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Ausgabe:

1879 Nr. 18

Spalte:

424

Autor/Hrsg.:

Schneemann, Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der thomistisch-molinistischen Controverse. Dogmengeschichtliche Studie 1879

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 18.

424

Hü sing, Vik. Auguftin, Der heilige Liudger, erfter Bifchof
von Münfter, Apoftel der Friefen und Sachfen.
Ncbft 2 (lith.) Taf. Abbildungen. Münfter 1878,
Theiffing. (XVI, 200 S. 8.) M. 3. —

Aprilis. Genauer aufEinzelnes einzugehen ift hier nicht
wohl möglich.

Hamburg. Carl Bertheau.

Schneemann, Gerhard, S. J., Die Entstehung der tho-
mistisch-molinistischen Controverse. Dogmengefchicht-

aus

,Es bedarf kaum der Erwähnung, dafs der Verfaffer

diefes Büchleins durch das Verlangen nach Verehrung j ij„v.l Qf,,j;0 rT?~~xr.~7,~~«ü~fll „„ q<-;^^,^
, T. , 1 -,- T • 1 . /- .. 1 j liehe btudie. rtrganzungshette zu den .otimmen

und Liebe zum heiligen Liudger, dem Grunder der D10- , _ ,, ,' -, ; ./t, „ tt , ,

cefe, der er angehört, bewogen wurde, ein allfeitiges, j Maria-Laach'. 9.] Freiburg i/Br. 1879, Herder. (160 S.
wahrheitsgetreues Lebensbild des hl. Bifchofs zu ent- [ gr. 8.) M. 2. —

werfen', — beginnt der Verf., der Vicar zu Münfter ift, 1 Diethomiftifch-moliniftifche, dominicanifch-jefuitifche
das Vorwort. Es ift demnach nicht zunächft ein hifton- > Controverfe über das Verhältnifs von Gnade und Frei-
fches Intereffe, das ihn zur Abfaffung diefer Schrift be- heit, zur Zeit noch keineswegs gefchlichtet, gilt fpeciell
wogen hat. Doch kann im Ganzen wohl gefagt werden, j der Frage: ,worauf gründet ftch der unfehlbare Zu-
,dafs er aufrichtig bemüht war, auf Grund der hiftonfehen j fammenhang der gralia effteax mit der actuellen ZuQuellen
und Forfchungen das Bild des Heiligen wahr | fthrimung des freien Willens?' Die Thomiften antworten
und treu zu zeichnen', wie er zum Schlufs des Vorwor- j mit dem Hinweis auf die physica praedeterminatio, die
tes fagt. Vor allem nützt lieh fein Bericht natürlich auf , Moliniften mit dem Hinweis auf die scientia media Gottes.

die Darfteilung des Lebens Liudger's von Altfried, dem
zweiten Nachfolger desfelben (Pertz, Monum. Germ. II,
S. 402 ff.), welche der Verf. nach dem Abdruck bei den

Die erfteren ftatuiren die Unabhängigkeit der göttlichen
Entfchliefsung hinfichtlich des Heiles der Einzelnen von
der Freiheit derfelben, die letzteren wollen gerade die

Bollandiften citirt; aber auch die jüngern Lebensbefchreib- i Freiheit der Menfchen hinfichtlich ihres Heiles ficheren
ungen, fowie andere gleichzeitige und fpätere Quellen und ftatuiren die Rückficht der göttlichen Entfchliefsung
und neuere Hülfsmittel find in grofser Anzahl benutzt; auf eben diefe. Uebereinftimrnend gehen beide Lehren
vgl. das nicht einmal vollftändige Verzeichnifs derfelben davon aus, dafs die Gnade das Heil befchaffen mufs,
nach dem Vorworte. Es fehlt dem Verf. nicht am Sinne auch dafs Gott von Ewigkeit her befchloffen hat, wem
für hiftorifche Kritik; fo verwirft er z. B. S. 136 ff. die das Heil zu Theil werden foll. Aber die Thomiften
Angaben über die Beziehungen Liudger's zu Helmftedt, j Rhren die Abfolutheit der entfprechenden göttlichen
die fich in Thietmar's Chronicon und bei Späteren fin- 1 Gnadenabficht, daher auch die Unwiderftehlichkeit und

den in wefentlicher Uebereinftimmung mit Rettberg (II,
S. 479 bis 485), den er auch anführt. Die Nachrichten
über die von Liudger während feines Lebens und nach
feinem Tode verrichteten Wunder, welche fich theilweife
fchon bei Altfried, namentlich aber bei feinen fpäteren
Biographen finden, hält er jedoch für gefchichtlich beglaubigt
und erzahlt fic ausführlich, offenbar weil fie ihm
zur Erreichung feines hauptfächlichen Zweckes befonders
dienlich find. Nicht ohne Intereffe ift die Gefchichte der
Verehrung, die Liudger gefunden, obfehon auch in ihr
Hiftorifches und Legendarifches gemifcht ift. — Die Abbildungen
ftcllen die Abteikirche zu Werden und Münzen
mit dem Bildnifse Liudger's dar. — Eine befondere

