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Ausgabe:

1879

Spalte:

384-388

Autor/Hrsg.:

Hering, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Mystik Luthers im Zusammenhange seiner Theologie und in ihrem Verhältniss zur älteren Mystik 1879

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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3«3

Theologifche Literaturzeitung. iSjg. Nr. lfä.

384

eine folche auf der Univerfitätsbibliothek zu Breslau zu
entdecken. Aus diefer mit Zuziehung der älteren Drucke
ift der Text neu recenfirt; dann weift der Verf. den vollkommen
auguftinifchen Charakter des Sermo nach. Was
er fchon früher (II, 281) ausgefprochen, dafs die Abweichungen
des in dem Sermo enthaltenen Symbols von
dem Symbol der römifch-mailändifchen Kirche und dem |
Auguftin's fich aus der Willkür der Abfchreiber erklären
, wird durch die neue Handfchrift frappant beftä- j
tigt. Auf die Nothwendigkeit der Annahme einer theil-
weifen Entwickelung des Tauffymbols von Seiten
Auguftin's hatte der Verf. fchon früher auf Grund der
unbeftrittenen Sermones aufmerkfam gemacht. Er tritt
nun entfchieden auch für die Echtheit des 213. Sermo
ein, da ,der Leugnung und Bezweiflung derfelben aller
Boden entzogen' fei.

Von befonderem Intereffe ift wiederum der 7. Ab-
fchnitt (250—281): ,S. Faustini iractatus de Symbot'<>', aus
einer Handfchrift der Bibliothek zu Albi1. C. hat diefen
Tractat in dem gedruckten Handfchriftenkatalog entdeckt
, hat ihn erft abfchreiben laffen, ihn aber dann
felbft an Ort und Stelle copirt. Derfelbe erweift fich
in der That als eine Arbeit des Fauftus aus der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts, die von einem Schüler des-
felben redigirt ift. Seine Bedeutung ift nicht gering. Er
liefert uns einen Zuwachs zu den Schriften des Fauftus
von Reji und zu unferer Kenntnifs diefes nicht unbedeutenden
und ziemlich einflufsreichen gallifchen Kirchenlehrers
des fünften Jahrhunderts. Er beftätigt die
Richtigkeit der Annahme, dafs fowohl die beiden Ho-
milien über das Symbol in der in den Handfchriften den
Namen des Eufebius von Emefa tragenden Homilien-
fammlung, als auch die beiden in den Handfchriften
bald Fauftus, bald dem römifchen Diaconus Pafchafius
beigelegten Bücher ,de spiritu s: den Bifchof von Reji
zum Verfaffer haben. Er trägt zu unferer Kenntnifs der
rejenfifchen Form des Taufbekenntnifses bei, indem er
es noch wahrfcheinlicher macht, dafs das Wort ,unicum'
im ernten Gliede des 2. Artikels und das Glied von der
Höllenfahrt Chrifti diefem Symbol wirklich gefehlt haben.
Dagegen möchte ich nicht mit der gleichen Sicherheit j
wie der Verf. behaupten, dafs der Tractat zeigt, dafs
auch in Reji die Worte ,cruafixus sub Pontio Pitato' im
Symbol geftanden haben: Diefe Worte fehlen nämlich
in den beiden anderen Homilien des Fauftus über das
Symbol, in unferem Tractat find fie aber auch nur beiläufig
erwähnt. Es macht mehr den Eindruck, der
Verf. habe fie bei der Erklärung aus einem anderen
Symbol entlehnt, als dafs er fie feiner Vorlage entnommen
habe. Ebenfo ift unficher, ob ,mortuus' im Symbol
geftanden hat. Das Werthvollfte aber an dem Tractat
ift feine Behandlung der Worte ,sanctorum communionem'.
Sie lautet: 9) ,Sequitur: ut tr'anseamus ad sanctorum
communionem.. Illos hic senlentia isla confundit, qui
sanctorum et amicorum dei cineres non in honore debere
esse blasphemant, qui beatorum martymm gloriosam me-
moriam sacrorum reverentia monumentorum colendam esse
non credunt. In synibolum praevaricati sunt, et Christo in
fönte mentiti sunt, et per hanc infidelitatem in medio sinu
vitae locum morti aperuerunf (folgt der Uebergang zum
nächften Glied;. Mit Recht fchliefst C. hier ein dreifaches
: 1) dafs in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts die
Worte sanctorum communionem fchon eine geraume Zeit
in Südgallien im Symbol geftanden haben müffen, 2) dafs
man damals hier nicht allein ,sanctoruml von
den vollendeten Heiligen im Himmel, den Heiligen
in engerem Sinne, verftanden, fondern
auch die Verehrung der Reliquien und Monumente
der Heiligen und Märtyrer in ,sanc torum
communionem1 mit inbegriffen gefunden hat, 3)
dafs es zwifchen 450 u. 500 in Südgallien noch Beftreiter
des Heiligencultus, d. h. Anhänger des Vigilantius gegeben
hat.

