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Ausgabe:

1879

Spalte:

321-323

Autor/Hrsg.:

Hecker, W.

Titel/Untertitel:

Die Israeliten und der Monotheismus 1879

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 14. 5. Juli 1879. 4. Jahrgang.

Ilecker, Die Israeliten und der Monotheismus ! nifs zu den Reformideen des Mittelalters
(Uaudiffin). (C. Müller).

Colenso, Wellhausen on the Composition of

the Hexateuch (Guthe).
Kneucker, Uas Buch Baruch, Gefchichte und

Kritik, Üeberfetzung und Erklärung (Schürer).
Acta S. Pelagiae, syriace ed. Gildemeifter

(Neftle).

Posse, Analecta Vaticana (C. Müller).
Höfler, Die romanifche Welt und ihr Verhält-

Heppe, Gefchichte des Pietismus und derMyftik
in der reformirten Kirche (Ritfehl).

Mücke, Preufsens landeskirchliche Unionsentwicklung
(Koehler).

Bindemann, Rückblicke auf Leben und Amt
(Lindenberg).

Rom heid, Das heilige Evangelium in Predigten
, 2. u. 3. Ilft. (Lindenberg).

Menken, Bibli/che Betrachtungen (Härtung).

Joh. Val. Andrea, Theophilus, herausg. v.
Oehler (Hattung).

Joh. Val. Andrea, Der chriftliche Bürger,
herausg. v. Oehler (Derf.).

Chriltlieb, Was uns in der Religion Noth thut.
Ein Weckruf (Koehler).

Lange, Grundlinien einer kirchlichen Anftands-
lehre (Koehler).

Hecker, Prof. Dr. W., Die Israeliten und der Monotheismus
. Aus dem Holland, überfetzt. Leipzig 1879,
O. Schulze. (66 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Der Abhandlung liegt ein an der Univerfität Groningen
gehaltener Vortrag zu Grunde, welchen der Verf.
veröffentlichte, ,um dem von Einigen geäufserten Wunfeh
entgegenzukommen' (S. 3). Es wird darin nicht fowohl
eine Darftellung der Entftehung des Monotheismus bei
den Ifraeliten als vielmehr eine Hinweifung auf feine Be-
deutfamkeit in der Gefchichte Ifrael's und der Menfch-
heit gegeben. Der Verf. will entwickeln, ,in welcher
Hinficht der Monotheismus der Hauptfaktor des ifraeli-
tifchen Staats- und Volkslebens gewefen ift und in wie
fern er als folcher durch feine Natur und feinen Einftufs
das unfehätzbare Bedürfnifs nach Einheit und Gleichheit
(!) hat befriedigen helfen' (S. 11). Wefentlich Neues
geltend zu machen, war kaum möglich und wird nicht
die Abficht des Verf.'s gewefen fein. Vollftändiger hätte
er indeffen feinen eigentlichen Gegenftand behandeln
können, wenn er nicht vielfach übergefprungen wäre auf
die politifche Gefchichte Ifrael's, auch bei folchen An-
läffen, welche mit der Entwickelung und den Einwirkungen
feiner Religion in keiner Beziehung ftehen.* Charak-
teriftifch für die Werthfehätzung des Monotheismus bei
dem Verf., aber als Einleitung zu einer Betrachtung des
ifraelitifchen Monotheismus nicht glücklich gewählt ift
die Parallele der politifchen hünheit (Weltmonärchieen)
mit der religiöfen S. 7 ff. Dem ifraelitifchen Monotheismus
liegt durchaus nicht als ,urfprünglicher Gedanke'
zu Grunde ,die religiöfe Einheit' (der Menfchheit) S. 11,
fondern er ift zunächft, wie dem Verf. wohlbekannt ift,
die Verehrung eines einzigen Gottes des Volkes Ifrael
(nicht der Menfchheit). In dem Sinne aber wie die
Ifraeliten durch den Dienft ihres Gottes zu einer Volks-
Einheit verbunden waren, waren es nicht minder poly-
theiftifche Völker durch ihren Cultus, welchen fie wie
jene in Gegenfatz (teilten zu den Gottesdienften fremder
Völker. - Mit Recht lehnt der Verf. S. 13 Renan's Einfall
vom Zufammenhang des Monotheismus mit dem urfprüng-
lichen Wüftenleben der Semiten ab. Seine Einwendung:
,dann müfsten ja alle Wuftenbewohner ohne Ausnahme Mo-
notheiften fein' ift zur Abweifung vollkommen ausreichend.
Dagegen ift fehr unklar, was der Verf. feinerfeits zur
Entftehung des alttcftl. Monotheismus bemerkt S. 17 f.:
der .ifraelitifche Volksgeifl' äufsert fich ,in vollkommen-
fter und eigenthümlichlter Weife in der theokratifchen
Regierungsform'. .Kraft diefespolitifch.cn Syftems
wurde das Princip des orientalifchen Despotismus auf
ein göttliches Wefen übertragen, welches demnach alle
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andern an Macht und Majeftät weit überragt'. Es bleibt
unverftändlich, was der Verf. unter ,Theokratie' verfteht,
und wie er diefelbe als Grundlage, nicht vielmehr als
Folge des Monotheismus auffaffen kann. Für den nicht
neuen Gedanken aber, dafs Ifrael's Monotheismus eine
Nachbildung des orientalifchen Despotismus fei, möchte
doch einmal die Aufklärung gegeben werden, wie es
kam, dafs Ifrael, lange ohne Königthum, noch länger
ohne Despotismus lebend, zum Monotheismus gelangte,
während diefer den alten und mächtigen Monarchieen
feiner Nachbarfchaft und Verwandtfchaft fremd blieb.
An diefer Parallele zwifchen dem politifchen und religiöfen
Zuftande ift ein richtiges, vom Verf. aber nicht
erwähntes Moment, dies nämlich, dafs die Auffaffung der
femitifchen Gottheiten als Herrfcher, welche in den
Gottesnamen Baal, Melech u. f. w. ihren Ausdruck findet,
als Nachbildung der politifchen Verfaffung zu verftehen
ift. Da die Hebräer Gottesnamen wie Adonaj und Melech
ohne Zweifel aus ihren Urfitzen mitbrachten, fo weifen
diefe darauf hin, dafs in vorhiftorifcher Zeit der Stamm
der Hebräer fei es einem gröfseren monarchifchen Staat
angehörte, fei es von einem mit königlicher Würde ausgeplätteten
Stammhaupte geleitet wurde.

