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Ausgabe:

1879 Nr. 17

Spalte:

401-404

Autor/Hrsg.:

Kolde, Th.

Titel/Untertitel:

Die deutsche Augustiner-Congregation und Johann von Staupitz. Ein Beitrag zur Ordens- und Reformationsgeschichte nach meistens ungedruckten Quellen 1879

Rezensent:

Krafft, C.

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401

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 17.

402

Leichte Aenderungen, refp. Züfätze haben 9 §§ erfahren
, g 417, wo jetzt auch die irrige Ueberfclirift:
,Die grofsen Reichstagsfynoden zu Aachen in den Jahren
816 und 817' geändert ift, g 434: eine Bemerkung über
die Anwefenheit Otgar's von Mainz auf der Synode zu
Diedenhofen i. J. 835 und eine Berichtigung über den
Bifchof von le Mans (nach Simfon), fowie eine Nach-
weifung betreffs Urogo's, des natürlichen Sohnes Carl's
des Grofsen als Erz bifchofes von Metz. § 436 find die
Ausführungen über die Reichstagsfynoden von Aachen
und Chierfy etwas gekürzt, zugleich wird nun die überlieferte
Urkunde über die Excommunication der gegen
Aldrich von le Mans klagenden Mönche als verdächtig
und im Intereffe des bifchöflichen Stuhles als fingirt bezeichnet
. In § 441 (die fränkifchen Synoden vom Vertrag
von Verdun bis zum J. 847) fcheint fich H. der
Vermuthung v. Noorden's anzufchliefsen, dafs Hinkmar
den 44. Canon der parifer Synode gegen die Chorbifchöfe
veranlafst habe. Die Schilderung der gegen Gottfchalk
gehaltenen Synoden ift bis auf einen kleinen Zufatz nach
Wiggers (5 445) unverändert geblieben. An der angeblichen
, in der Sache des Formofus in der Beterskirche
abgehaltenen Synode vom 30. Juni 876 hält H.
mit Hergenröther gegen Dümmler (§ 503) feft, ohne
den Argumenten Hergenröther's neue hinzuzufügen. In
§ 511 tritt der Verf. etwas zuverfichtlicher als in der
erften Auflage für die Theodora gegen das Zeugnifs
Luitprand's ein und beruft fleh dabei auf vonReumont
und Gregorovius. Aber dafs Eugenius Vulgarius einen
Brief an die Theodora mit den Worten überfchrieb:
Sanctissitnae et deo atnatae zienerabili matronae Theodo-
rae und im Texte unter anderem von ihrem [sanetum
conmibium, torus immaculatus fpricht — die einzige Ent-
laftung, welche H. beibringt — befagt doch ganz und
gar nichts. In den ^ 549 und 559 endlich (Berengar
und die Synode von Tours i. J. 1054. Die römifche
Ofterfynode v. J. 1061) fetzt fich der Verf. mit Will
auseinander. Gegen diefen beharrt er, wie mir fcheint,
mit Recht dabei, dafs die Synode von Tours, wie Berengar
felbft es bezeugt, i. J. 1054 unter Leo IX ftattfand.
Die Hypothefen Höfler's und Gfrörer's, Nicolaus II habe
kurz vor feinem Tode das Decret über die Papftwahl v.
J. 1059, refp. die darin dem deutfehen Könige gemachten
Zugeftändnifse zurückgenommen, lehnt Hefele aufs ent-
fchiedenfte wiederum ab.

Giefsen. Ad. Harnack.

Kolde, Doc. Lic. Dr. Th., Die deutsche Augustiner-Con-
gregation und Johann von Staupitz. Ein Beitrag zur
Ordens- und Reformationsgefchichte nach meiftens
ungedruckten Quellen. Gotha 1879, F. A. Perthes.
(XIV, 466 S. gr. 8.) M. 9. —
Der Werth und die Bedeutung des obigen fehr fleifsig
gearbeiteten Werkes reicht weit über eine blofse refor-
mationsgefchichtliche Studie hinaus. Trotz der vielen,
zum Theil fehr bedeutenden Leiftungen des deutfehen
Eorfchergeiftes über die grofse That und über den grofsen
Mann des deutfehen Volkes, fehlte es bisher durchaus
an einer genügenden urkundlichen Darftcllung der Ordens-
genoffenfehaft, deren Mitglied Luther in den entfeheidend-
ften Jahren feiner Entwicklung gewefen ift. Alle neueren
Darftellungen des Lebens Luther's — deren Werth wir
im Allgemeinen nicht verkennen — find in dem berührten
Punkte (übrigens im Widerfpruche mit den gleichzeitigen
Nachrichten) völlig im Unklaren.

