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Ausgabe:

1879 Nr. 13

Spalte:

305-307

Autor/Hrsg.:

Preger, Wilh.

Titel/Untertitel:

Der kirchenpolitische Kampf unter Ludwig dem Baier und sein Einfluß auf die öffentliche Meinung in Deutschland 1879

Rezensent:

Weizsäcker, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 13.

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mir durch feine feine und fcharffinnige Ausführung nicht alle
Zweifel gehoben find. Fürs erfte ift es fchon auffallend,
dafs der Text überhaupt nur von diefer Seite, und nicht
von kirchlicher verändert fein follte, während er doch
der letzteren viel weniger entfprach, und von ihr bis
auf Friedrich hin am meiften Ignorirung und Bekämpfung
des Concordats ausging. Denn die Verwechslung von
clcctiones mit consccrationcs in cod. Vindob. 2178, deren Ab-
fichtlichkeit feto zweifelhaft ift, kann doch dagegen kaum
in Betracht kommen. Fürs zweite ift das Gewicht des
cod. Ud. damit kaum zu befeitigen, dafs fein Text auch
andere, vielleicht nicht unabfichtliche Verkürzungen zeige.
Und endlich fcheint mir der Beweis nicht geliefert,
dafs die Praxis vorausfetze, der König fei durch das
Concordat an jenen Beirath gebunden. Es ift fchon fchwer
zu denken, dafs Heinrich V. gleich 1123 wieder bei der
Abtwahl von S. Gallen fich über das Concordat hinweggefetzt
habe. Wenn aber Lothar III. in der Halberftadter
Angelegenheit fich jenes Beirathes bedienen will {Joffe
bibl. V, 524), fo ift es fehr fraglich, ob wir hier mit
Bernheim S. 50 ohne weiteres ein Citat des Concordatcs
finden dürfen. Dort erfucht der Kaifer den Papft, ihm
doch aus befonderen Gründen diefe Entfcheidung zu
überlaffen, er beruft fich alfo nicht auf fein Recht. Und
wenn er nun hinzufügt: pro concilio archiepiscopi et suf-
fragancorum, ad/iibi/is religiosis personis, fo fcheint es
vielmehr, dafs er durch diefes Anerbieten etwas aufser-
ordentliches thue, und einer Forderung der Gegenfeite,
die aber nicht zu Recht befteht, entgegenkomme, um
den Papft willfährig zu machen. Sollte dies nicht ein
Fingerzeig fein, wie jene Claufel in den Text gekommen r
Dagegen ift Otto von Freifing mit dem anderen Punkt,
betreffend die episcopi transalpin!', ohne Zweifel im Irr-
thume. Die treffliche Ueberficht des Verf.'s über die
Schickfale des Concordates in den nächften Jahrzehnten
zeigt fchlagend, wie wenig der Vertrag, der für den
Augenblick den Frieden gebracht, bei dem fortgehenden
Streite der Gewalten haltbar war, und mit Recht hebt
er hervor, wie die Ueberlegenheit einer confequenten
päpftlichen Politik fich auch hier gegenüber der fchwan-
kenden Politik der Perfonen auf dem Throne geltend
machte. Man wird aber auch, wenn man das kirchliche
Verhalten gegen den Vertrag überblickt, das Urtheil
aufgeben müffen, das noch geläufig ift, dafs das Concordat
im ganzen nur eine Niederlage der Staatsgewalt
gewefen fei.

Tübingen. C. Weizfäcker.

Preger, Dr. Wilh., Der kirchenpolitische Kampf unter Ludwig
dem Baier und fein Einflufs auf die öffentliche
Meinung in Deutfchland. [Aus: ,Abhandlgn. d. k. b.
Akad. d. Wiff.'l München 1877, Franz in Comm.
(70 S. gr. 4-) M. 2. —
Es handelt fich hier nicht um eine Erzählung des
im Titel genannten kirchenpolitifchen Kampfes, fondern
um eine Beleuchtung desfelben nach feinen Motiven und
feinen Wirkungen. Der erfte Abfchnitt ift den Grund-
fätzen der theologifchen Gegner der Päpfte gewidmet
, und ftellt die Theorien der Parifer Artiftcn, die
zu Ludwig gingen , und der Franziskaner , die es mit
ihm hielten, in gedrängten Zügen auf. Der zweite Abfchnitt
handelt von Kaifer Ludwig felbft, und ift infofern
das Hauptftück, als der Verfaffer mit Vorliebe
fich bemüht, zu beweifen, dafs Ludwig nicht der unbe-
ftändige fchwache Mann gewefen fei, als welcher er
zuletzt noch bei Riezler erfcheint. Diefe Abficht ift
vielleicht das wenigft Gelungene in der Abhandlung.
Das Wenige, was der Verfaffer felbft über perfönliche
Aeufserungen Ludwigs anzuführen weifs S. 13 f., ift
doch recht unerheblich. Die Gründe aber für die
geläufige Anficht hat er nur zum Theilc zu widerlegen ge-

