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Ausgabe:

1879 Nr. 1

Spalte:

7-8

Autor/Hrsg.:

Bibliotheca Casinensis seu codicum manuscriptorum qui in tabulario Casinensi asservantur series per paginas singillatim enucleata, notis

Titel/Untertitel:

characterum speciminibus ad unguem exemplatis aucta cura et studio monachorum

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 1.

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bar hohen Vorzüge liegen nicht fowohl in der gelehrten
Kritik, nicht in dem Neuen, was es bringt, als vielmehr
in der Darfteilung, in der lebendigen Schilderung. Niemand
wird diefer Schilderung ohne Intereffe folgen
können. Dem Verf. und Herausgeber gebührt der auf-
richtigfte Lank dafür, den wir durch die Bemerkung, dafs
eine umfaffende hiftorifch genetifche Darftellung der
Theologie A.'s noch immer zu wünfchen bleibt, nicht
fchmälern wollen.

Saufedlitz b. Bitterfeld. Th. Weber.

Bibliotheca Casinensis seu codicum manuscriptorum qui
in tabulario Casinensi asservantur series per paginas
singillatim enucleata, notis, characterum specimini-
bus ad unguem exemplatis aucta cura et studio m o -
nachorum ordinis S. Benedicti abbatiae Montis
Casini. T. III. Ex typographia Casinensi 1877. 1408,
433 S., 22 Taf. fol.)

Band I und II der Bibliotheca Casinensis find im
erlten Jahrgang der Lit.-Ztg. S. 638 ff. ausführlich be-
fprochen. Alles was dort über die äufsere Geftalt und
Einrichtung des Werks bemerkt wurde, gilt auch von
diefem dritten Bande, welcher fich feinen beiden Vorgängern
in jeder Beziehung würdig anreiht. Wie jene,
zerfällt auch diefer in zwei Theile, deren erfter die ausfuhrliche
Befchreibung der Handfchriften enthält, unter
forgfältiger Angabe des Fundorts der bereits gedruckten
Texte, während im zweiten, dem Florilegium, die Inedita
mit anfeheinend diplomatifcher Genauigkeit abgedruckt
find. Von den 72 diesmal abgehandelten Handfchriften
(Codd. CX—CLXXI) ragt nur eine über das X. Jahrh.
hinauf (Cod. CL, von zwei verfchiedenen Händen, aus
dem VII. oder VIII, refp. dem VI. oder VII. Jahrb.:
,Origcnes et Ambrosius in epistolas Pauli1. Die Abweichungen
diefer Handfchrift vom gedruckten Text find
auf 43 Seiten verzeichnet); 3 gehören dem X. Jahrh. an
(darunter Cod. CXXIII: ,Joscphus de hello Judaico', un-
vollftändig), 32 dem XL, je 5 dem XII. und XIII., 11 dem
XIV., 3 dem XV., 2 dem XVI.

Das Florilegium enthält, abgefehen von zwei jurifti-
fchen Stücken (Cod. CXXV., saec. XI: ,Legnm Justiniani
Imperatoris versio nondum edital und ,Leges civiles quae
in cditis desiderantur1), ausfchliefslich Theologica, und
zwar mein) kirchliche Reden (Homilien, Feftreden u. dgl.)
und Heiligenlegenden. Von erfleren find 15 anonym;
die übrigen vertheilen fich, der Ucberfchrift zufolge,
auf Auguftin (11), Chryfoftomus (5), Beda, Remigius (je 3),
Haymo (2,, Dorotheus, Ephrem, Epiphanius, Joannes So-
litarius, Leo (je 1). Es ift aber bekannt, wie wenig im
allgemeinen auf die Ueberfchriften folcher vereinzelt cur-
firender Schriftftücke zu geben ift; um fo weniger, je
berühmter und gelefener der Autor, welchem fie gelten.
Zu dem S. 119 mitgetheilten , Tractatus S. Augustini
episcopi' bemerken die Herausgeber felbft: ,Ni fallimur,
nihil est in hoc traciatu quod Augustini siylutn sapiah, und
umgekehrt findet fich (was den Herausgebern entging)
der anonyme ,Sermo in festis apostolorum1 S. 10—12 in
Mai's Nova Patrum Bibliotheca I, 118—121 unter dem
Namen Auguftin's edirt.

