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Ausgabe:

1879 Nr. 11

Spalte:

259-262

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Woldemar

Titel/Untertitel:

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte 1879

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259 Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. II. 260

die Mehrzahl derer, welche darauf Werth legen, den Namen
Lutheraner beilegen dürfen.

Nach alle diefem wird das Urtheil berechtigt er-
fcheinen, dafs diefes Buch nicht geeignet ift, dem Religionsunterricht
an höheren Schulen als Leitfaden zu
dienen.

Halle a/S. W. Herrmann.

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterricht.

Seit unferer letzten Berichterftattung (1878 Nr. 16)
hat die Literatur, welche die Ueberfchrift nennt, wieder
eine vielfache Erweiterung erfahren. Verfuchen wir's im
Folgenden diefe neueften Erfcheinungen zu charakteri-
firen, fo haben wir wie früher fchon Schriften, welche
dem chriftlichen Religionsunterrichte in der Volksfchule
dienen wollen, von folchen zu trennen, welche für höhere
Lehranftalten beftimmt find.

Der erfteren Gattung gehört ,der Lehrplan für den
Religionsunterricht und der religiöfe Memorirftoff1 von
G. Süfsmann an. Bereits in 2. Ausgabe erfchienen
(Hannover 1878, Meyer. 144 S. gr. 8. M. 1. 50) giebt die
klar gefchriebene Schrift im Grunde mehr als ihr Titel
verheifst, fofern fie auch über Aufgabe und Methode
des Religionsunterrichts wie über die Stellung desfelben
innerhalb des gefammtenErziehungsgefchäftes eingehender
fich verbreitet. Der Lehrplan felbft ift zunächft für fechs
auffteigende Klaffen berechnet und legt den Unterrichts-
ftoff, unter Berückfichtigung der allgemeinen Beftimm-
ungen, in ebenfo vielen concentrifchen Kreifen auseinander
; denn für intenfive Durcharbeitung des der
Entwickelung des kindlichen Geiftes Nothwendigen kann,
wie der Verf. mit Recht bemerkt, nur durch ftete
Wiederaufnahme des früher Erlernten ausreichend Sorge
getragen werden. Wenn aber nach S. 5 und 12 das
Kind auf die biblifche Gefchichte durch einen fechs-
monatlichen Curfus vorbereitet werden foll, in welchem
Lieder, Märchen, Sagen, moralifche Erzählungen über
religiöfe und fittliche Verhältnifse ihre Erörterung finden,
fo ift dies als verfehlt zu bezeichnen. Kommt wirklich
im Kinde einer chriftlichen Familie die Religion erft fpät
zu relativer Entwickelung? So gewifs ihm fchon vor
dem Eintritt in die Schule das Gebet nichts Fremdes
bleibt, fo gewifs darf auf der unterften Stufe mit dem
ihm adäquaten Lehrgegenftande d. h. der Erzählung bib-
lifcher Gefchichten begonnen werden. Nicht ohne einen
Hinweis auf die Lehrpenfa der einzelnen Schuljahre zu
geben ift kürzlich auch die ,Biblifche Gefchichte für den
evangelifch - proteftantifchen Religions - Unterricht im
Grofsherzogthum Baden' erfchienen (Lahr 1878, Geiger.
VII, 204 S. 8. M. — 45). Einer näheren Charakteriftik
derfelben meinen wir uns deshalb enthalten zu dürfen,
weil fie nach bekannten Befchlüffen der Generalfynode
von 1876 ausgearbeitet ward. In Folge grofsherzog-
licher Entfchliefsung vom 30. Juni 1877 hat fie in den
Schulen des Landes nun als Lehrbuch zu dienen und
wurde von Wilh. Höchftetter zum Zweck einer lebendigen
Behandlung im Unterrichte mit Erläuterungen
verfehen (Lahr 1879, Schauenburg. XII, 520S. 8. M. 6.—).
Schleiermacher's Wort ,was im Leben das Lebendigfte
fein foll, darf von Anfang an nicht als ein Todtes mit-
getheilt werden' ift ihm dabei mafsgebend gewefen; doch
nach unterem Eindruck weniger um den ideellen Gehalt
der biblifchen Gefchichte zum Bewufstfein zu bringen,
als um einen klaren Einblick in die Situation, auf welche
die Gefchichte weift, zu gewähren. Befondere Erwähnung
verdienen die zahlreichen und guten Illuftrationen
nach Rafael, Schnorr u. A., mit welchen das Lehrbuch
gefchmückt ift. Der oberen Stufe (7. und 8. Schuljahr) will
C.Otto Schäfer mit dem dritten Theile feines, Lehrbuchs
für den evangelifch-proteftantifchen Religionsunterricht'
(Frankfurt a. M. 1878, Diefterweg. VIII, 215S. 8. M.2.—)
förderlich fein. Er fetzt hier zuerft die früher gegebene

