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Ausgabe:

1879

Spalte:

262-264

Autor/Hrsg.:

Nesselmann, R.

Titel/Untertitel:

Haus- und Predigtbuch. Christliche Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Jahres 1879

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. II.

262

Herz der Knaben gefenkt werden müffe und (S. 50; dafs
,an den Herrn Gott felbft allein untere Gebete' zu richten
feien? Andere Uefiderien desVerf.'s find uns ebenfo wenig
aus der Seele geredet, wie dies dafs an die Stelle der
ganzen Bibel eine Schulbibel trete, damit u. a. der Einwurf
, religiöfer Glaube werde auf eine fremde, unterer
Zeit unklare und unbewufste Wunderwelt aufgebaut, feine
Kraft verliere. Wir fürchten, dafs das gewünfchte Buch
nach fehr fubjectivem Mafsftabe abgegrenzt fein würde.
Doch wenden wir uns von der Schrift, deren Umfang
kaum der Wichtigkeit der behandelten Frage entfpricht,
neueren Lehrbüchern zu. Bereits in 8. Auflage erfchien
C. Noack's bekanntes ,Hülfsbuch für den evangelifchen
Religionsunterricht in den oberen Claffen höherer Schulen
' 'Berlin 1879, Nicolai. 133 S. 8. geb. M. 1. 60). Der
Verf. hat es mit Recht ein Repetitionsbuch genannt.
Nähere Ausführungen dem lebendigen Worte überlaffend I
giebt er einen Abrifs der Bibelkunde, der Kirchen-
gefchichte und der evangelifchen Glaubens- und Sittenlehre
, anhangsweife neben den ökumenifchen Bekennt-
nifsen und der Augsburg'fchen Confeffion auch einen
Ueberblick über die wichtigften Unterfcheidungslehren
und des chriftlichen Kirchenjahres. Ungleich eingehender
ift Lic. Dr. Fr. Kirchner's .Lehrbuch der Evangelifchen
Religion'. Der erfte Theil (Cöthen 1878, Schettler.
VI, 255 S. 8. M. 2. 40) enthält eine Einleitung in das
A. und N. T., die Geographie Paläfunas, Bilder aus der
Kirchengefchichte und die .chriftliche Lehre' d. i. eine
Erklärung des kleinen Katechismus; der zweite dagegen
(Cöthen 1879, Schettler. VIII, 215 S. 8. M. 2. 40) die
Gefchichte Ifraels, das Leben Jefu, die chriftliche Kirchengefchichte
und nach einer Ueberficht über die Unterfcheidungslehren
(deutfeh und lateinifch) die Confessio
Augustana, Welche Gefichtspunkte für den Verf. mafs-
gebend waren und wie derfclbe die einzelnen Lehrgegen-
flände auf die einzelnen Claffen vertheilt fehen möchte,
ift unferen Lefern aus deffen Schrift , zur Reform des
Religions-Unterrichtes', deren wir früher (1877. Nr. 12)
gedachten, nicht unbekannt. Er will, wie er dort aus-
fprach, dafs der Unterricht chriftlich-confefflonell fei,
doch fo, dafs dem Lehrer Freiheit bleibe. ,Die Bibel
ift feine einzige Norm. Steht er auf orthodoxem Standpunkte
— gut; auf liberalem — auch gut. Man laffe
ihm gewähren, wenn er nur der Schrift nicht Gewalt an-
thut'. Der Verf. felbft hat in feiner Einleitung in die
heilige Schrift (I. S. 8 bis 121) meift Refultate einer po-
fitiven oder doch mafsvollen Kritik wiedergegeben. Er
äufsert wohl Bedenken rückfichtlich der Echtheit des
erften Briefes Petri (S. 108 f.) wie 2. Timoth. (S. 105)
und verwirft den zweiten Brief Petri (S. 109) wie den
Titus- und 1. Timotheusbrief (S. 104 f.;, hält aber,
was hervorgehoben fein mag, (S. 72 f.) die Authentie
des vierten Evangeliums wie (S. 110 f.) die der drei jo-
hanneifchen Briefe für gefichert. Doch ift das .Lehrbuch'
nicht blos in feinen ifagogifchen Partien zu ftark belaftet
und, von häufigen Verweifungen auf theologifchen Werke
abzufeilen, zu reich an Material, welches jenfeits der
Grenzen des Gymnafialunterrichtes liegt. Auch auf der
oberen Lehrftufe wird von Maffalianern und Hypfifta-
riern (f. II. S. 97), von den Streitigkeiten in der luthe-
rifchen Kirche nach Art von II. S. 152 f. u. A. nicht zu
handeln fein. — Andere Schriften find lediglich für den
kirchenhiftorifchen Unterricht beftimmt. Nur genannt
lei Dr. Alb. Wippermann's .Grundrifs der Kirchengefchichte
für evangelifche höhere Schulen', der jetzt in
4. Auflage vorliegt (Plauen 1878, Schröter. VIII, 92 S.
8. M. — 80). Ihm zur Seite fleht Dr. P. V. Schmidt's
.Handbuch der Kirchengefchichte'(Leipzig 1879, Böhme.
XI, 289 S. 8. M. 2. 50), welches in proteftantifchen Seminaren
, Realfchulen, Gymnafien feine Lefer fucht.
Seine pädagogifche Stellung zur Kirchengefchichte
kennzeichnet der Verf. felbft Vorw. S. IV f.: ,Ich
meine, dafs bei diefer Disciplin feftzuhalten ift, dafs

