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Ausgabe:

1879 Nr. 18

Spalte:

436-437

Autor/Hrsg.:

Sonntag, Waldemar

Titel/Untertitel:

Die Todtenbestattung. Todtencultus alter und neuer Zeit und die Begräbnisfrage. Eine culturgeschichtliche Studie 1879

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 18.

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beitung Miffionsfreunde unter den Laien, fo weit fie nicht
für geographifche Studien oder für die Grundfätze der
Miffion ein regeres Intereffe haben, weniger befriedigen,
weil faft keine Perfönlichkeiten hervortreten. Ueberdies
bedauern wir, dafs Dr. Grundemann diefes Heft in fo
grofser Haft auszuarbeiten hatte, dafs er, wie er S. 337
Anm. 2 andeutet, abgearbeitet an Leib und Seele' zum
Schlufs eilen mufste. Dadurch ift derjenige Theil von
Indien zu kurz gekommen, welcher für die Miffion der
wichtigfte wäre, der Süden, namentlich die Tamil-Miffion,
wo die evangelifche Kirche zuerft gearbeitet und bis jetzt
am meiden Chriften gefammelt hat. Wenn man auf der
Karte von Vorderindien eine Linie zieht etwa von Madras
auf der Oftküfte nach Mangalur auf der Weftküfte,
fo wohnt auf dem verhältnifsmäfsig kleinen Dreieck,
welches dadurch abgefchnitten wird, weit mehr als die
Hälfte der eingeborenen evangelifchen Chriften von Vor- [
derindien; es haben hier die bedeutendften Miffionare j
gearbeitet und find die wichtigften Miffionsfragen verhandelt
worden. Das tritt aber in unterem Buche nicht
hervor, denn hier wird diefer Theil in weniger als 100 1
Seiten abgehandelt. Grundemann hat allerdings in den
früheren Abfchnitten fchon manches befprochen, was
fich auf Indien im Allgemeinen oder auf einen grofsen
Theil des Landes bezieht, und er hat den Stoff mit
grofsem Gefchick fo vertheilt, dafs auch die Darftellung 1
weniger fruchtbarer Miffionsgebiete nicht langweilig wird,
weil wir dabei über einzelne Seiten der Miffionsthätig-
keit überhaupt Auffchlufs bekommen. Nur wäre bei
diefer Vertheilung des Stoffs ein Regifter erwünfcht,
weil man manches, was man in der Einleitung fucht
und was für Indien überhaupt oder für einen grofsen
Theil des Landes gilt, erft bei einem einzelnen Miffions-
gebiet findet. — Die Urtheile des Verfaffers über die
Arbeitsweife der verfchiedenen Miffionsgefellfchaften
werden wohl bei den Betreffenden manchen Widerfpruch
hervorrufen; fie find auch zuweilen auf blofse Vermuthungen
gegründet, und es ift gewagt, zu behaupten
z. B.: defswegen, weil die Gofsner'fche Miffion unter
den Kolhs fo grofse Erfolge gehabt, hat, die englifch-
kirchliche unter dem ähnlichen Bergvolk der Santals
dagegen fo geringe, fo müffen die englifch-kirchlichen
Miffionare es unrichtig angegriffen und die nationale
Trage nicht richtig behandelt haben (S. 138 f.) Die nationale
Stellung der unterdrückten Völker fpielt allerdings
eine grofse Rolle in der indifchenMiffionsgefchichte,
aber man mufs fich hüten, die Miffionserfolge ohne Weiteres
nach einer folchen Schablone zu beurtheilen, denn
es giebt Völker in Indien, welche zu den Urbewohnern
gehören und noch nicht den eigentlichen Hinduismus
angenommen haben, und bei welchen dennoch die Arbeit
der treueften Miffionare und Nationalgehilfen noch
wenig ausgerichtet hat, z. B. auf den Nilagiris. Allein
wenn wir auch einzelnen Urtheilen Grundemann's nicht
beiftimmen können, fo ift es doch dem Buch zum Ver-
dienft anzurechnen, dafs hier die äufseren Verhältnifse,
unter welchen eine Miffionsgefellfchaft arbeitet, und die
Grundfätze, welche fie befolgt, genauer ins Auge gefafst
und mit den Arbeiten anderer Gefellfchaften verglichen
werden. Dadurch wird der Miffionswiffenfchaft ein
Dienft geleiftet. Nur ift ein weiterer menfchlicher Factor
bei dem knapp zugemeffenen Raum etwas zu kurz gekommen
: die Perfönlichkeit der bedeutendften Miffionare.

