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Ausgabe:

1879 Nr. 15

Spalte:

352-353

Autor/Hrsg.:

Bonaini, F.

Titel/Untertitel:

Acta Henrici VII Romanorum imperatoris et monumenta quaedam alia suorum temporum historiam illustrantia collecta ac in duas partes divisa. 2 Bde 1879

Rezensent:

Müller, Carl

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35i

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 15.

352

Theilen beftehen. Ferner kam eine 11., arabifche Hand-
fchrift {Cod. Orient. 125, IO; f. S. 16) deshalb in Betracht
, weil ihr Blätter einer koptifchen Handfchrift angebunden
find. Mit Ausnahme einer Handfchrift, der
zuerft von dem Verf. befprochenen, welche die koptifche
Ueberfetzung der vier Evangelien enthält, find die übrigen
fämmtlich liturgifchen Inhalts. Der Verf. conftatirt
aber nur die Bedeutung derfelben, ohne in diefer Richtung
Nachweife zu geben. Indefs macht er doch hie und
da durch werthvolle Winke die Liturgiker refp. geduldige
Freunde des in einer Handfchrift zu Worte kommenden
Bonzenthums' auf Beachtenswerthes aufmerk-
fam. Sein eigenes Abfehen ift auf die Kritik des Bibeltextes
gerichtet. Für diefe find die alten, namentlich
die datirten Aufzeichnungen der griechifchen und orien-
talifchen Liturgien einfchliefslich der Perikopenverzeich-
nifse von hohem Werthe; denn, wie der Verf. mit Recht
fagt, Liturgien find amtliche Aeufserungen der Kirche:
der in ihnen gebrauchte Text der heiligen Schrift ift der
officielle und als folcher den Aenderungen nicht unterworfen
gewefen, welche Manufcripte der Bibel felbft gelegentlich
zu erdulden gehabt haben. Der Verf. hat fich
nun nach einer Befchreibung der einzelnen Handfchrif-
ten der unerquicklichen Arbeit mit der ihm eigenen Ausdauer
unterzogen, alle biblifchen Citate der Handfchrif-
ten zufammenzuftcllen, d.h. in Ziffern namhaft zumachen.
Am Schluffe (S. 48—61) giebt er eine tabellarifche Re-
capitulation. Das Refultat ift ein überrafchend umfangreiches
. Nicht nur find verfchiedene Exemplare der
koptifchen Ueberfetzung des N. T. — mit Ausnahme
der Apokalypfe des ganzen — wiedergewonnen, manche
Bücher des N. T. find fogar faft vollftändig aus diefen
wenigen liturgifchen Büchern zu reconftruiren und auch
für die Behandlung der Septuaginta ergiebt fich ein nicht
unerhebliches Material. Allerdings find die meiftenHand-
fchriften der Sammlung fehr junge, der neueften Zeit
angehörige; indeffen von den uralten fyrifchen Hand-
fchriften abgefchen: die Zahl der uns erhaltenen orien-
talifchcn Manufcripte aus demMA., zumal der koptifchen
und äthiopifchen, ift ja überhaupt eine fehr geringe.
Andererfeits ift das Alter der Vorlagen, welches die
Abfchreiber hie und da bemerkt haben, nicht feiten
ein rcfpectables (die Vorlage des Cod. A, 4 z. B. aus
dem J. 1356). Als Anhang hat der Verf. feiner Pu-
blication ,Bruchftücke der koptifchen Ueberfetzung des
A. T.' beigegeben und mit Anmerkungen verfehen. ,Es
ift das Vorfpiel eines armfeligen Verfuches, mit bettelhaft
geringen Mitteln wenigftens eine theilweife Antwort
auf eine Frage zu erzwingen, welche wer in Paris, Neapel
, Rom leben dürfte, ohne erhebliche Mühe zu erledigen
im Stande fein würde'. Bekanntlich hat P. de La-
garde es als die erfte Aufgabe zur Gewinnung eines
kritifchen Septuagintatextes bezeichnet, die in den ver-
fchiedenen Kirchenprovinzen umlaufenden Bibelformen
feftzuftellen. Diefer Aufgabe, welcher der Verf. bereits
Jahre voll Mühe und Arbeit gewidmet, dienen auch die
publicirten Fragmente; denn da der in Aegypten einft
übliche Bibeltext von befonderer Bedeutung ift, müffen
auch die ägyptifchen Bibelüberfetzungen wiedergewonnen
werden. Auf die Herftellung der Bibelrecenfionen
Hefych's und Lucian's, welche die Grundlage einer kritifchen
Ausgabe der Septuaginta bildet, durch den Verf.
dürfen wir jetzt wohl hoffen. Mögen fich aber auch
des Koptifchen kundige Hiftoriker finden, welche die
Handfchriften der Göttinger Bibliothek für die Befchreibung
der Liturgie der koptifchen Kirche auszunutzen
Willens und im Stande find. Der Verf. hat ihnen
jedenfalls durch feine Publication den Weg geebnet.