Diefe nicht unerhebliche Lücke hat der Verfaffer des
obigen Buches mit grofsem Fleifs durch urkundliche
Unfcrfuchungen zu ergänzen gefucht, und ein bisher fo
zu fagen noch unb e f ch ri e be ne s Blatt der deutfehen
Reformationsgefchichte ausgefüllt, indem er diejenige
Abtheilung des Auguftinerordens, deren Vorftand und

Reformator Joh. v. Staupitz, und deren Mitglied Luther
war, zum erftenmal in klarer Darfteilung den Freunden
und Forfchern der Reformationsgefchichte darbietet, wobei
er die Gefchichte des Ordens bis zu feinen Ur-
fprüngen verfolgt. Da Referent in diefer letzteren Beziehung
— nämlich der Gefchichte des Ordens von feiner
Entftehung bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts — kein felb-
ftändiges Urtheil befitzt, fo befchränkt fich derfelbe hier
darauf, die Bedeutung des obigen Werkes in Beziehung
auf die Vorgefchichte und die Anfänge der Reformation
zu charakterifiren.

Es fehlte nämlich bisher bei den deutfehen Hifto-
rikern mehr oder minder eine klare Einficht in das Wefen
und in die Gliederung des Auguftinerordens, über die
inneren Gegenfätze desfelben — um in der Ordensfprache
zu reden über den Unterfchied zwifchen den Conven-
tualen und Obfervanten (welcher Gegenfatz auch bei
anderen Orden, z. B. bei den Franciscanern fich findet),
und insbefondere über diejenige Congregation des
Ordens, der Luther angehörte. Es ift z. B. ein gründlicher
, fchon durch den oberflächlichften Einblick in die
betreffenden Urkunden fchwindender Irrthum, wenn man
den geiftlichen Vater Luther's, Joh. Staupitz, zum General
-Vicar fämmtlicher Auguftinerklöfter in Deutfch-
land macht. Referent hat bereits vor 9 Jahren in den
,Aufzeichnungen v. Heinr. Bullinger über fein Studium
zu Emmerich und Köln' S. 61 auf das eigentliche Sach-
verhältnifs hingewiefen.

Der Auguftinerorden gliederte fich zur Zeit Luther's
theils in Ordensprovinzen, theils in Ordenscon-
gregationen. Nach Bembi epp. (1546) S. 404 zählte der
Orden 28 Provinzen, die fich im folgenden Jahrhundert
auf 40 vermehrten, neben welchen 13 Congregationen
beftanden. So ift z. B. die provincia Lombardiae
völlig von der congregatio Lombardiae zu unter-
fcheiden (was z. B. für die Romreife Luthers nicht ohne
Bedeutung ift).

Staupitz war Generalvicar einer im Ganzen nicht fehr
zahlreichen Abtheilung vonKlöftern feines Ordens, welche
im 15. Jahrhundert den Namen congregatio Saxonica führte,
feit 1504 in den allgemeinen Namen reformata congregatio
Alamanniae oder reformata congregatio fratrum Here-
mitarum S. Augustini überging, wie z.B. fchon die Wittenberger
Univerfitätsmatrikel an vielen Stellen beweift.

In der neueren Gefchichtsfchreibung ftellen fich in
Bezug auf diefes Verhältnifs zwei einander entgegengefetzte
Irrthümer heraus. Von röm.-kath. Seite macht
man die congregatio Saxonica — denn diefer Name blieb
noch vielfach im Gebrauch, als er bereits im amtlichen
Verkehr verfchwunden war — zu einem felbftändigen
Orden, der nicht einmal unter der Botmäfsigkeit des
Ordensgenerals in Rom geftanden habe. Die belgifchen
Auguftiner — welche dem Verfaffer des obigen Werkes
unbekannt geblieben zu fein fcheinen — ergriffen mit
Lebhaftigkeit diefe fchon feit Ende des 16. Jahrhunderts
geäufserte Anficht, denn auf diefe Weife konnten fie behaupten
, Luther fei durchaus nicht ihr Ordensgenoffe
gewefen.

In entgegengefetzter Weife verletzt man aber die
Thatfachen der Gefchichte, wenn man die bisherige pro-
teftantifche Tradition, Staupitz fei das Haupt der deutfehen
Auguftiner gewefen, kritiklos nachfehreibt.

Herr Dr. Kolde hat nun durch feine Arbeit, deren
Zuftandekommen ihm nur durch viele Reifen und mannigfache
archivalifche Arbeiten möglich geworden ift, in fo
klarer und überzeugender Weife den eigentlichen Sachverhalt
dargeftellt, dafs der bisherige Irrthum als befeitigt
angenommen werden mufs, und es wird in Zukunft kein
Biograph Luther's fich diefer Erkenntnifs entziehen können,
die für die Beurtheilung Luther's und feines Vorgefetzten
Joh. Staupitz von nicht geringer Bedeutung ift.

Der Verfaffer theilt feine Arbeit in 3 Theile. Der erfte
fchildert die Entftehung des Ordens, feine Conftitutionen

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