Gefchichte des Reiches Gottes neuen Bundes in Lebensbildern
aus der Kirchengefchichte fort, läfst fodann eine
weitere Ausführung der Bibelkunde folgen, welche gleichfalls
auf den beiden vorhergehenden Stufen vorbereitet
worden war, und giebt zuletzt den kleinen Katechismus
Luther's mit ausgewählten Sprüchen und Belegftellen.
Eine Karte von Paläftina und den Reifen des Apoftels
Paulus, eine Gefchichte des chriftlichen Kirchenjahres
und die evangelifchen Perikopen find noch überdem beigefügt
. Wir machen gern auf diefes Lehrbuch aufmerk-
fam. Was uns in früheren Arbeiten des Verf.'s wohl-
thuend berührt hat (f. 1878 Nr. 1), haben wir in diefer
abfchliefsenden reichlich wiedergefunden, find auch der
Meinung, dafs das Buch zumal einem verftändnifsvollen
Lefen der heiligen Schrift noch nach der Schulzeit dienlich
ift. Nur einen Auszug aus der erften, kirchen-
hiftorifchen Abtheilung des .Lehrbuches' bietet des Verf.'s
.Gefchichte der chriftlichen Kirche in Lebensbildern'
(Frankfurt a. M. 1878, Diefterweg. IV, 79 S. 8. M. — 80;
cart. M. — 90), deren Inhalt fich vielleicht noch mehr
in dem Rahmen der allgemeinen Beftimmungen vom
15. October 1872 bewegt. Dafs auch die Katechismus-
Literatur neuerdings nicht leer ausging, beweift neben
Schäfer's Schrift ,Dr. Martin Luthers kleiner Katechismus'
von K. A. Dächfei (Breslau 1878, Kern. 222 S. 8.
M. — 55; geb. M. — 70). Die kleine Schrift, eine völlige
Umarbeitung des Enchiridion v. J. 1870, ift ungewöhnlich
gehaltvoll zu nennen. Dem Titel nach für den
Schul- und Confirmanden-Unterricht beftimmt möchte
fie noch anderen Kreifen als der chriftlichen Volksfchule
zu Gute kommen und überhaupt Alles in fich bergen,
was mit Luther's Worten zur Herstellung einer volks-
thümlichen Glaubens- und Sittenlehre an die Hand gegeben
ift. Daher wird der Lehrer weitaus nicht alle (756)
an den Katechismus angefchloffenen Fragen erörtern,
noch weniger die beigegebenen Sprüche von Kindern
fordern können; aber das Ganze ift in der That fo lichtvoll
geordnet, dafs das dem Kinde Nöthige fich leicht
von dem fcheiden läfst, was für das fpatere Leben zurückzubleiben
hat. Dem Lehrer felbft wird desfelben
Verf.'s .Hilfsbuch zur Vorbereitung auf den Katechismus-
Unterricht' (Breslau 1878, Kern. VIII, 224 S. 8. M. 1. 20)
von Nutzen fein.

Andere Schriften aus jüngfter Vergangenheit weifen
uns auf den kirchlichen Unterricht in höheren Lehranftalten
. Unter ihnen kündigt fich eine kleine Brofchüre
von Dr. K. W. Meyer ,der evangelifche Religionsunterricht
auf den höheren Schulen' (Hannover 1878, Hahn.
75 S. 8. M. I. —) als freies Wort ernfter Mahnung an
an Eltern und Lehrer an. Sie bringt nicht blofs des
Verf.'s Erfahrungen auf dem bezeichneten Unterrichtsgebiete
zum Ausdruck, normirt auch nicht blofs die Aufgaben
, welche diefer Unterricht zu erfüllen hat, fondern
zeichnet auch die Methode, welche der Lehrer einhalten,
wie den Umfang des Lehrftoffes, welchen derfelben vermitteln
folle und giebt zuletzt noch Gefichtspunkte an,
welche für Theilung des Lehrftoffes mafsgebend fein
möchten. Wir wiffen die Wärme zu würdigen, mit
welcher Dr. Meyer den Religionsunterricht als den
.Herzpunkt der gefammten Schuldisciplinen' feftzu-
halten fucht, überfehen auch nicht, dafs er ,den alten,
in vielen Stürmen unferer Jahrhunderte bewährten
und geftählten Katechismus nicht ohne Weiteres über
Bord werfen' will, können aber zu den eigentlich pofi-
tiven Vorfchlägen kein volles Zutrauen gewinnen. Was
heifst es: .Chrifti concrete fafsliche Perfönlichkeit follte in
ethifch-hiftorifcher Darlegung an Stelle der Dogmen und
Katechismen treten' (S. 42,? Hindert wirklich ein verständiger
Katechismus-Unterricht, Chrifti Perfönlichkeit
,concret und fafslich' vor das geistige Auge des Schülers
zu ftellen? Oder empfängt das .concret und fafslich' vielleicht
fein eigenthümliches Licht durch die Forderung
I (S. 51), dafs mehr Gottesliebe als Chriftusanbetung in's