Giefsen. Ad. Harnack.

Bonaini. F., Acta Henrici VII Romanorum imperatoris et

monumenta quaedam alia suorum temporum histo-
riam illustrantia collecta ac in duas partes divisa.
Opus postumum. 2 Bde. Florentiae 1877, Typis
Galilaeianis M. Cellinii et Soc. (XXVI, 388 u. XLVIII,
316 S. gr. 8.)

Es fei geftattet, diefes Buch — wenn auch etwas
fpät — hier kurz zur Anzeige zu bringen, obwohl es
feinem hauptfächlichen Inhalt nach mehr in das Gebiet
der politifchen als in das der kirchlichen Gefchichte
einfehlägt. Das, was es uns bietet, bringt auch der
letzteren immer noch genügend reichen Gewinn.

Das Werk kann ein doppeltes Intereffe beanfpruchen,
ein mehr perfönliches und ein allgemein wiffenfehaftliches.
Was das erflere betrifft, fo hat über ihm ein eigenthümliches
Schickfal gewaltet. Sein Verfaffer ift der einftige Generalintendant
der toskanifchen Archive, der Commen-
datore Francesco Bonaini, ebenfo bekannnt durch feine
Reformation der ihm unterftellten Inftitute, wie durch
die Liebenswürdigkeit, mit welcher er insbesondere auch
deutfehen Gelehrten, wie Böhmer und Fickcr, überall,
wo es ihm möglich war, Förderung zu Thcil werden
liefs. Schon im Jahr 1854 nun hatte Ficker (Sitzungsber.
1 der kaif. Akademie der Wiffenfchaften XIV. 142 ff.) mittheilen
können, dafs in nächftcr Zeit diefe Publication
bevorftehe und dafs es damit möglich fein werde, von
Kaifer Heinrich's VII Wirken in Italien ein fo klares und
vielfeitiges Bild zu gewinnen, wie kaum von einem andern
Abfchnitt der früheren Reichsgefchichte. Leider follte
diefe Hoffnung auf baldiges Erfcheinen fehr getäufcht
werden. Längft zwar — feit Ende 1855 — hatte der
Druck begonnen. Allein theils die umfaffende Berufstätigkeit
Bonaini's, theils deffen anderweitige wiffen-
fchaftliche Arbeiten, theils Krankheiten verzögerten den
Druck immer wieder, bis der Verf. zuletzt von der
fehweren Krankheit betroffen wurde, welcher er nach
langen Leiden erlegen ift. Dadurch war die Herausgabe
des Werks noch weiter ins Ungewiffe verfchoben worden.
Denn ohne feinen Willen geblattete nun die Familie die
Veröffentlichung zu feinen Lebzeiten nicht. Nach Bonaini
's Tod ift endlich das Werk als ein opus posthumum
von Berti herausgegeben worden. Welch reicher Inhalt
in dcmfelben zu erwarten war, darüber hatten fchon
zuvor verfchiedene Andeutungen Kunde gegeben und
die Arbeit von R. Pöhlmann ,Der Römerzug Kaifer
Heinrich's VII und die Politik der Curie, des Haufes
Anjou und der Weifenliga' hatte dies beftätigt, indem
ihrem Verfaffer eine Benützung der Sammlung geftattet
war.

Wir haben nun in ihr eine Ergänzung der reichen
Urkundenfchätze, welche in Bezug auf Heinrich's VII
italienifchen Zug fchon vorher durch Dönniges und
Ficker veröffentlicht worden waren. Diefe beiden Gelehrten
hatten fich an die Ueberrefte des deutfehen
Reichsarchivs aus Heinrich's VII Zeit gehalten, der
erftere an die im favoyifchen Archiv zu Turin liegenden
| Schätze, der letztere an diejenigen des Pifaner Archivs,
foweit er fie nicht fchon von Bonaini ausgebeutet wufste.
Letzterer aber hat feinen Rahnien weiter gezogen. Seiner
Sammlung dienten eine ganze Reihe von italienifchen,
fowie einige auswärtige Archive als Quelle, vor allem
dasjenige von Florenz. Dem letzteren ift der ganze
zweite Band entnommen, welcher die fo überaus wichtige
und glücklicherweife gerade für jene Tage in den
Miffivbüchern erhaltene Correfpondenz der Stadt '367
Nummern) enthält und ein vollftändig klares Bild von
der Stellung der Welfenliga, an deren Spitze Florenz
ftand, gegenüber vom Kaifer, Papft und König Robert
giebt. — Der erfte Band dagegen enthält reiches Material
an neuen Urkunden des Kaifers (über 40) oder feiner
Bevollmächtigten, Briefen des Papftes Clemens V (letz-