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Ausgabe:

1879 Nr. 13

Spalte:

303-305

Autor/Hrsg.:

Bernheim, Ernst

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte des Wormser Concordates 1879

Rezensent:

Weizsäcker, Carl

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303 Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 13. 304

Alter zuzufprechen, dafs dadurch die Abfaffung des
Werks durch Thomas unmöglich werde. Und der Beweis
dafür? Der Herausgeber ift überzeugt, d. h. er hat
fo den Eindruck, dafs die Leidner Handfchrift der
Maatsch., ein prachtvoller Pergamentcodex in gr. 8., dem
Anfang des 15. Jahrh. angehöre; er notirt mit Wohlgefallen
eine alte Notiz auf einem dem Codex aufgeklebten
Zettel von 1678, worauf der ehemalige Befitzer P. van
der Meerfch das, ,godtvrugtigh boeck' rühmt, und fagt,
es fei gefchrieben um 1428 oder 1430 und hinzufetzt:
,Ick denk naest, dat het vroeger geschreven is'. Dies wird
als unumftöfslicher diplomatifcher Fund beftens für das
Alter der Ueberfetzung verwerthet, und die ebenfo unum-
ftöfsliche Schlufsfolgerung daran gefchloffen, dafs, da nach
Malou Thomas die 3 erften Bücher erft 1424, das 4. wohl erft
fpäter gefchrieben haben könne, eben diele Abfaffung des
latein. Originals durch Thomas unmöglich werde, wenn die
Ueberfetzung fchon 1428, ja noch früher gefchrieben fei!
Weiter aber foll auch der Cod. Scot. in den Anfang des 15.
Jahrh. gehören; zwar fei er in der vorliegenden Geftalt jünger
als der Leidener, aber er fei auch bereits Abfchrift eines
älteren Codex, wie einige Stellen zeigen follen, die der
Verf. als Verfehen des Abfchrcibers charakterifirt. Referent
bekennt fich als vollftändig Laie in der vorliegenden
Handfchriftenfrage, glaubt aber nichts deftoweniger
ausfprechen zu dürfen, dafs W. auch nicht den Schatten
eines Beweifes dafür geliefert hat, dafs der intereffante
Inhalt feiner Handfchriften den Procefs gegen Thomas
entfcheide. Glücklicher Weife hängt der Werth feiner
Publication nicht von diefem Parteiintereffe des Herausgebers
ab; ganz von diefem abfehend, können wir ihm
nur dankbar fein für diefe Vermehrung des Materials,
zumal wenn fich feine Annahme beftätigen follte, dafs
wir im 5. u. 6. Buch den Originaltext jener Tractate
haben.

Kiel. • W. Möller.

Bernheim, Privatdoc. Dr. Kruft, Zur Geschichte des

Wormser Concordates. Göttingen 1878, Peppmüller.
(VI, 66 S. gr. 8.) M. 2. 2.5.

Diefe verdicnftvolle Schrift fchlicfst fich theils an die
Schrift des Verfaffers: Lothar III. und das Wormfer
Concordat, theils an andere verwandte Arbeiten neueften
Datums, wie befonders Witte's Forfchungcn zur Ge-
fchichte des Wormfer Concordates L Göttingen 1877 an>
und zieht ein Gefammtrefultat über das Concordat felbft,
feinen Urfprung, feine Bedeutung, feine Wirkung. Sie
zerfällt in drei Abfchnitte: 1. Die Wahl- und Inveftitur-
theorien und die Programme der verfchiedenen Parteien.
1. Das Wormfer Concordat, deffen Auffaffung und authen-
tifchcr Text. 3. Die verfchiedene Handhabung des
Wormfer Concordates und Fälfchungen desfelben. Als ein
werthvolles Zcugnifs für das, was hier geleiftet ift, darf
angeführt werden, dafs der gröfste Theil der Refultate
bereits in Hinfchius, Kirchenrecht etc. II, 2 übergegangen
ift. Wenn man die fchwankenden und noch oft fo unklaren
Urtheile über die gefchichtliche Bedeutung des
Concordates anfieht, fo mufs man den Weg des Verf.'s
zur Bereinigung diefer Frage als den einzig richtigen anerkennen
, welchen er im erften Abfchnitt eingefchlagen
hat. Hier verfolgt er die Entwickelung der Anflehten
über die Frage durch den Streit hindurch von Gregor VII.
an, um daran zu zeigen, wie die endlich getroffene Auskunft
entftanden ift, und welchen Sinn ihre einzelnen Be-
ftimmungen haben. Kaum irgendwo anders tritt uns
die Natur des mittelalterlichen Streites der beiden ober-
ften Gewalten fo deutlich entgegen, wie in der Inveftitur-
frage. Nicht ein Grenzftreit war es zu Anfang, fondern
ein Principien- und Machtftreit im vollen Sinn, deswegen
weil jede diefer Gewalten das Ganze beanfprucht. Gerade
damals aber haben fich dann im Laufe weniger
Jahrzehnte die Begriffe gelichtet und hat man zu unter-

