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Ausgabe:

1879 Nr. 14

Spalte:

337-338

Autor/Hrsg.:

Menken, Gottfr.

Titel/Untertitel:

Biblische Betrachtungen 1879

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Seite 1

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337

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 14.

338

Römheld, Ffr. Dr. C. )., Das heilige Evangelium in Predigten
auf alle Sonn- u. Fefttage des Kirchenjahres
dem Volke erzählt und ausgelegt. 2. u. 3. (Schluss-)
Heft. Gotha 1879, Schloefsmann. (S. 185—559. gr- 8.)
ä M. 2. —

Die beiden letzten Hefte diefer durchaus originellen
Predigtlämmlung entfprechen vollkommen den Erwartungen
, die man nach dem t. Heft, das in Nr. 3 diefes
Jahrgangs bereits befprochen wurde, zu hegen berechtigt
war. Ref. nimmt keinen Anftand, die nunmehr
vollendete Sammlung für eins der beften ihm bekannten
volksthümlichen Predigtbücher zu erklären. Dafs der
Verf. fich zunächft an eine einfache Landgemeinde
wendet, dafs es fein ausgefprochener Zweck ift, der
grofsen Maffe der Nicht-Gebildeten die evangelifchc Ge-
fchichte verftändlich und anfehaulich vor Augen zu
malen und ans Herz zu legen, ift bereits früher erwähnt.
Wer darum vorzugsweife neue tiefe Gedanken und Schrifterklärungen
in diefen Predigten fachen wollte, würde fich
enttäufcht finden. Was dicfelben vor Allem auszeichnet,
ift die frifchc, lebenswahre, durch und durch volkstümliche
Rcproduction der Gefchichtc, die vor dem Auge
des Hörers die Begebenheit gefchehen läfst und ihn mit
gefpanntefter Aufmerkfamkeit derfclben zu folgen zwingt.
Der Verf. hat vom Dichter des Heliancl Methode gelernt
. Er überfetzt, und zwar meiftens fehr glücklich,
das Evangelium in die heutige Volksfprache und An-
fchauungsweife. Man mag hie und da, namentlich bei
den Feftpredigten, bedauern, dafs die kurzen Anwendungen
nicht etwas eingehender find, man mag an einzelnen
kühnen Ausdrücken und Wendungen Manches aus-
zufetzen finden — die Art z. B., wie das Flngagement
des ungerechten Haushalters ausgemalt wird (III, 392)
oder die als uniformirte Poliziften auftretenden Herodis-
Diener (III, 498) oder das durch die Kunde von der
Auferftehung des Herrn dem Pilatus verdorbene Erüh-
ftück (II, 261) und ähnliche Freiheiten werden nicht nach
Jedermanns Gefchmack fein — der Gefammteindruck
wird dadurch nicht beeinträchtigt. Nur eine Frage drängt
fich dem Lefer auf: wie macht es der Verf., wenn er
Jahr für Jahr über diefelben Evangelien predigt? Plinzelne
Perikopen mögen reich genug fein, um öfter hintereinander
nach diefer Methode behandelt zu werden; fehr
viele aber find mit einer einmaligen Darftellung völlig
erfchöpft, und wenn auch die kurze Anwendung fich
verfchieden wenden läfst, fo bleibt doch die Gefchichtc
diefelbe. Damit foll keineswegs der vorliegenden Sammlung
ein Vorwurf gemacht werden. Giebt es doch nach
der Theorie eines bekannten Homileten über jeden Text
überhaupt nur eine Predigt. Es foll nur darauf hingedeutet
werden, dafs, wo noch gänzlicher oder theilweifer
Perikopenzwang beftcht, auch für die populäre Predigt
diefe Methode nicht die einzige bleiben darf. Mit diefer
Einfchränkung können die Römheld'fchen Predigten
Allen, die dem Volke das Evangelium nahe zu bringen
haben, namentlich auch Volksfchullehrern als Hülfsmittel
für den bibl. Gefchichtsuntcrricht nicht warm genug
empfohlen werden.

Nuffe. H. Lindenberg.

Menken, Gottfr., Biblische Betrachtungen. Bremen 1879,
Müller. (X, 304 S. 8.) M. 3. —

