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Ausgabe:

1879

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Goltz, Herm. Freih. von der

Titel/Untertitel:

Zur Würdigung des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Ein Vortrag 1879

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Thcologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. [.

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Einige Schwierigkeiten bleiben noch zu befeitigen. Der j
Wittenberger Druck der Variata trägt nämlich auch am
Schlufs die Jahreszahl 1540; doch vgl. auch obiges:
cdita Ratisponae. Das Wort realiter kommt im Text von
1530 nicht vor. Aber es läfst lieh zeigen, dafs Mel.
gerade um 1540 gern mit diefem Worte operirte; vgl. 1
G. G. Weber, Krit. Gefch. d. Augsb. Conf. 2, 375, 378. |
So giebt es, wie getagt, noch Schwierigkeiten zu befeitigen
. Sie laffen fich jedoch heben, nur erfordert es eine
genauere Unterfuchung, als hier möglich ift. Und bleiben
wird das Ergebnifs, dafs für die Abfaffung von Art.
10 der Variata Calvin die Rolle eines Spiritus rector ge- J
habt hat. Daraus erklärt fich auch feine faft unverwüft-
liche Neigung, die Variata zum Bekenntnifse des Ge-
fammtproteftantismus zu erheben. —

Doch genug der Einzelheiten. Die Bearbeitung der
Briefe ift eine durchweg vorzügliche. Es ift viel Mühe
darauf verwandt, dem Lefer die Benützung derfelben j
recht bequem zu machen. Ueberall find in kurzen
Ueberfchriften Angaben über den Inhalt des betreffenden
Schriftftückes gemacht, und zwar immer in der Sprache
desfelben, lateinifch, franzöfifch, mitunter deutfeh. Hierbei
haben die Herausgeber dann und wann auch ihren
Witz fpielen laffen, z. B. Nr. 1959, Nr. 1963 n. 2, Nr.
2075. Es ift vornehmlich Farel, der ihnen dazu Anlafs
giebt. — Auf die gefchichtliche Literatur der Reformationszeit
, die weiteren Auffchlufs bietet, ift ziemlich häufig
verwiefen. Doch hätte hierin vielleicht noch etwas
mehr gefchehen können. Verwundern mufs man fich,
dafs im 15. und 16. Band, wo fo viele Vcranlaffung dazu
war, nirgend H. Schmid, der Kampf der luth. Kirche
um Luthers Lehre vom Abendmahl, Leipz. Hinrichs
1868, erwähnt ift. Und doch hat von Allen, die über
jene Händel fehrieben, Schmid die in Frage kommenden
Verhältnifse am billigften und befonnenften beurtheilt.
Zum Schaden der Sache ift auch die Benützung von
Preger's anerkanntem Werk über Flacius verfchmäht.
Hätten die Herausgeber gelefen, was Pregcr über Lan-
guet mittheilt, fo würden fie fchwerlich Nr. 2830 n. 1
diefem Namen beigefügt haben: vir tum temporis tnter
paueos praestantior. —

Wo irgend das Bedürfnifs vorlag, ift der Text durch
Noten erläutert, ja hier und da dürfte in Noten mehr
gefchehen fein, als nöthig war. So vermag ich z. B.
die Zweckmäfsigkeit von Bd. 15 Spalte 2 n. 4, Sp. 97
n. 7, Bd. 16 Sp. 173 n. 5, Sp. 510 n. 8 nicht einzuteilen.
Doch find dies immerhin nur wenige Stellen, und ebenfo
ift, foweit ich fehe, die Zahl der Bemerkungen gering,
deren Richtigkeit man anzufechten haben wird. Dahin
rechne ich Bd. 15 Sp. 199 n. 3. Ebenfo die Bemerkung
in der Ueberfchrift zu Nr. 2294. Wenn man die Zeit
berückfichtigt, fo ift wahrlich nicht einzuteilen, was an
jenem Briefe Marbach's fo fonderlich zu tadeln wäre.
Die Bemerkung entfpringt nur der öfter hervortretenden
Abneigung der Herausgeber gegen das Lutherifche. —
Ein Irrthum liegt vor, wenn Bd. 16 Sp. 515 zu den
Worten: Marpurgcnse colloquium, Isenacense '), vel Wit-
tenbergicum colloquiuni'-') quid sperem dudum doeuit, die
Noten gemacht werden: ') inter Menium et Strigeliuvi
Aug. 1556. 2) an conventuni a. 1536 innuit- Es find hier
die Verhandlungen vor der Wittenberger Concordie gemeint
, die zuerft nach Eifenach anberaumt waren und
dann wegen Luther's Erkrankung nach Wittenberg verlegt
wurden. Alto: Isenacense vel Wittenbergicum colloquiuni
. Vgl. Nr. 2442, 2443. — Der Brief Nr. 2727 fcheint
mir in eine fpätere Zeit, in das Jahr 1559 zu gehören.
Wenn Peucer dort fchreibt: in oppido vicino Lubecae con-
venerunt aliquot ßlaxixoi, fo wird damit der in jenem
Jahre gehaltene Convent der Lübecker, Hamburger und
Lüneburger Geiftlichcn im Städtchen Mölln gemeint fein.
So fällt der Anlafs zu Note 2. Auch fcheinen mir Nr.
2830 Sp. 92 und Nr. 2985 Sp. 386, beide in Bd. 17,
jenem Briefe Nr. 2727 zeitlich vorangegangen zu fein.

