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Ausgabe:

1879

Spalte:

404-406

Autor/Hrsg.:

Baumstark, Chrn. Ed.

Titel/Untertitel:

Christliche Apologetik auf anthropologischer Grundlage. 2. Bd.: Das Christenthum in seiner Begründung und seinen Gegenständen 1879

Rezensent:

Krauss, Alfred

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403 Theologifche Literaturzeitung. 187g. Nr. 17. 404

und feine Verbreitung bis zum Conftanzer Concil, der
zweite erörtert die Entftehung und Entwicklung der deut-
fchen Auguftinercongregation bis zum Tode des Andreas
Proles, wobei fehr viel Neues und Urkundliches über den
Letzteren mitgetheilt wird, der dritte Theil befchäftigt
fich mit Joh. von Staupitz bis zum Untergang der deut-
fchen Congregation bald nach Luther's Auftreten. Hinzugefügt
werden aufser einigen Excurfen werthvolle Urkunden
über Proles und Staupitz.

Die ganze Darftellung geht fehr ins Detail und bewegt
fich in lebhafter, flüffiger Erzählung. Hierbei ift
dem Referenten hie und da die Frage entftanden, ob es
trotz der Menge des urkundlichen Stoffes, der herbeigezogen
ift, möglich war, auf den erften Wurf eine ganz
richtige Darfteilung in Bezug auf das Ganze und Einzelne
zu liefern. So Banden z. B. die Vorgänger von "Staupitz,
Zolter und Proles, den allgemeinen Reformbeftrebungen
des Concils von Bafel nahe. Zolter (der Name Pfalterius
ift kein Beiname desfelben, fondern nur die Latinifirung
des deutfchen Hauptnamens) fchrieb 1441 gegen den vom
Papfte geförderten Heiligenblutfchwindel von Wilsnack.
Auch hätte vielleicht die kirchliche politifche Bedeutung
der Ausfonderung einer deutfchen Congregation mehr
hervorgehoben werden können.

Was Einzelheiten betrifft, fo könnten wir Manches anführen
, wobei der jugendliche Verfaffer, der das nonumpre-
matur in annum nicht innehalten durfte, fich übereilt hat.
Z. B. ift es ein Mifsverftändnifs der von dem Referenten
gegebenen Nachricht aus der Kölner Univerfitätsmatrikel,
wenn er aus ,prop1erprcsentiam dictiMelcliiorisprioris Augus-
tinen. in Colonia' folgert, dafs Mirifch im Jahr 1512 zum
Prior in Köln gewählt worden fei, während die Stelle blofs
von feiner Anwefenheit in Köln fpricht.

In Bezug auf den Auguftinerprovinzial Hecker verwirft
der Verfaffer die Angabe Hamelmann's, dafs
Hecker zu den Lehrern Luther's gehört habe. Aber der
treuherzige Weftfale hat fchon oft gegen feine Kritiker
Recht behalten. Es exiftirt ein Brief des Freundes
Luther's, J. Lang an Joh. Treiger in Herford, worin er
fpricht ,de doctore Heckero, qiä me olitn Ut filium complec-
teöatur' — was jedenfalls auf einen Aufenthalt Hecker's
im Erfurter Auguftinerconvent zur Zeit Luther's fchliefsen
läfst.

In der zwifchen Herrn O. Waltz und H. Kolde ftatt-
gehabten Controverfe über die Echtheit des Schreibens
des Auguftinergenerals Gabriel Venetus an Gerhard
Hecker flehen wir übrigens ganz auf Seiten des H. Kolde,
indem die Verwerfung der Echtheit uns als eine zu
rafche und voreilige Kritik erfcheint.

Wir müffen es uns überhaupt vertagen, die mannigfachen
Bereicherungen, welche die Kenntnifs der Anfänge
der Reformationsgefchichte in dem obigen Buche erfährt,
zu regiftriren. Nur Weniges wollen wir berühren. Sehr
intereffant ift die Mittheilung aus dem Archiv zu Weimar,
dafs Luther auch die Würde eines Subpriors im Klofter
zu Wittenberg bekleidet habe. Nehmen wir hinzu, dafs
er nach anderen Nachrichten fchon zu Erfurt auch Lector
gewefen ift, fowie ja feine Thätigkeit als Diftrictsvicar
bekannt ift, fo haben wir eine Stufenfolge der Klofter-
würden des Reformators gewonnen.

Die Chronologie des Lebens von Staupitz hat fehr
dankenswerthe Aufklärung empfangen, wodurch auch das
Verftändnifs der Briefe Luther's aus dem Jahre 1516
wefentlich gefördert ift.

Sehr wichtig ift unter den Schilderungen der mit
Luther gleichzeitigen Auguftiner die Hervorhebung von
Caspar Guttel, der überhaupt einen ganz ähnlichen
inneren Entwicklungsgang durchgemacht hat wie Luther.