fucht, wie denn insbefondere der unerklärliche Rückzug
des Kaifers i. J. 1333 dabei aufser Betracht bleibt. Preger
hat fich vorzüglich nur bemüht, zu beweifen, dafs
die Schlüffe auf die Kleinmüthigkeit des Kaifers nicht
begründet feien, welche aus den Verhandlungen mit der
' Curie unter Benedikt XII und Clemens VI, näher aus
den Procuratorien oder Vollmachten der Gefandten
des Kaifers gezogen werden. Diefe Vollmachten enthalten
fürs erfte fchon deswegen nicht feine eigene Willensmeinung
, weil fie von Avignon aus vorgefchrieben
feien und fürs zweite feien fie noch keineswegs bindend
für den Kaifer, fie bilden nur eine Grundlage oder
einen Ausgangspunkt für die Unterhandlung, und die
wahre Abficht des Kaifers fei in den geheimen lnftructi-
onen enthalten, welche die Gefandten nebenbei erhielten.
Ganz fo fcheint mir die Sache doch nicht zu liegen.
Denn wenn doch diefe Schriften fchon mit dem Siegel
des Kaifers verfehen waren, fo kann die Abficht nur gewefen
fein, fie wirklich zu übergeben, und die Gefandten
hatten jedenfalls die Vollmacht, das zu thun. Diefe
Uebergabe follte freilich nicht bedingungslos erfolgen,
fondern es kam darauf an, nun zuvor eine entfprechende
Gegenerklärung des Papftes zu erlangen, in welcher theils
genügende Gegenleiftungen enthalten fein mufsten,
theils aber auch der Inhalt der kaiferlichen Erklärung
durch Interpretation günftiger limitirt fein konnte. Dies
bildete dann die Aufgabe der Unterhandlungen und daher
den Inhalt der geheimen Inftructionen. Was aber dabei
herauskam, war dem günftigen Verlaufe überlaffen, wogegen
die Procuratorien doch als Grundlage blieben. Es
war alfo mindeftens ein gefährliches Spiel. Auf ein anderes
Verhältnifs führt auch nicht, was aus den Acten
von 1331 und 1334 S. 16 angeführt ift. Wo aber die
Inftructionen jene Zufagen wirklich aufzuheben fcheinen,
da werden fie vielmehr den Eindruck des haftigen Wech-
fels in Stimmung und Wollen, als den einer vorbedachten
klugen oder doch den Umftänden nachgebenden
Politik hervorrufen. Die vorliegende Abhandlung hat
fich das bleibende Verdienft erworben, in kritifcher Erörterung
der von Riezler literar. Widerl. Beil. III publi-
cirten Actenftücke insbefondere die dort gegebene In-
ftruetion B als Anweifung des Gefandten Wilhelm von
Jülich für die im Jahre 1336 eröffneten Verhandlungen
aufzuzeigen. Sie ift damit ein lehrreiches Beifpiel für
das Verhältnifs folcher Inftructionen zu den vorausgefetzten
Procuratorien geworden. Aber weiter, als vorhin
angedeutet, führt uns auch diefes Beifpiel nicht. Ueber
Limitationen und Velleitäten geht es doch auch hier
nicht hinaus. In diefem Abfchnitt hat Preger auf S. n
gegen Riezler S. 11 f. die vorgebliche Fälfchung der
Sachfenhäufer Appellation durch den Kanzler Ulrich
(durch Einfchiebung der Erklärung für die mit dein Papft
breitenden Minoritäten) für eine Eiction erklärt. Wie
mir fcheint, mit Recht: denn die fpäte Zeit diefes Vorbringens
fowic der innere Widerfpruch desfelben laffen
darüber kaum einen Zweifel. Es mag ja wahr fein, dafs
Ludwig von den Händeln über die Armuth Chrirti nichts
wollte und davon nichts zu verliehen verficherte. Aber er
liefs fich eben auch in diefer Sache beftimmen, und
eben deshalb ift diefelbe auch nichts weniger als ein
Beweis für feinen fclbftändigcn Charakter. Vom Kaifer
geht die Abhandlung auf die Führer der literari-
fchen üppofition zurück. In diefem Abfchnitte find
von befonderem Werth die Bewcife gegen die angebliche
Unterwerfung des Michael von Cefena und des Wilhelm
von üccam. Bei dem erfteren ift es zweifellos, dafs er
er fich nicht unterworfen hat, und die Unechtheit des
von Muratori gegebenen Widerrufs ift feither noch
fchlagend erwiefen worden (C. Müller, Kampf Ludwigs
d. B.). Bei Occam ift wenigftens die gröfstmögliche
Wahrfcheinlichkeit dafür. Der folgende Abfchnitt behandelt
die öffentliche Meinung in Deutfchland,
darunter die Orden, Minoriten, Dominikaner und die