Languet wird es gewefen fein, der den Bricfwechfel
zwifchen Calvin und Peucer vermittelte. — Endlich möchte
ich auch Note 8 in Bd. 16 Sp. 705 beanftanden. Melan-
thon meint dort offenbar nicht die conf. Saxonica und
die conf. Wirtenibergica, wie die Herausgeber annehmen,
fondern die Augustana und die Saxonica.

Aber dies alles find, wie man leicht erkennt, nur
Kleinigkeiten. Uebler ift, dafs, wie fchon erwähnt ward,
bei den Herausgebern eine ftarke Abneigung gegen
das Lutherifche fich häufig fühlbar macht. Das follte
bei einer blofsen Urkundenfammlung nicht der Fall fein.
Man fieht fich dadurch genöthigt, die Lefer zur Vorficht
in Bezug auf das Urtheil der Herausgeber zu ermahnen.
Im Uebrigen aber mufs man lebhaft wünfehen, dafs ihre
treffliche Arbeit recht fleifsig benützt werde. Ein eingehendes
Studium diefes Briefwechfels ift fehr wohl geeignet
, unfere Kenntnifs des betreffenden Zeitraums zu
erweitern und zu vertiefen und manche allgemein verbreitete
, aber irrige Vorftellung von Einzelnem zu berichtigen
.

Erlangen. G. Plitt.

Goltz, Propft Oberkonfift.-Rath D. Herrn. Freih. von
der, Zur Würdigung des apostolischen Glaubensbekenntnisses
. Ein Vortrag. Berlin 1878, Schleiermacher.
(24 S. gr. 8.) M. — 80.

Die Berliner Streitigkeiten über das apoftolifchc
Glaubensbekenntnifs haben es ohne Zweifel dem Herrn
Verfaffer nahe gelegt, ein Wort zur Verftändigung zu
reden, und es ift ein Zeichen von anerkennenswerthem
Freimuth, dafs er dies Wort trotz feiner hohen Stellung
im Regimente der preufsifchen Landeskirche hat ausgehen
laffen. Er hat wohl felbft nicht erwartet, die Extremen
auf beiden Seiten unferer evangelifchen Theologie
und Kirche zu überzeugen; aber trotz des Ausfalles
der letzthin vollzogenen Wahlen zur bevorftehenden Gene-
ralfynode glauben wir doch, dafs der in dem Vortrage
vertretene Standpunkt den Anfchauungen der grofsen
Mehrzahl unter den einfichtigeren Chriften unferer evang.
Landeskirche entfpricht, und mit Recht wendet fich der
Verf. mit feinen Ausführungen an das Intereffe Aller,
die fich am kirchlichen Handeln betheiligen, nicht blofs
der Geiftlichen, fondern auch der Laien.

In klarer und allgemein verftändlicher Weife giebt
der Vortrag zuerft Bericht über die Entftehungsgefchichte
des apoftolifchen Symbolums. Mit Grund wird betont,
dafs man nur von dem ,buchftäblichen Wortlaute der
uns geläufigen Formel' fagen könne, derfclbe fei erft im
5. oder 6. Jahrhundert entftanden; dem Inhalte nach
flamme der ,apoftolifche Glaube' vielmehr aus den
älteften Zeiten der Kirche. Nur die Behauptung ift vielleicht
doch mifsverftändlich, dafs die Entftehung der
älteren, römifchen Form des Bekenntnifses wohl nahe
an das apoftolifche Zeitalter heranreiche. Juftin wenig-
ftens fcheint durch die Erinnerung an eine formell fchon
irgendwie abgefchloffene Geftalt der Glaubensregel noch
nicht geleitet und die Formulirung des Stoffes derfelben
nicht ohne Rückficht auf die häretifche Gnofis vollzogen
worden zu fein (vgl. Ritfehl, die Entfteh. der altkath.
Kirche, 2. A., S. 342 ff.). — Ganz am Orte ift ferner die
Erinnerung, dafs die allmählichen Erweiterungen des
abendländifchcn Taufbekenntnifses mehr einem liturgi-
fchen und katechetifchen Bedürfnifs, als einer polemifchen
Tendenz ihren Urfprung verdanken.

Im zweiten Theile des Vortrags wird dann weiter
der Werth und rechte Gebrauch des Apoftolicums be-
fprochen. Den Werth desfelben habe man oft damit
angegriffen, dafs es weniger Glaubenswahrheiten, als
hiftorifche Thatfachen ausfpreche. Aber eben in der
Befchränkung auf ,überfinnliche' Thatfachen liege der
Werth des Bekenntnifses. Der chriftliche Glaube habe