Die drei letzten Abfchnitte (Eine Auslegung des
Symb. Apost. aus dem früheren MA. aus einer, Wiener
Handfchrift S. 282—289; Ein , Tracttztus Symboli' in
einem Miffale Floremtinum aus einer dem Anfang des
12. Jahrhunderts angehörigen Handfchrift S. 290—308;
Eine Partie aus einer angeblich von Origenes v.erfafsten
Auslegung des apoft. Symbols aus 5 Handfchriften des
12. Jahrh.'s S. 309—315) befchäftigen fich mit Arbeiten
einer bedeutend fpäteren Zeit und dienen einem fehr
fpeciellen Intereffe.

Nicht nur die Symboliker von Fach, fondern auch
die Kirchen- und Dogmenhiftoriker müffen dam Verf.
Dank für feine neue Gabe fagen; hoffentlich ift fie der
letzte Vorläufer des lange verfproehenen Urkunden-
buches zur Gefchichte des Tauffymbols. Wer aber mit
folchen Gaben hinhält, der hat leider alles Recht, uns
warten zu laffen.

Giefsen. Ad. Harnack.

Kraus, Prof. Dr. Franz Xav., lieber Begriff, Umfang, Geschichte
der christlichen Archäologie und die Bedeutung
der monumentalen Studien für die hiftorifche Theologie
. Akadcmifche Antrittsrede. Freiburg i/Br. 1879,
Herder. (55 S. m. 3 Holzfchn. gr. 8.) M. 1. 20.

In diefem akademifchen Vortrage fucht der Verf.
zunächft den Begriff der chriftlichen Archäologie zu be-
ftimmen. Er verfteht darunter ,denjenigen Zweig der
chriftlichen Alterthumswiffenfchaft, welcher im Gegen-
fatze literarifcher Quellen auf monumentalen Zeugnifsen
beruht, mit denen, foweit fie der Kunft angehören, die
chriftliche Kunftarchäologie fich befebäftigt, während
die chriftliche Kunftgefchichte die Schöpfungen
der chriftlichen Kunft aller Zeiten und Völker, die
chriftliche Epigraphik und Numismatik die Hinter-
laffenfchaft des Älterthums und des MA., ja auch der
neueren Zeiten behandeln, foweit diefelbe auf Stein, Erz
u. f. f., bez. auf Münzen und Medaillen erhalten ift'.
Der Verf. unterfcheidet die .chriftliche Archäologie' von
der neuerdings recht ungefchickt fogenannten .monumentalen
Theologie'. Werthvoller als diefe formalen Begriffs-
beftimmungen ift die gedrängte Ueberficht über die Gefchichte
der Disciplin feit den Magdeburger Centurien,
welche der kundige Verf. giebt. In den Anmerkungen
(S. 26—52) hat er ein Repertorium der gefammten ein-
fchlagenden Literatur geboten, welches als das befte
bibliographifche Hülfsmittel für das Studium der chriftlichen
Alterthümer bezeichnet werden darf. Ausgeftattet
ift das trefflich gedruckte Büchlein mit drei Holzfchnit-
ten. Der erfte giebt das Bruftbild Chrifti wieder, welches
das berühmte Mofaik von S. Apollinare Nuovo in
Ravenna (Mitte des 6. Jahrh.) enthält, der zweite eine
Kreuzigung Chrifti in Elfenbein, welche fich jetzt im bri-
tifchen Mufeum befindet und für die ältefte Darftellung
gilt, der dritte ftellt das Fragment eines Sarkophagreliefs
aus S. Callifto dar (Muf. Later.).

Giefsen. Ad. Harnack.

Hering, Prof. Herrn., Die Mystik Luthers im Zufammen-
hange feiner Theologie und in ihrem Verhältnifs
zur älteren Myftik. Leipzig 1879, Hinrichs. 'X,
294 S. gr. 8.) M. 6. —

Das vorliegende Buch gilt einem Thema, welches
wohl werth war, einer gründlichen Erörterung unterzogen
zu werden. Dafs Luther eine Zeitlang und zwar befon-
ders in den Jahren, die den Beginn der Reformation bezeichnen
, enge Beziehungen zur Myftik gehabt, ift ja
offenkundig. Dafs er diefe Beziehungen hernach abgebrochen
hat, ift ebenfo ficher. Aber es fragt fich, welche
Bedeutung jene Epifode, die in die wichtigfte Zeit feines