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Ausgabe:

1879 Nr. 19

Spalte:

445-446

Autor/Hrsg.:

Otto, Jo. Car. Th. Eques de (Ed.)

Titel/Untertitel:

Justini, philosophi et martyris, Opera. Tom. II.: Opera Justini addubitata 1879

Rezensent:

Harnack, Adolf

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445

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 19.

446

Justini philosophi et martyris opera. Ad optimos libros
mss. nunc primum aut denuo collatos recensuit,
prolcgomenis et commentariis instruxit, translatione
latina ornavit, indices adjecit Jo. Car.Th.EquesdeOtto.
T. IL Opera Justini addubitata. Fragmenta operum
Justini deperditorum. Acta martyrii Justini et socio-
rum. Editio tertia plurimum aucta et emendata.
Accedi.nt specimina lithogr. trium Codicum MSS. [A.
u. d. T.: Corpus Apologctarum Christianorum saeculi
secundi. Vol. III.] Jenae 1879, Fifcher. (LXX, 324 S.
gr. 8.) M. 8. —

Diefe neue Auflage des 3. Bandes des Corp. Apolog.
umfafst diefelben Schriften, welche in dem 3. Bande der
alteren Ausgabe enthalten waren: die Oratio und Co-
hortatio ad Gentilcs, den Tractat de vionarchia, die Epistula
ad Diognetum, die Schrift de resurrectione — der Verf.
erklärt jetzt ausdrücklich alle diefe Abhandlungen für
pleudojuftinifch — die Fragmente aus verlorenen Schriften
Juftin's und das Martyritim SS. MM. Justini, Chari-
tonis etc. üreifsig Jahre liegen zwifchen der zweiten und
dritten Ausgabe. Der Herausgeber nennt diefe dritte
Bearbeitung ein Opus novum; wenn diefe Bezeichnung
auch fehr hoch gegriffen ift, fo ift doch die forgfältige
Revifion fowohl der Prolegomena als des Textes an
nicht wenigen Stellen zu conftatiren. Der Umfang der
neuen Auflage ift gegen die frühere um drei Bogen ge-
wachfen; die Anlage des ganzen Werkes ift diefelbe
geblieben und auch die Texte haben nur geringe Veränderung
erlitten. Im Folgenden verzeichne ich in Kürze
die wichtigeren neuen Auffchlüffe und Zufätze, welche
diefe Ausgabe bietet. Die Mittheilungen über den für
die Co/tortatio grundlegenden Codex Paris. CD LI v.
J. 914 find bereichert und zugleich ein Specimen Cod.
beigegeben. In Bezug auf den Cod. Claromont. gefteht
der Herausgeber nun zu, dafs wir ihn ohne Einbufse
entbehren können, weil er dem Paris. CDL ,/iaud dissi-
t/ti/is' fei. Wichtig, wenn auch nicht überrafchend, find
die neuen Angaben über den im J. 1870 verbrannten
Cod. Argentoratensis. Prof. Reufs in Strafsburg hat im
J. 1861 noch einmal die Handfchrift für den Herausgeber
nach deffen Ausgabe verglichen. Diefe Revifion
hat erftlich die vorzügliche Correctheit der Cunitz'fchen
Collation v.J. 1842 erwiefen, fodann die Nachweifungen
beftätigt, welche v. Gebhardt in Bezug auf das Ver-
hältnifs des Codex zum Leidener Apographon Stcpliani
und zum verlorengegangenen Apographon Beureri gegeben
hat. Man darf jetzt mit Sicherheit fagen 1 es ift
im 16. Jahrhundert nur eine Handfchrift, eben die Strafs-
burger, für den Diognetbrief bekannt gewefen. Aber
auch die Hoffnungen, die man zur Entdeckung des Apo- j
grapJton Beureri auf die Notiz bei Hänel gefetzt hatte,
in Glasgow befände fich ein Codex ,Jttstini Orationes'
enthaltend, find gefcheitert, nachdem fich jene Reden
als juftinianifche erwiefen haben. Was die neue
Textrecenfion des Diognetbriefs durch v. Otto betrifft,
fo weicht diefelbe von der Gebhardt'fchen an 27
Stellen ab, von denen indefs nur 11 bedeutendere find.
Es fcheint alfo trotz der fchmalen und fchlechten Textesüberlieferung
ein ziemliches Einverftändnifs unter den
Kritikern erzielt zu fein, wie denn auch v. Otto nur fehr I
feiten Grund gefunden hat, von feiner früheren Recenfion
abzuweichen. Möge aber diefes Einverftändnifs nicht
über die grofse Zahl von höchft unficheren Stellen täu-
fchen! Abgefehen von 3 Sätzen, die v. Otto als Gloffen
aus dem Texte ftreicht 'Cap. 3 u. 9), ift feine Recenfion
gegenüber der Gebhardt'fchen etwas confervativer. So
vertheidigt er das tri Mi vvv der Handfchrift (c. 2 p. 155,
10 der Gebhardt'fchen Ausgabe), ebenfo ai vvv (c. 2
P' 155, 17), vnu.itio (c. 4 p. 156,22. die meiften ov vopi^io).
Ein Ertrag der neuen Vcrgleichung durch Reufs ift es,

