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Ausgabe:

1879

Spalte:

369-372

Autor/Hrsg.:

Schrader, Eberhard

Titel/Untertitel:

Keilinschriften und Geschichtsforschung. Ein Beitrag zur monumentalen Geographie, Geschichte und Chronologie der Assyrer 1879

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. HLnrichsTche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 16. 2. August 1879. 4. Jahrgang.

Schräder, Keilinfchriften und Gefchichtsfor-
fchung, ein Beitrag zur monumentalen Geographie
, Gefchichte und Chronologie der
Aflyrer (Baudiffin).

Gefenius, Hebräifche Grammatik, umgearb.
von Kautzfeh, 22. Aufl. (Mühlau).

Young, The value of the study of Hebrew for
a minister (Kautzsch).

Aristidis philosophi Atheniensis Sermones
duo (Harnack).

Cafpari, Alte und neue Quellen zur Gefchichte
des Tauffymbols und der Glaubensregel (Harnack
).

Kraus, lieber Begriff, Umfang, Gefchichte der
chriftlichen Archäologie (Harnack).

Hering, Die Myftik Luthers im Zufammenhange
feiner Theologie und in ihrem Verhältnifs
zur älteren Myftik (Kattenbufch).

Plitt (Herrn.), Theologifche Bekenntnifse
(Kraufs).

Wiffenfchaftliche Vorträge über religiöfe Kragen,
3. Sammlung (Kraufs).

Schräder, Eberh., Keilinschriften und Geschichtsforschung.

Ein Beitrag zur monumentalen Geographie, Gefchichte
und Chronologie der Affyrer. Mit einer (chromolith.;
Karte. Giefsen 1878, Ricker. (VIII, 555 s- £r- 8-)
M. 14. —

Das Buch ift die lange erwartete Antwort auf die
2 lL Jahre vor ihm erfchienene Schrift A. v. Gutfchmid's
,Neue Beiträge zur Gefchichte des alten Orients (Die
Affyriologie in Deutfchland)', welche bekanntlich direct
gegen Schräder gerichtet war. S. über diefelbe von
einem andern Referenten in diefer Zeitfchrift 1876 C.
534 ff. und von dem Unterzeichneten in Jahrbb. f. deutfehe
Theologie 1877 S. 313 ff. Niemand wird in Abrede
ftellen können, dafs die Erwiderung mit grofser Gründlichkeit
verfafst ift, dafs fie wohlthuend berührt durch
ihre würdige, rein fachliche Haltung und dafs es dem
Verf. gelungen ift, in manchen Funkten jenem Angriffe
gegenüber fein gutes Recht zu erweifen. Man wird im
Allgemeinen fagen dürfen, dafs Schräder kaum glücklicher
und gefchickter hätte antworten können. — Der
Eindruck würde noch günftiger fein, wenn nicht ftellen-
weife Breite der Darftellung und Liebhaberei für einige
ftereotype, meines Dafürhaltens dem claffifchen Deutfch
fremde Ausdrücke und Wendungen ftörte (ich rechne
dahin den Gebrauch von ,befchlagen' in Verbindungen
wie: ,Die Differenzen befchlagen die verfchiedene . . .
Schreibung der Namen' S. 304,1. — In mehreren Punkten
dürften durch hier zuerft mitgetheilte neue Funde (ihre
richtige Lefung vorausgefetzt) v. G.'s Pofitionen unhalt

fchritte ihres ftolzen, immer höher anfteigenden Baues
mit aufmerkfam beobachtendem Auge zu verfolgen, fo
wird jetzt durch Schrader's Abwehr genugfam der Eindruck
erweckt werden, dafs die Affyriologie, wenn auch
in fehr vielen Einzelheiten noch unficher experimentirend,
durch befonnene Kritik in ihrem Beftande nicht gefährdet
werden kann. Was aber Gutfchmid wirklich erweifen
wollte, dafs die Affyriologie in ihrer gegenwärtigen
Befchaffenheit dem Hiftoriker nicht ge-
ftatte , ihre Lefungen ohne Vorbehalt zu verwerthen
(mit ihren Refultaten ,wie mit Thatfachen zu rechnen'),
bleibt unwiderlegt und unwiderlegbar.

