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Ausgabe:

1879

Spalte:

353

Autor/Hrsg.:

Rietschel, Geo. Chrn.

Titel/Untertitel:

Martin Luther und Ignatius von Loyola. Eine vergleichende Charakteristik ihrer inneren Entwicklung 1879

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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353

Theologifche Literaturzeitung. 187g. Nr. 15.

354

tere über 20), Huldigungsurkunden, Gefandtenberichten,
Schreiben der Städte u. f. w. Wie viel bei alledem
auch für die Gefchichte der päpftlichen Politik abfällt,
läfst fich denken und aus der Schrift Pöhlmann's näher
erfehen. Es ift hier nicht der Raum, näher darauf einzugehen
. Hier fei nur noch angedeutet, dafs nicht nur
die Politik Clemens' V, fondern auch die feiner Nachfolger
aus diefer Sammlung die vielfeitigfte Beleuchtung
erhält. Möge diefelbe auch diesfeits der Alpen die
Verbreitung finden, die ihr gebührt, und Frucht für die
wiffenfchaftliche EMrfchung bringen, für welche fie ent-
ftanden!

Tübingen. Lic. Dr. Carl Müller.

Rietschel, Oberpfr. Superint. Lic. Geo. Chrn., Martin
Luther und Ignatius von Loyola. Eine vergleichende
Charakteriftik ihrer inneren Entwicklung. Wittenberg
1879, Herrofe Verl. (VI, 62 S. gr. 8., M. — 80.

Eine Feftfchrift zum 60jährigen Amtsjubiläum des
ehrwürdigen Dr. Schmieder, erften Directors des Pre-
digerfeminars in Wittenberg, eine fein durchdachte, gut
ausgeführte Studie. In einer knapp gehaltenen Einleitung
zeigt der Verf., ähnlich wie Martenfen in feiner Schrift
über Katholicismus und Proteftantismus, wie die Grundforderung
der römifchen Kirche der fchlechthinige Ge-
horfam ift, während die evangelifche in der gottgewirkten
Glaubensgewifsheit ihren inneren Halt und ihre Kraft
hat. ,So flehen Katholicismus und Proteftantismus ihren
innerften Principien nach in diametralem, einander aus-
fchliefsendem Gegenfatze zu einander. Eine Verständigung
, eine Vereinigung ift, ohne dafs der eine oder der
andere fich aufgiebt, nicht möglich'. Diefer Gegenfatz
verkörpert fich gewiffermafsen in Luther, dem Reformator
, und in dem Stifter des Jefuitenordens. Deswegen
ftellt der Verf. diefe beiden nebeneinander und zeichnet
zunächft den Naturboden, auf dem fie erwachfen find,
dann die Befondcrheit ihrer beiderfeitigen Weltentfagung,
der beiden Männer inneres Werden und Wachfen und
endlich die charakteriftifche Ausprägung ihrer Perfön-
lichkeiten. Die auf gute Studien gegründete pfycho-
logifche Plntwickclung ift gelungen; das Schriftchen kann
allen Lefern von einigem christlichen Verftändnifs warm
empfohlen werden. Es könnte Manchem von denen
eine heilfame Augcnfalbe fein, die jetzt, durch politifche
Intereffen blind gemacht, wieder zu einem Bündnifse mit
Rom und feiner Gefolgfchaft geneigt find.

Erlangen. G. Plitt.

Natorp, Confifi.-R. Pfr. A., Martin Butzer, der Reformator
Strafsburgs. Ein Vortrag. [Vorträge im Dienfte
chriftl. Wahrheit u. Liebe, gefammelt von Sem.-Dir.
G. Schulze, I. Serie. 1. Heft.] M. Gladbach 1879,
Schellmann. (36 S. gr. 8.) M. — 60.

Dies Schriftchen eröffnet eine neue Reihe von ,Vorträgen
im Dienfte chriftlicher Wahrheit und Liebe'.
Derartige Unternehmungen erwachfen feit etwa einemjahr-
zehnt faft wie Pilze. Ohne Zweifel find fie gut gemeint,
aber ob fie wirklich das wirken, was man von ihnen erwartet
, ob man ihnen einen apologetifchen Charakter
beilegen kann, wie das in gegenwärtigem Profpectus
angedeutet wird? — ich möchte es fehr bezweifeln. Es
mag ja ganz nützlich fein, wenn man die reifen Er-
gebnifse naturwiffenfehaftlicher und auch wohl gefchicht-
Hcher Forfchung in gefälliger Form der Darfteilung
gröfseren Kreifen zugänglich macht, aber dafs auch auf
religiöfem Gebiet für christliche Bildung und Erkennt-
nifs mit folcher doch immerhin etwas leichten Waare
viel ausgerichtet werde, ift wohl recht zweifelhaft.
Ja andererfeits wird kaum in Abrede zu ftellen fein, dafs