Was die Schrift von Plath über Gofs ner's Miffio n
unterden Hindus und Kolhs betrifft, fo bedauern wir,
dafs Grundemann diefelbe nicht mehr zur Bearbeitung der
vorhin befprochenen Abtheilung der Miffionsbibliothek
benutzen konnte. Denn die Gofsner'fche Miffion ift in
Nordindien die erfolgreichfte und mufs durch ihre rafchen
Tortfehritte trotz allen dazwifchen getretenen Schwierigkeiten
und Aergernifsen die Theilnahme der deutfeh-
evangelifchen Chriften in ungewöhnlichem Mafs erwecken.
Es wäre nur zu wünfehen, dafs fie namentlich in Nord-

deutfchland auch mehr Geldunterftützung fände, nachdem
die Berliner Freunde Gofsner's dafür geforgt haben,
dafs diefes fchöne Werk nicht ganz in die Hände der
hochkirchlichen Anglikaner falle, von welchen die Miffionare
durch mangelhafte Geldunterftützung zu Gofsner
's Lebzeiten fchon zu abhängig geworden waren.
Die vorliegende Schrift enthält Briefe von einer Vifitations-
reife, welche der gegenwärtige Infpector Plath im Winter
1877/78 machte, um das Werk durch eigene Anfchau-
ung kennen zu lernen, welches er feit einigen Jahren
zu leiten hat. Wir werden zuerft in die Weltftadt Bombay
und von da mit der Eifenbahn über Benares und
die Gofsner'fchen Stationen am Ganges nach jener Ecke
geführt, wo der Reifende die moderne Culturftrafse ver-
laffen und auf dem altindifchen Palki fich nach jenem
Berglande tragen laffen mufste, welches von dem 'für das
Chrilfenthum fo empfänglichen Volk der Kolhs bewohnt
wird. Wir bekommen eine anfehauliche Schilderung von /
Land und Leuten, von den Gebäuden der Hauptftation
Rantfchi, von den Gottesdienften in der grofsen Kirche
und auf einer anderen Station im Freien, von dem Schul-
wefen der Miffion u. f. f. Doch möchte ein Miffions-
freund über manches noch genaueren Auffchlufs wünfehen
, z. B. ob die eingeborenen Aelteften, welche hauptfächlich
die Leute zur chriftlichen Kirche herbeigeführt
haben, auch wirklich im Stande feien und darauf ausgehen
, die heidnifchen Sitten und Anfchauungen bei
den 30,000 Kolhs auszurotten, welche fich der Berliner
Miffion angefchloffen haben. Wir wollen jedoch an einen
Reifebericht nicht zu hohe Anfprüche machen. Der Stil
wird dadurch etwas manicrirt, dafs der Verf. von fich
niemals in der erften Perfon reden will und deshalb die
Sätze ins Paffiv fetzt. Allein Darftellung und Gegen-
ftand find für jeden Miffionsfreund fo anziehend, dafs
man fich darüber wegfetzen kann.

Möffingen bei Tübingen. P. Wurm.

Sonntag, Waldemar, Die Todtenbestattung. Todtencul-

tus alter und neuer Zeit und die Begrabnifsfrage. Eine
culturgefchichtliche Studie. Halle 1878, Schwetfchke.
(III, 292 S. gr. 8.) M. 3. -

Die Schrift ift veranlafst durch die Frage der Leichenverbrennung
, oder, wie man fich euphemiftifcher
auszudrücken liebt, der .Feuerbeftattung', die eine künft-
liche Agitation zu einer ,brennenden' in doppeltem Sinne
zu machen verfucht hat. Sie knüpft das Votum über
diefe Frage an eine Gefchichte des Todtencultus unter
den verfchiedenen Völkern in alter und neuer Zeit,
welche nur theilweife aus den Quellen felbft gefchöpft,
zum gröfseren Theile aus Darftellungen anderer hervorragender
Schriftfteller über diefen Gegenftand entlehnt
und nicht ohne Mühe zufammengetragen, klar geordnet
und anfehaulich erzählt ift, wenngleich nicht allenthalben
knapp genug. Kann der Verf. auch für feine Schrift
keinen befonderen Anfpruch auf eigentlich wiffenfehaft-
lichen Werth machen, fo ift diefelbe immerhin eine fehr
dankenswerthe Arbeit, die über den Gegenftand hinlänglich
orientirt, wozu es vollkommen genügt, wie es
der Verf. thut, fich auf die bekannteren, gefchichtlich
uns näher flehenden Völker zu befchränken.

Ein Object für eine theologifche Zeitfchrift ift das
Buch infofern, als der Verf. mit vollem Recht überall
den Zufammenhang der verfchiedenen Gebräuche bei
Beerdigungen mit den eigenthümlichen religiöfen Vor-
ftellungen der einzelnen Völker und Zeiten ins Auge
gefafst und hervorgehoben hat. Der Verf. läfst zwar
dabei ein tiefer begründetes felbftändiges Urtheil ver-
miffen, folgt aber im Ganzen bewährten Führern, und
hat fich die Hauptrefultate der einfchlagenden Forfch-
ungen mit gutem Verftändnifs angeeignet. Bei der Darfteilung
der chriftlichen Anfchauungen über die letzten
Dinge als der religiöfen Grundlagen der chriftlichen Be-