Ein dem Umfang und der Wichtigkeit des Schrader-
fchen Buches entfprechendes Eingehen auf Einzelheiten
würde über das Gebiet diefer theologifchen Zeitfchrift
hinausgreifen, da nur einige der hier befprochenen Punkte
direct das Alte Teftament betreffen. Wir müffen uns
mit einer kurzen Ueberficht über den Inhalt begnügen.
In den beigefügten Urtheilen war mir als Nichtaffyrio-
logem eine beftimmte Grenze gedeckt. —■ Das Buch zerfällt
nach Wiederabdruck der diefe Schrift oder vielmehr
die Gutfchmid's veranlaffenden Controverfen (S. 1—
31) in einen allgemeinen (S. 32—93) und einen bei weitem
umfangreicheren fpeciellen Theil (S. 94—527). In
jenem wird von den Hilfsmitteln der Entzifferung, von
dem Wefen der affyrifchen Keilfchrift, den Schreibfehlern
der Infchriften, der Vergleichung des Urfprungs der Keilfchrift
mit dem des Pehlewi, der Behauptung, das Affy-
rifche fei eine abfterbende Sprache gewefen, der Brauchbarkeit
und derControle der Fintzifferungen, der Verwendbar
geworden fein, woraus wir wieder entnehmen kön- barkeit der Entzifferungsergebnifse durch den Hiftoriker
nen, dafs manche der zur Zeit berechtigten Zweifel es gehandelt. — Die Cardinalfrage ift hier die nach dem Wefen
eben nur zur Zeit noch find. Ebenfowenig aber ift zu der Keilfchrift. Es will uns bedünken, dafs der Verf.
verkennen, dafs die Sprache diefer Schrift fehr ver- nicht eben viel Entladendes beizubringen vermochte, um
fchieden ift von derjenigen der früheren Veröffentlich- ; die Behauptung der nothwendigen, auf die leidige Poly-
ungen des Verf.'s, dafs er hier feine vorläufigen Ergeb- phonie gegründeten Unficherheit der Entzifferungsergebnifse
mit weit gröfserer Vorficht geltend macht als dies nifse abzuweifen. Dagegen feheint mir die Darftellung
früher der Fall war, wo eine leicht verftändliche Sieges- ! deffen, was die Affyriologen jetzt Homophonie nennen,
freude über die neugewonnenen Refultate vielfach die als Erleichterung der Entzifferung (S. 41 ff.) gelungen,
nothwendige Skepfis hinfichtlich ihrer Sicherheit zurück- Die zur Begründung der Unficherheit des Verftändnifses
drängte. Schrader's Buch darf angefehen werden als der affyrifchen Infchriften aufgeftellte Meinung, ,dafs die
der befte und untrüglichfte Beleg für die wohlthätige Entftehung der Syllabare eine Zeit der Auflöfung der
Wirkung , welche v. G.'s Polemik ausgeübt hat. An- affyrifchen (femitifchen) Sprache zur Vorausfetzung hätte',
dererfeits war es durchaus nothwendig, dafs er antwor- wird in einer uns noch nicht vollftändig überzeugenden
tete, um das nicht direct durch feines Gegners Schuld, j Weife abgelehnt (S. 61). In feinem Rechte ift der Verf.,
wohl aber durch die der Lefer deslelben getrübte Ur- j wenn er die übertriebene Befchuldigung eines ,Pochens'
theil über die Affyriologie ins Gleichgewicht zu bringen, j der Affyriologen ,auf bedingungslofe Brauchbarkeit
Hatte fich feit jenem Angriffe in den diefen Studien ihrer Entzifferungen' zurückweift (S. 67); der ganze Abferner
flehenden Kreifen der gelehrten und nicht ge- fchnitt über ,die Brauchbarkeit der Entzifferungen im
lehrten Welt vielfach die Anfchauung von der Affyrio- Allgemeinen' S. 66 ff. ift eine fehr mafsvolle und glück -
logie gebildet, als fei es eine auf fo unfichern Grund J liehe Polemik. Treffend ift die Vertheidiguhg der in
gebaute Wiffenfchaft, dafs es nichts fruchte, die Fort- ihrer Beweiskräftigkeit beanftandeten Controle der Ent-

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