das fpeciell confeffionelle Bewufstfein an dem allgemein
chriftlichen, fowie dafs diefes allgemein chriftliche an
dem confeffionellen feine Schranken haben müffe. Und
fo habe ich mich ebenfo fehr davor gehütet, Indifferentismus
gegen die eigene Kirche wie Intoleranz gegen
andere Kirchengemeinfchaften zu zeigen oder zu erzeugen
. Ich habe mich vielmehr bemüht, durchleuchten
zu laffen den Gedanken, deffen Wahrheit die Gefchichte
nachweift und den der wahre Proteftantismus in fleh
fchliefst, dafs zwar keine Kirche den Anfpruch erheben
darf, für die Kirche gehalten zu werden, dafs aber trotz
aller Unvollkommenheit jeder einzelnen Kirchengemein-
fchaft dennoch von allen gelten kann, dafs fie Theile
der Einen, allgemeinen und in diefem Sinne allerdings
katholifchen Kirche Jefu Chrifti find'. Diefen trefflichen
Worten entfpricht, wie wir den Eindruck haben, der Inhalt
des angenehm lesbaren Buches. Wir tragen darum
kein Bedenken, dasfelbe zu eingehender Kenntnifsnahme
zu empfehlen. ,Die Kirchengefchichte in Lebensbildern'
von Dr. Glob. Schumann (Hannover 1878, Meyer.
XII, 212 S. 8. M. 2. 40) ift ihrer erften Abtheilung nach
(die ältere Zeit bis auf Karl den Grofsen) in 2. Auflage
erfchienen und foll noch im Laufe diefes Jahres bis zur
Gegenwart fortgeführt werden. Wir ziehen diefes ,Lehr-
und Handbuch für Schule und Haus' gleichfalls hierher,
weil es in höheren Anftalten mit Nutzen zu gebrauchen
fein dürfte. Einen befonderen Gedanken hat Dr. C.
Noack unferes Wiffens zuerft zur Ausführung gebracht,
indem er ein .Kirchengefchichtliches Lefebuch' (Berlin
1879, Nicolai. V, 156 S. 8. M. 1. 80) herausgab, welches
eine Sammlung der wichtigften Abfchnitte aus Werken
kirchlicher Schriftfteller von der älteften Zeit bis in unfer
Jahrhundert enthält. Sie follen hervorragende Perfonen
mit ihren eigenen Worten zu den Schülern reden und
damit den Unterricht an Treue und Lebendigkeit gewinnen
laffen. Schriften griechifcher und lateinifcher
Väter wurden felbftverftändlich in Ueberfetzung aufgenommen
, fo zwar, dafs fleh der Verf. meift an vorhandenen
Verfionen angefchloffen hat; die in älterem Deutfeh
gefchriebenen Werke aber find wo nöthig modernifirt
worden. — Zum Schlufs mag noch an das .Evangelifche
Gefangbuch für höhere Schulen' von E. Walther und
H. Karow erinnert fein, welches kürzlich in 2. Auflage
erfchien (Potsdam 1878, Stein. 168 S. 8. M. 1. —) und
feiner verftändigen Auswahl und Anordnung wegen
empfohlen werden kann.

Leipzig. Wold. Schmidt.

Nesselmann, Pred. Lic. R., Haus- und Predigtbuch.

Chriftliche Predigten auf alle Sonn- und Fefttage des
Jahres. Königsberg 1879, Akademifche Buchhandlung.
(X, 805 S. gr. 8.) M. 6. —; geb. M. 7. 50.

Das Urtheil über eine Predigtfammlung hat befon-
ders ein Doppeltes ins Auge zu faffen, ihre Bedeutung
für die Homiletik und für die Entwickelung der Predigt,
und ihren Werth für die Gemeinde. Es find nun wenige
in unferer predigtreichen Literatur, welche in erfterer
Beziehung einen eigenthümlichen Platz einnehmen: auch
die vorliegende nicht. Sie fucht weder der chriftlichen
Gedankenwelt eine wefentlich neue Seite abzugewinnen,
noch hat fie in der formellen Darfteilung etwas Speci-
fifches, noch gräbt fie überrafchend neue Canäle, um
den alten Inhalt in das Gemeindebewufstfein zu leiten.
Wenn dies vorausgefchickt wird, fo foll damit kein
Vorwurf ausgefprochen werden, es foll der Sammlung
nur die Stelle angewiefen werden, welche fie felbft für
fich in Anfpruch nimmt. Nicht dem Homileten will fie
etwas wefentlich Neues bieten, fondern für die Gemeinde
ift fie herausgegeben, und der Eindruck, den eine jede
I Predigt auf die Gemeinde gemacht hat, ift im Einzelnen
! bei der Auswahl mafsgebend gewefen. Und von diefem