Aus der übrigen Darftellung des Verf.'s hier noch
einige Einzelheiten. Dafs die Propheten ,fich erheben
mitten aus dem Volke, .. . um die vox populi zur vox
Dei zu machen' S. 20 kann von den mit der Mehrheit
des Volkes durchweg in Fehde liegenden Propheten
des A. T. nur behaupten wer fie nicht genugfam kennt.
Dafs der Islam ,eine verbefferte und vermehrte Auflage
des Mofaismus' fei (S. 45), dürfte doch wohl fehr zu
bezweifeln fein. Zu verwundern ift, dafs S. 44 Dozy's
abenteuerliche Hypothefe von der .durch Samuel als
Strafe auferlegten' (?!) Auswanderung der Simconiten
nach der Umgegend von Mekka und Medina bereitwillig
aeeeptirt wird. Es follte nicht noch immer (S. 47) wiederholt
werden, dafs der Glaube an Unfterblichkeit im
Exil von den Perfern adoptirt worden fei, da fich der
Glaube an eine allerdings fchattenhafte Fortdauer nach
| dem Tode bei den Ifraeliten wie bei faft allen Völkern
feit alten Zeiten nachweifen läfst; mit dem Auferfteh-
ungsglauben und dem Glauben an eine Fortdauer des
Lebens in der Gottesgemeinfchaft verhält es fich freilich
anders. Doch follte nicht Marc. 9, 10 dahin verftanden
werden, dafs noch die Jünger Chrifti ,mit Befremden'
von der Auferftehung überhaupt fprechen hörten (S. 64;.

In den Anmerkungen am Schluffe hat der Verf.
.Aufwand von Gelehrfamkeit abfichtlich ferne gehalten'
(S. 3); da er aber doch allerlei zur Sache gehörige und
nicht gehörige Literatur und zwar gute und fchlechte

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