Ueber Johann Spangenberg, den Luther in feinen
Briefen erwähnt, ift der Verfaffer weniger unterrichtet.
Seine Schriften zeigen einen nicht unbedeutenden Volks- !
redner. Nach einigen Jahren der Oppofition gegen Luther
hat er zuletzt einen merkwürdigen Abfagebrief in Bezug

auf den Orden veröffentlicht, der gleichfam als der
Schwanengefang der deutfchen Auguftinercongregation
betrachtet werden kann.

Auch die fchriftftellerifche Thätigkeit des Auguftiners
Joh. Weftermann zu Lippftadt ift, wie es fcheint, dem
Verfaffer unbekannt geblieben.

Wie der Verfaffer eine Menge von Ergänzungen,
Aufklärungen und Correcturen der deutfchen Reformationsgefchichte
zugebracht hat, die kein Forfcher wird
ignoriren dürfen, fo wird es andererfeits fpäter auch für
fein Werk nicht an Ergänzungen und Correcturen fehlen.
Einftweilen glauben wir aber dem Verfaffer für fein Werk
Namens der Reformationsforfchung entfehieden Dank
fagen zu müffen. Andererfeits hätten wir gewünfeht, dafs
unter den Namen deutfeher Gelehrter, denen der Verfaffer
feinerfeits Dank darbringt, auch der treffliche Archivar
zu Wernigerode, Herr Dr. Jacobs, der jedenfalls einer
der beften Kenner der Gefchichte des Auguftinerordens
in Deutfchland ift, genannt worden wäre.

Elberfeld. C. Krafft.

Baumstark, Chrn. Ed., Christliche Apologetik auf anthro-
pologifcher Grundlage. 2. Bd.: Das Chriftenthum in
feiner Begründung und feinen Gegcnftänden. Frankfurt
a/M. 1879, Heyder & Zimmer. (XV, 543 S. gr. 8.)
M. 9.

Der erfte Band diefes weit angelegten und gründlichen
Werkes erfchien fchon 1872. In der Einleitung
zum zweiten Bande findet fich der Verf. veranlafst, um
verfchiedener Ausftellungen und Mifsvcrftändnifse willen,
feine Erörterungen über Möglichkeit, Nothwendigkeit und
Methode der Apologetik noch einmal zu behandeln.
Unter Apologie verfteht er nur überhaupt die Verthei-
cligung des Chriftcnthums, unter Apologetik deffen wiffen-
fchaftliche Rechtfertigung. Als die entfprechende Methode
betrachtet er die pfychologifche; denn das Chriftenthum
fei durchweg die Beftätigung der wahren natürlichen
Religion, die Befriedigung der wahren natürlichen
Herzens- und Geiftesbedürfnifse, die Erfüllung der wahren
natürlichen Anfprüche. Der ganze Plan des Werkes zielt
darauf ab, das Chriftenthum als die abfolute Religion
und als folche zugleich als die fchlechthin humane zu
erweifen.

Nachdem im erften Bande die anthropologifchen Vor-
ausfetzungen und die aufserchriftlichen (beffer wäre gefügt
worden: die aufserbiblifchen) Religionen ihre Behandlung
gefunden, wendet fich der Verf. im zweiten
Bande nach der fchon erwähnten erneuten Befprechung
der Vorfragen der Erkenntnifsquelle des Chriftenthums
und hierauf dem Chriftenthum felbft als Beftätigung der
natürlichen Religion zu. Letzterer Theil, den Hauptinhalt
des Bandes bildend, gliedert fich in die Moral und
in die metaphyfifchen Grundlehren des Chriftenthums.
Unter der Rubrik der metaphyfifchen Grundlehren wird
zuerft das Wefen Gottes und dann das Verhältnifs Gottes
zur Welt befprochen.

Der Styl ift fliefsend und gut, nur zuweilen etwas
zu heftig.

Die religiöfe Anlage wird im Gewiffen gefunden.
Bei diefer doch wefentlichen Uebereinftimmung in der
Sache hätte es fo leidenfehaftlicher Bemerkungen gegen
Schenkel nicht bedurft, mag auch immer die Begriffs-
beftimmung eine andere fein. Ueberhaupt ift zu beachten,
dafs der Verf. öfter mit Richtungen zufammentrifft, von
welchen er nur durch die Abficht, aber keineswegs in
der wiffenfehaftlichen Grundlegung fich unterfcheidet.
So lehrt er, zwar mit theiftifcher Wendung, aber nichts-
deftoweniger fo entfehieden wie die gleichzeitig erfchienene
Phänomenologie des fittlichen Bewufstfeins von Hartmann
einen univerfaliftifchen Eudämonismus als oberftes Moral-
prineip. Gewifs ift vortrefflich was über die wefentliche