Erfolgsgewifsheit derfelben kraft ihrer eigenen Natur,
die Moliniften die Bedingtheit der göttlichen Abficht
durch die Rückficht auf den Willen des Menfchen und
ihre Erfolgsgewifsheit nur wegen der ewigen untrüglichen
Vorausficht der bedingt zukünftigen freien
Handlungen. Die vorliegende Brofchüre eines Jefuiten
will die Entftehung diefer Controverfe im 16. Jahrhundert
beleuchten. Sie will zeigen, dafs die nicht anzu-
taftende Autorität Auguftins und des h. Thomas der
Controverfe, wie fie gegenwärtig fleht, keineswegs im
Sinne der ,Thomiften' präjudicirt. Die Lehren jener
Heiligen find überhaupt nicht nach den Gefichtspunkten
bemeffen, die gegenwärtig den Streit beherrfchen. Doch

Zugabe, deren der Titel des Buches nicht gedenkt, ift find fie jedenfalls den Jefuiten günftiger als den ,Tho
eine deutfehe Ueberfetzung des von Liudger verfafsten 1 miften'. Auch die Jefuiten wollen Thomiften fein. Es
Lebens des Abtes Gregor von Utrecht, des ausgezeich- 1 fragt fich nämlich, ob nicht fie den h. Thomas beffer ver-
neten Lehrers Liudger's. Diefe Beigabe ift um fo werth- 1 ftehen, als die fich fpeciell nach ihm nennenden Theo-
voller, als es keinen ganz leicht zugänglichen Abdruck logen. Die letzteren folgen der Auffaffung des Banez,
des Originals giebt. Der Verf. feheint fich erft fpäter eines Dominicaners, der in der 2. Hälfte des 16. Jahr-
zu ihr entfchloffen zu haben, da er in feinem voran- hunderts in Salamanca wirkte und hier den grofsen Streit
ehenden Werke die Vita Gregorii nach Seitenzahlen der .Thomiften' gegen die pelagianifirenden Jefuiten her-

der Brower'fchen Ausgabe citirt, während es für die
Lefer bequemer gewefen wäre, etwa nach Capiteln auf
die am Schlufs des Buches vorhandene Ueberfetzung
verwiefen zu werden; auch hätten dann längere Citate
aus diefer Vita fortbleiben können. Die Ueberfetzung
lieft fich gut und feheint genau zu fein; dafs dreimal
in ihr der 1. Tliimotheusbrief angeführt wird, ift jedoch
wohl mehr als ein Druckfehler.

Das Leben Liudger's felbft erzählt der Verf. etwas
weitläufig und nicht ohne einzelne Wiederholungen; aber
man gewinnt doch ein wohl im Wefentlichen richtiges
Bild von der reichen und wichtigen Thätigkeit desfelben
und namentlich auch von dem Anfehen, in welchem er
ftand. Mitunter fehlt es an der rechten Deutlichkeit,
woran auch der Ausdruck ab und an Schuld fein mag.
Dafs katholifche Lefer vorausgefetzt find, ift natürlich;
ob diefen auch die Bezeichnung .Paffionsfonntag' für den
Sonntag Judica geläufig ift, vgl. S. 139, weifs Referent
nicht zu fagen. Die Zeitangaben in der 5. Anm. auf
derfelben Seite, nach welcher Kai. April, der 25. März
fein foll, beruht wohl auf einem Druckfehler; bei Pertz
1. 1. S. 414 fagt Altfried wenigftens septimo Kale?idas

vorrief. Die Brofchüre giebt noch eine kurze Schilderung
der Löwener Streitigkeiten über die Wirkfamkcit
der Gnade, die durch Bajus erzeugt waren und welche
das Vorfpiel des gröfseren durch Banez hervorgerufenen
Kampfes gegen die Jefuiten darftellen. Eine fpätere
Brofchüre wird vor Allem die Lehre des Vorfechters
der jefuitifchen Lehre, Molinas, darlegen und überhaupt
erft die Gefchichte des Streites verfolgen. Eine dritte
foll die dogmatifche Kritik des Streites bringen.

Giefsen. F. Kattenbufch.

1. Brandes, Georg, Sören Kierkegaard. Ein literarifches
Charakterbild. Autorifirte deutfehe Ausgabe. Leipzig
1879, Barth. (IV, 240 S. 8.) M. 4. -

2. Bärthold, A., Die Bedeutung der ästhetischen Schriften
Sören Kierkegaards mit Bezug auf G. Brandes: ,Sören
Kierkegaard, ein literarifches Charakterbild'. Halle
1879, Fricke. (47 S. gr. 8.) M. — 80.

Eine Darfteilung des Lebens und Entwicklungsganges
Sören Kierkegaard's, von einem Manne gefchrieben,