Treue Zuhörerinnen Menken's hatten fich Predigten
von ihm oder Bruchftücke von folchen aufgefchrieben
und durch Vergleichung und Zufammenftellung eine ge-
fchriebene Predigtfammlung gefchaffen, die fich feitdem
von Generation auf Generation forterbt. Aus derfelben
werden hier Auszüge gegeben, über 100 Bruchftücke,
deren jedes, 1—6 Seiten lang, gleichwohl ein Ganzes
bildet. Jedem ift eine Schriftftelle zu Grunde gelegt,
deren Reihenfolge, den biblifchen Büchern, welchen fie

j entnommen find, entfprechend, das Princip der Anordnung
bildet. Aufserdem ift durch eine kurze Ueberfchrift der
Inhalt charakterifirt. Durch die Herausgabe beabfichtigt

j man, zum Studium des in feiner einfügen Gemeinde, wie
in der evangelifchen Kirche Deutfchlands unvergeffenen
Mannes anzuregen. Zu gleicher Zeit foll folchen, denen
es an Zeit fehlt, täglich eine ganze Predigt zu lefen, ein
Dienft erwiefen werden. Wer Menken kennt, findet

I ihn in diefen unmittelbaren Zeugnifsen feiner Wirkfam-
keit leicht wieder, fein finniges Schriftvcrftändnifs, feine

! Meifterfchaft in der Zeichnung biblifcher Charaktere,
feine fchlichte, tiefe, ergreifende Art auf die Gemüther
zu wirken. Auch der Herausgeber hat es verftanden,
oft mit einem einzigen Wort den Kern eines langen Ab-

I fchnitts zu erfaffen, oft nur mit der Angabe des Tages,
z. B. mehrerer Neujahrst age aus einer Zeit, in der jedes
Jahr fo ereignifsvoll war und jeder Jahreswechfel be-

j fonders ernfte Gedanken erwecken mufste (1799, 1807).

• Wer Menken noch nicht kennt, wird ihm gerade durch

j folche kurze Skizzen nahe geführt, fo felbftverftändlich
es ift, dafs fie hier und da der Abrundung ermangeln

| und vollftändige Predigten nicht erfetzen können. Be-

; wahrerinnen und Herausgeber —■ beide ungenannt —
haben fich ein unftreitiges Verdienft erworben.

Leipzig. Härtung.

1. Andrea, Joh. Val., Theophilus. Hrsg. von V. Fr.Oehler

Heilbronn 1878, Henninger. (IV, 157 S. 8.) M. 2. 40

2. Andrea, Joh. Val., Der christliche Bürger oder wie man
aus der Irre auf den rechten Weg, aus der Fremde
in die Heimat kommt. Hrsg. von V. Ff. Oehler.
Heilbronn 1878, Henninger. (III, 103 S. gr. 8.) M. 1.20.

Johann Valentin Andreä, diefe rosa inter spinas, der
gröfste praktifche Theologe feiner Zeit, den Spener und
Herder aus der Vergeffenheit hervorgezogen haben und
welchen die Gegenwart mehr und mehr würdigen lernt,
wird uns hier in der Ueberfetzung zweier feiner charak-
teriftifchften Schriften vorgeführt. — Der Theophilus,
welcher dem Herzog Auguft von Braunfchweig gewidmet
ift, beftcht aus drei Gefprächcn, in welchen Theophilus
gegenüber dem Democides feine chriftlichen Gedanken
entwickelt. Das erfte über die chriftliche Religion
beklagt die geringen Religionskcnntnifsc der Zeitgenoffen
und befonders der Jugend und Hellt in einem Schüler
des Theophilus das Ideal eines Jünglings dar, welcher
nach allen Seiten hin von feinem Chriftenthum Rechen-
1 fchaft zu geben vermag. Das zweite über chriftliche
Zucht richtet fich gegen den Irrthum derer, welche
über der Reinheit der chriftlichen Lehre vergehen, dafs
das Chriftenthum vor allen Dingen Leben fein mufs.
Das dritte über chriftliches Unterrichtswefen
möchte den Unterricht reformiren, damit man nicht die
Jugend durch Lehrftoff erdrücke, ohne doch — bei falfcher
Grundlage, bei unklarem Ziel, bei mangelhaftem Ver-
ftändnifs eine wahre Bildung zu fchaffen. Befonders die
letzten beiden Abfchnitte find voll von Gedanken, die,
auf dem Boden der Orthodoxie des 17. Jahrhunderts er-
wachfen, im beften Sinne des Worts die Luft einer neuen
l Zeit athmen. Bei feinen Reifen in reformirten Gegenden
hatte er die Entfaltung des Chriftenthums in Kirchenzucht
und Gemeindeleben kennen gelernt und möchte
diefelbe auch in der Lutherifchen Kirche der Heimath
verwirklicht fehen. Pädagogifche Grundfätze fpricht er
| aus, die erft das folgende Jahrhundert zur Geltung ge-
j bracht hat. Jeder Erziehung aber foll das Chriftenthum
und fodann die Sprachen eine fefte Bafis geben. Auch
den Uebungsftoff für letztere will er chriftlich geftalten.
Der Chriftliche Bürger ift eine Allegorie, wie man
I ,aus der Irre auf den rechten Weg, aus der Fremde in
! die Heimath kommt'. Nach langen Irrwegen gelangt

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