Auf eine Prüfung des Werthes der ca. 60 Martyrien
und Lebensgefchichten berühmter Kirchenlehrer, welche
hier theils überhaupt, theils in diefer Geftalt zum erften
Male gedruckt erfcheinen, hat Ref. verzichten müffen.
Dafs aber manches intereffante Stück darunter ift, lehrt
fchon eine flüchtige Mufterung an der Hand des dem
Bande am Schlufs angehängten Inhaltsverzeichnifses
(S. 430 ff.) Ohne damit dem Werthe anderer zu nahe
treten zu wollen, fei hier nur ein Beifpiel ausdrücklich
namhaft gemacht. Unter der Ueberfchrift ,Passio S.
Theclae virginis1 verbirgt fich (S. 271—276) eine Ueber-
fetzung der Acta Pauli et Theclae, welche von der bisher

allein bekannten, von Grabe, Spicileg. SS. Patr. I, 120 ff.
aus einer Bodleianifchen Handfchrift edirten lateinifchen
Verfion völlig verfchieden ift, nur dafs fie (abgefehen von
der Uebereinftimmung in einigen Lesarten, befonders in
den Eigennamen), wie jene und die fyrifchen Acten,
mit der Reife Thecla's nach Seleucia und ihrem dafelbft
erfolgten Tode fchliefst, ohne auch nur eine Spur einer
Kenntnifs des Verfaffers von der in der Mehrzahl der
griechifchen Handfchriften berichteten unterirdifchen Reife
nach Rom und dem, was damit zufammenhängt, zu ver-
rathen (vergl. über diefen unechten Schlufs: C. Schlau,
Die Acten des Paulus und der Thecla. Leipzig 1877.
S. 6 f.). Die Ueberfetzung felbft läfst zwar an Treue manches
zu wünfchen übrig, fofern es weder an Auslaffungen
(namentlich mehrerer Eigennamen, welche übrigens, wie
es fcheint, fchon früh in den griechifchen Handfchriften
verdorben waren), noch auch an ausfehmückenden und
erläuternden Zufätzen fehlt; nichtsdeftoweniger wird fie,
weil offenbar aus einer guten Quelle geflolfen, als ein
nicht unwichtiger Beitrag zur Texteskritik diefer Perle
unter den Legenden der alten Kirche gelten dürfen.

Vor dem Mifsgefchick, fchon edirte Texte ohne Noth
dem Florilegium einverleibt zu haben, find die Herausgeber
auch diesmal nicht ganz bewahrt geblieben. Ein
kleineres hierher gehöriges Stück wurde fchon erwähnt.
Von weit gröfserem Umfange als jener Sermon (Auguftin
's?; ift die S. 411-427 aus Cod. CLII abgedruckte
, Vita S. Brendani abbatis', welche vorher fchon zwei
Ausgaben erlebte. Indefs wird niemand den gelehrten
Vätern von Monte Caffino aus der Unbekanntfchaft mit
diefen Ausgaben einen Vorwurf machen, da die eine
derfelben nur in wenigen Exemplaren gedruckt und daher
ziemlich feiten ift [Jubinal, La legende latine de S.
Brandaines. Paris 18364 die andere, in Deutfchland mit
deutfehem Titel erfchienen, jenfeits der Alpen überhaupt
wohl keine fehr weite Verbreitung gefunden hat (Sanct
Brandan. Ein lateinifcher und drei deutfehe Texte, herausgegeben
von Carl Schröder. Erlangen 1871). Auch
mag ja einem künftigen Herausgeber der Vita S. Brendani
diefe Veröffentlichung zu Statten kommen, zumal
da der hier in Betracht kommende Theil des Cod. CLII
dem XI. Jahrh. angehört, während unter den von Schröder
benutzten Handfchriften keine über das XII. hinaufreicht
.

Zum Schlufs fei noch kurz auf ein Ineditum hin-
gewiefen, von deffen Abdruck die Herausgeber wohl
nur feines verhältnifsmäfsig grofsen Umfanges wegen
Abftand genommen haben. Es ift ein, wie es fcheint,
nicht nur noch nirgends gedrucktes, fondern auch überhaupt
völlig unbekanntes Werk des Gegenpapftes Anaklet
(1130—1138) unter dem Titel ,Libcllus distinetionum',
welches im Cod. CLIX [saec. XIII. desin. vel mit. XIV.)
70 Seiten füllt. Da fich aus den mitgetheilten Anfangs-
und Schlufsworten der einzelnen Diftinctionen ein nur
fehr unvollkommenes Bild von dem Inhalt der Schrift
gewinnen läfst, fo wäre zu wünfchen, dafs es den Herausgebern
gefallen möchte, in einem der noch zu erwartenden
Bände der Biblioth. Casin. wenigftens ein gröfse-
res Stück im Zufammenhang zu veröffentlichen; es fei
denn, dafs wir eine Separatausgabe des Ganzen zu erwarten
hätten.

Halle. O. Gebhardt.

Loewe, Prof. Dr. Joh. Heinr., Der Kampf zwischen dem
Realismus und Nominalismus im Mittelalter, fein Ur-
fprung und fein Verlauf. [Aus: ,Abhandlgn. d. k.
böhm. Gef. der Wiff.'] Prag 1876, Kosmack & Neugebauer
in Comm. (92 S. gr. 4.) M. 2. 40.

Der Gegenfatz zwifchen Realismus und Nominalismus
in Betreff der Allgemeinbegriffe wird ftets feine Bedeutung
behalten. Wenn er auch bisweilen nicht an die