dafs nun c. 12 (p. 164", 10) [ojoiov gelefen wird (nicht
mehr qiQinv); Reufs hat darauf aufmerkfam gemacht, dafs
der Codex vor dem qojv nur für einen Buchftaben Raum
hat. Richtig ift auch nhdvn (nicht nlmiri) p. 164, 11.
Endlich fchreibt v. Otto p. 164, 14; xot v.rjoni avvayovxm
y.cti /«ei« xoouov ügftöCoviai. Die , Wachskerzen' find
aber doch zu befremdlich, fo wenig die Conjectur xaioqi
befriedigend ift. In Bezug auf die Abfaffungszeit des
Briefes hat der Herausgeber p. LXI sq. die neueren Un-
terfuchungen fehr vollftändig verzeichnet, ein eigenes Ur-
theil aber nicht gefällt. Was das Alter der verbrannten
Handfchrift betrifft, fo läfst v. Otto jetzt auch das 14.
Jahrhundert offen. Für die Oratio ad Gentilcs konnte
der Verf. zum erften Male die fyrifche Ueberfetzung,
welche in einem Codex Nitriacus Mus. Brit. saec. VII.
fich findet und von Cureton im Spicil. Syr. veröffentlicht
worden ift, benutzen. Freilich trägt diefelbe zur Con-
ftituirung des griechifchen Textes nicht viel aus, da fie
mehr eine Paraphrafe als eine Ueberfetzung ift. Aber fie
ift deshalb wichtig, weil fie nicht nur die Exiftenz der
Oratio für das 7. (6. Jahrhundert verbürgt, fondern aufser-
dem eine beachtenswerthe Notiz über ihren Urfprung
bringt. Im Syrifchen ift fie nämlich als Rede eines Am-
brofius, eines vornehmen Griechen, bezeichnet. (Wörtlich
nach Cureton lautet die luscriptio: Hypomncmata,
wlticlt Ambrose, a cldef man of Greece, wrote: who became
a Christian: and all Iiis felloiu-scnators raised a clamour
against Html and he fled front them, and wrote and sltew-
ed them all their folly: and at the beginning of Iiis
discotirse he answered and said: /uij imaküßrxe xvXf).
Schon diefes ift wichtig, dafs der Syrer den juftinifchen
Urfprung verneint. Wie weit er fonft mit feiner Angabe
im Rechte ift, kann hier nicht entfehieden werden.
An den Ambrofius, den Freund des Origenes, darf nicht
gedacht werden (fo Cureton, f. Caspari III, S. 368),
ebenfowenig an Apollonius (fo Nolte), wie auch von
Otto fieht. Uebrigens weifen die felloxv-senators' nicht
nothwendig nach Rom. Die Codd. Mutincnsis, Bono-
niensis, Florcntinus der Cohortatio hat der H. leider auch
für diefe Ausgabe nicht einfehen können. Wir erfahren
aber, dafs der erftgenannte Codex (saec. XI.), der auch
die Supplicatio Athenagorac enthält, für diefe von Cave-
doni i. J. 1860 verglichen worden ift. Sehr dankens-
werth find die forgfältigen Nachweifungen über die Ausgaben
und Ueberfetzungen der pfeudojuftinifchen Schriften
(p. XXXIII—LVIII). Ucber den Urfprung der Cohortatio
hat der H. fich nicht ausgefprochen. Auch über
den Verbuch Schürer's, die Abhängigkeit diefer Schrift
von Julius Africanus zu erweifen (Ztfchr. f. KG. II
S. 319 f.) wird, wie über anderes, lediglich referirt. Für
den Text des Martyriums Juftini ift eine zum erften Male
durch Cozza vollftändig verglichene, vaticanifche Handfchrift
benutzt worden. Aber aufser vier graphifchen
Kleinigkeiten befteht der Unterfchied der neuen Recenfion
von der alten darin, dafs nun c. 5 eig ualßsictv
libxmrintei für datßeiav eIcitciiitei gelefen wird. So las
aber fchon Papebroch; der neue Codex gerade bietet
die letztere LA. Es ift eben, wie v. Otto felbft weifs,
die ,ncue Handfchrift' lediglich eine corrigirte, jedenfalls
ganz junge Abfchrift des einzigen griechifchen MS., auf
welche die griechifchen Recenfionen des Martyriums
fämmtlich zurückgehen, des Codex von Grottaferrata.
Zudem hat fie fchon Maranus verwerthet und deshalb
v. Otto felbft in feiner früheren Ausgabe Lesarten aus
ihr aufgenommen. Dann mufste fie aber jetzt anders
verwendet werden und durfte im Apparat nicht als Cod.
B neben Cod. A figuriren.

Ausführliche Regifter fchliefsen den Band ab.

Giefsen.. Ad. Harnack.