fcheiden angefangen, zwifchen geiftlichen und weltlichen
Dingen, kirchlicher Einfetzung'und weltlicher Belehnung,
eigenem Kirchenvermögen und verliehenen Regalien.
Und diefe Unterfcheidung zeigt dann den Ausweg aus
dem Streit, es entftehen Vermittelungsvorfchläge. Der
erfte praktifche Verfuch fie anzuwenden erfcheint in dem
verunglückten Concordate von Sutri im. War die Politik
von beiden Seiten auch hier noch von Hintergedanken
getragen — ich kann dem Verf., der diefe Anficht
verwirft, darin nicht folgen — fo ift doch zuzugeben,
dafs die ganze Aufftellung des Vertrages nicht möglich
gewefen wäre, hätte fich nicht das Zeitalter ernftlich auch
mit der Frage befchäftigt, ob der Belitz der Regalien
für die Bifchöfe nothwendig und heilfam fei. In der Entwickelung
der Anflehten unterfcheidet der Verf. neben
der kirchlichen und der königlichen Partei drei mittlere
Richtungen, nämlich eine eigentliche Vermittlungspartei
und fodann die derfelben fich nähernden Vermittlungen,
welche theils von der königlichen, theils von der kirchlichen
Seite ausgehen. Die Grenzlinie zwifchen diefen
Richtungen ift allerdings eine fliefsende. Aber zwei
Dinge find die leitenden Punkte: nämlich die Freigebung
der kirchlichen Wahl auf der einen Seite und die der
königlichen Belehnung auf der anderen Seite. Sind dies
die Conceffionen, fo erklärt fich, dafs fich an denfelben
auch die Hauptrichtungen durch Limitationen geltend
machen. Einestheils fucht man bei der Freigebung der
kirchlichen Wahl noch den königlichen Einflufs zu retten,
und anderentheils fuchte man die Bedeutung der königlichen
Belohnung zu fchwächen, dadurch dafs fie der
vollendeten Confecration nur nachfolgen follte. Im zweiten
Abfchnitt wird nun das Concordat nach diefen Vor-
ausfetzungen felbft beleuchtet. Bei der Ueberficht über
feine Beftimmungen darf beanftandet werden, dafs der
Verf. das: concedo electioncs — in praesentia tua fieri abs-
que simonia et aliqna violentia, interpretirt: Wahl durch
Volk und Clerus in paffiver Gegenwart des Königs.
Das Verbot von simonia und violentia ift noch nicht
gleich der Vorfchrift völliger Unthätigkeit. Im Gegen-
theil konnte darüber kein Zweifel fein, das mit der praesentia
auch die Ausübung eines gewiffen Einfluffes gefetzt
werde. Im übrigen ift das Urtheil gewifs richtig,
dafs das Concordat durch und durch Vermittlungsarbeit
war, und eben deshalb auch fo verfchieden aufgefafst
wurde. Aber fchon in diefem zweiten Abfchnitt drängt
fich die Frage nach der Sicherheit des Textes desfelben auf,
gegenüber den wefentlichen Abweichungen des Cod. Udalr.
jaffe bibl.K.G.V, 388) und den Angaben ütto's von Freifing
, und die Löfung diefer Schwierigkeit bildet dann den
Kern des dritten Abfchnittes. Der Verf. ftützt fich hierbei
nicht blofs auf die Zahl der Texte, welche für die
reeipirte Faffung fprechen, fondern er fchlägt den Weg
ein, der ja auch in anderen ähnlichen Fällen angewendet
wird, die nachweisbare Praxis mit den Texten der Urkunde
und den Berichten über ihren Inhalt zu vergleichen
, und daraus die Wege der Fälfchung zu erkennen
. Nun räumt der Text des Cod. Ud. ebenfo wie
Otto G. Fr. L (M. G. S. XX, 392) dem König bei Wahl-
zwiften das eigene Entfcheidungsrecht ein, während die
fonftigen Texte feine Entfcheidung von dem Rath oder
Urtheils des Erzbifchofes und der Comprovinzialbifchöfe
abhängig machen. Otto ferner behauptet, Chron. VII
(ebd. 256), dafs nicht nur bei den deutfehen, fondern
auch bei den episcopi transalpini die weltliche Inveftitur
vor der Confecration vorausgehen müffc, während die
Texte bekanntlich das Gegentheil fagen. Diefe Abweichungen
erklärt nun der Verfaffer beide für Fälfchungen
von königlicher Seite. Cod. Ud. richtete fich dabei
nach dem hierin das Concordat alsbald nicht beachtenden
Verfahren Heinrich's V. felbft, und Otto von Freifing
nach Angaben der Canzlei Friedrich's L, welche das
Concordat fo abänderte, wie es den Abfichten und
Handlungen diefes Fürften entfprach. Ich geftehe, dafs