diefe moderne Vortragsliteratur geradezu fchädlich wirkt,
indem fie den Gefchmack an foliden Büchern, die nicht
blofs Lefen, fondern Studium verlangen, verdirbt, und
das, was auch von weniger Bemittelten fonft für folche
Werke aufgewendet werden könnte, verfchlingt.

Warum gerade Butzer zu der Ehre kommt, an der
Spitze diefer Vorträge zu flehen, ift nicht recht erficht -
lich. Man mufs, um das annehmbar zu machen, ihn
fchon fo idealifiren, wie der Verf. thut. Ein glücklicher
Griff ift es kaum. Der Vortrag beruht, wie der Verf.
felbft fagt, vorwiegend auf der bekannten Schrift von
Baum. Stellenweife klingt er recht an an Krafft's Artikel
in der theologifchen Realencyklopädie 2. Aufl. III,
35 ff. Neues bietet er nicht.

Erlangen. G. Plitt.

1. Luther, Dr. Martin, Der Brief an die Römer ausgelegt,

aus feinen Schriften hrsg. von Pfr. Chr. G. Elberle.
Stuttgart 1878, Buchhandlung der Evang. Gefellfchaft.
(408 S. gr. 8.) M. 2. 20.

2. Luther, Dr. Martin, Die Epistel an dieEpheser ausgelegt,

aus feinen Schriften hrsg. von Pfr. Chr. G. Eberle.
Stuttgart 1878, Buchhandlung der Evang. Gefellfchaft.
(152 S. gr. 8.) M. — 80.

Unter den evangelifchen Geistlichen in Deutfchland
wird es gegenwärtig nur fehr wenige geben, die fo in das
Verftändnifs Luther's eingedrungen find, wie der württem-
bergifche Pfarrer Chr. G. Eberle. Schon vor mehr als
20 Jahren bekundete er dies tiefe Verftändnifs in feinem
vorzüglichen, noch jetzt aller Empfehlung werthen Schriftchen
: ,Luther's Glaubensrichtung. Seine Bedeutung und
Stellung in der Kirche. Eine Stimme aus Württemberg.
Stuttg., S. G. Liefching 1858'. Und gleichzeitig begann er,
feine umfaffende Belefenheit in des Reformators Schriften
für Andere fruchtbar zu machen. Eben damals er-
fchien in demfelben Verlage: .Luther's Evangelienauslegung
aus feinen homiletifchen und exegetifchen Werken
für Schriftforfcher, Prediger und erbauungfuchende
Lefer zufammengeftellt von Chr. G. E.' Er widmete
diefe Gabe feinen .vaterländifchen Amtsbrüdern', wollte
aber, wie er in der Vorrede ausfprach, damit nicht nur
eine Lücke in der hiftorifch-theologifchen Literatur ausfüllen
, fondern auch eine Evangelienauslegung für das
gefammte evangelifche Volk, für den Gelehrten wie für
den fehriftforfchenden Landmann geben, alfo eine Schrift
für die weitesten Kreife. Hierbei enthielt er fich aller
eignen Zuthaten, fo dafs .Alles, felbft die Uebergänge,
•Luther's eigene Worte find'. — Auf dem damit betre-
1 tenen Wege fchritt er fort und liefs fpätcr eine Epiftelaus-
! legung und eine Pfalmenauslegung Luther's folgen. Das
Neuefte find die jetzt erfchienenen Bearbeitungen des Römerbriefes
und des Epheferbriefes.

Luther's Schriftauslegung zu rühmen, ift nicht diefes
Ortes. Es fei nur noch erwähnt, dafs Pfr. Elberle bei
feiner Bearbeitung die rein zeitgefchichtliche Polemik
i gestrichen hat, fo dafs der Lefer durch folche Zuthaten
unbeirrt und ungestört fich ganz der Vertiefung in die
Schriftwahrheit unter Luther's Führung hingeben kann.
Möchte die verdienftlichc Arbeit viele Lefer, und zwar
nicht blofs unter den Geistlichen finden!

Erlangen. G. Plitt.