. Bd. Enthaltend die
Predigten der J. 1533—1537. 2. Aufl. [Sämmtliche
Werke. 19. Bd.] Frankfurt a,M. 1879, Heyder &
Zimmer. (VIII, 466 S. 8.) M. 4. —

Ein neuer Band der Predigten Luther's, der diesmal
die Predigten aus den Jahren 1533—37 bringt. Unter
den fchon bekannten ift hier befonders zu erwähnen die
fehr intereffante Predigt, welche Luther 1537 während
des Schmalkaldifchen Convents über Matth. 4, 1 — h
hielt. Sie befpricht an der Hand der Verfuchungsge-
Das zweite Buch redet von Heffus als »König und ; fchichte die Entwicklung der Kirche und dürfte zur Erklärung
des eben in jenen Tagen von Melanthon ver-
fafsten tractatiis de primatu Papae heranzuziehen fein.
Ebenfo verdienen die beiden Predigten über die Taufe
vom Jahre 1535 vorzügliche Beachtung. Sie find offen-

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Haupt der Erfurter Poeten'. Hier kommen die Anfänge
der Reformation und die gleich hervortretenden bedeutenden
Einwirkungen derlelben zur Sprache. Der Verf.
führt mit grofser Kenntnifs der Sachlage aus, wie in

den Herzen der begeifterungsfüchtigen Erfurter Huma- bar vor dem Drucke überarbeitet und haben nunmehr
niften Reuchlin, Erasmus, Luther einander ablöften, wie die Form einer Abhandlung. Dadurch find fie für die
dadurch aber auch der anfänglich einige und gefchloffene 1 dogmatifche Verwerthung wichtig geworden, während
Freundeskreis allmählich gefprengt ward, fo dafs Heffus das letztere von den 21 Predigtfragmenten aus dem jähre

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fchliefslich faft allein daftand. Die Zeichnung der Per-

1537 nicht gilt. Diefe find jedenfalls nur mit Vorficht

fönlichkeiten ift faft durchweg eine vortreffliche; nur die zu benützen. Auffallen kann in ihnen eine Stelle in
religiöfe Bedeutung des Erasmus möchte S. 285 ff. etwas ; einer Charfreitagspredigt diefes durch den antinomiftifchen
überfchätzt fein. Jedenfalls wird diefer Theil des Buches ; Streit bemerkbaren Jahres, in welcher Luther Ausdrücke
noch auf lange hinaus befonders viel benützt werden, brauchte, die Agrikola mit einem gewiffen Scheine für
Unter dem als neu Gebotenen hebe ich hier hervor, dafs fich in Anfpruch nehmen durfte. Er fagt da: ,Chrifti
nach S. 404 im Frühlinge 1525 die Erfurter fich alle Leiden macht und wirket Bufse. Wenn dies in eins
Mühe gaben, Luther und Melanthon für ihre Hochfchule ; Menfchen Herzen nicht Bufse wirket, fo lafs taufend
zu gewinnen, und dafs fie kurze Zeit hofften, es werde 1 Mofes kommen, Spiefs und Schwert, es wird doch nim-
ihnen dies gelingen. I mermehr keine rechte Bufse folgen, denn es heifst: in

Eine fehr mühevolle Arbeit ift diefem Werke ge- I Chrifti Namen und nicht in Mofes Namen' foll man
widmet worden; das mufs vor Allem anerkannt werden. ' Bufse und Vergebung der Sünden predigen; denn es
Der Verf. nennt fein Buch einen .Beitrag zur Cultur- und . wird wohl Heuchelei aus dem Gefetz, aber wahrhaftige
Gelehrtengefchichte des 16. Jahrhunderts'. Das ift es in j Bufse folget allein aus dem Namen Jhefu Chrifti. Darum
vollftem Mafse, ein fehr förderlicher Beitrag. Viele follen die Apofteln das allein predigen und die Evange-
werden ihm für das Buch danken; vielen wird es manches liften. Lafst Mofen bei den Jüden bleiben und dicfelbigcn
Jahrzehnt hindurch ein fehr willkommenes Hülfsmittel fein, , regieren; der Jhefus macht eine rechte Bufse, die gehet
zumal wenn der zweite Band ein recht ergiebiges Re- durch das ganze Leben'. — Was ferner unter den fchon