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Ausgabe:

1879

Spalte:

241-243

Autor/Hrsg.:

Baudissin, Wolf Wilh. Graf

Titel/Untertitel:

Studien zur semitischen Religionsgeschichte. Heft II 1879

Rezensent:

Kautzsch, Emil

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. ' üpzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich. 16 Mark.

N°- 11. 24- Mai 1879. 4. Jahrgang.

Baudiffin, Studien zur femitifchen Religions-

gefchichte, 2. Hft. (Kautzfeh).
Herzfeld, Handelsgefchichte der Juden des

Alterthums (Kamphaufen |.
Schmiedel, Quae intercedat ratio inter doc-

trinam epistolae ad Hebraeos missae et Pauli

apostoli doctrinam (Weifs).
Uhlhorn, Der Kampf des Chriftenthums mit

dem Heidenthum, 3. Aufl. (Möller).

De Rossi, La Roma Sotterranea Cristiana de-
scritta ed illustrata, T. III (Benrath).

Bardenhewer, Polychronius, Bruder Theodors
von Mopfueflia und Bifchof von Apamea
(Möller).

Hamberger, Die biblifche Wahrheit in ihrer Harmonie
mit Natur und Gefchichte (Herrmann).

Hülfsmittel zum chriftlichen Religionsunterricht
(Wold. Schmidt).

Neffelmann, Haus- und Predigtbuch, chrift-

liche Predigten auf alle Sonn- und Fefttage

des Jahres (Härtung).
Linel, Der moderne Staat und die Ziele des

alten Glaubens (Koehler).
Mücke, Der kirchenpolitifche Kampf und der

Sieg des Staates in Preufsen und im deut-

fchen Reich (Koehler).

Baudissin, Prof. Dr. Wolf Wilh. Graf, Studien zur semitischen
Religionsgeschichte. Heft II. Leipzig 1878,
Grunow. (VIII, 285 S. gr. 8.) M. 8. —
Zu den fünf im 1. Heft der .Studien' vereinigten
Abhandlungen (vgl.Jahrg. 1876, Nr. 15 der Theol. Litztg.)
gefeilen fich hier zwei andere: ,der Begriff der Heiligkeit
im A. T.' (p. 3 — 142) und .Heilige Gewäffer, Bäume
und Höhen bei den Semiten, insbefondere bei den Hebräern
' (p. 145 ff.). Die erftgenannte Abhandlung, die
auf einer erfchöpfenden Berückfichtigung aller einfchlag-
enden Stellen des A. T. beruht (f. das Regifter p. 279
—85), dürfte mit Fug und Recht als eine nahezu endgültige
Löfung der im Thema geftellten Aufgabe zu
bezeichnen fein. Denn was der Verf. mit der ihm eigenen
äufserften Behutfamkeit dabei als noch unentfehieden
gelten läfst, wird es wohl für immer bleiben müffen.
Der I. Abfchnitt (p. 5 ff.) befpricht die bisher gegebenen
Definitionen des Begriffs ,heilig'. Als eine Hauptquelle
mannigfacher Irrthümer wird dabei die ausfchlicfs-
liche Faffung von izimp u. f. w. als eines Prädicats der
Gottheit bezeichnet. Seine eigenen Refultate fafst B.
p. 17 in Kürze dahin zufammen: ,in B-ip liegt die Vor-
ftellung des Unantaftbaren und weiter auch des Aufser-
ordenttichen. Da Jahwe nur Reines geweiht werden
darf, fo kann tfiT» .gottgeweiht' die Bedeutung ,rein'
einfchliefsen; zunächft aber fcheint damit allgemein das
Erhabenfein des Geweihten über das Nichtgeweihte ausgedrückt
zu fein'. Die Forderung an Ifrael, ein hl. Volk
zu fein, oder die Bezeichnung als folches involvirt nicht
irgendwelche Befchaffenheit, fondern lediglich ein Eigen-
thumsverhältnifs zu Jahwe — in diefem Sinne ift alfo
'p richtig als Verhältnifsbegriff erklärt worden. Auf
Gott übertragen bezeichnet .heilig' dcnfelben als unter-
fchieden von allem Irdifchen; auch hier drückt alfo der
Begriff nicht eine befondere göttliche Eigenfchaft, fondern
allgemein das Gottfein aus. Gott heifst der Heilige,
zunächft als der getrennt vom Irdifchen über demfelben
in der Höhe wohnende; weiter, als verfchieden von
Allem, was ihm könnte gleich fein wollen (Begr.
des .Einzigartigen'). Mit der Idee der Heiligkeit als der

d. h. mit der Idee der vollkommenen (phyfifchen wie
fittlichen) Reinheit'. — Diefe Sätze begründet der Verf.
in Abfchnitt II zunächft aus der wahrfcheinlichen Etymologie
von unp. Die Wurzelbedeutung aller verwandten
Stämme führt auf den Begriff des Schneidens, Trennens,
Abfonderns; die Vergleichung mit CJ-in (welche in-
defs dem Referenten ziemlich bedenklich erfcheint)
lege die Vermuthung nahe, dafs «np von vornherein
die Bedeutung .abgefondert fein = rein fein' gehabt
habe , wie es denn von Anfang an fynonym mit ^mt;
gebraucht werde. Dafs aber trotzdem der Begriff der Reinheit
erft ein fecundärer, obfehon nothwendig aus dem
Grundbegriff fliefsender fei, lehre deutlich der Gegenfatz;
diefen bildet zu tihp immer b'nprofanwu, ohne dafs fich mit
letzterem der Begriff der Unreinheit deckte. Vielmehr
ift mit ,rein' nur eine Seite des Heiligen, mit .unrein'
nur eine Seite des Profanen herausgegriffen. Gewifs mit
Recht erklärt übrigens der Verf. (p. 20) fämmtliche Vcr-
balformen des Stammes unp für denominativ von vb~p
oder ■B'np. Dafs die (im A. T. alleinherrfchende) reli-
giöfe Bedeutung des Stammes nicht erft im Mofaismus
entftanden, fondern aus dem weiten Gebiete des Semitismus
herübergenommen fei, zeige der Gebrauch von
Qadefch und Qedrfcha für Hierodulen. Im 3. Abfchnitt
unterfucht der Verf. den altteftam. Sprachgebrauch von
ttäip in der Anwendung auf Sachen (p. 40 ff.), auf Men-
fchen (p. 60 ff), endlich auf Gott und die Engel (p. 78 ff).
Sehr paffend werden dabei die Nominalformen von den
Verbalformen getrennt und bei den letzteren wieder die
einzelnen Conjugationen unterfchieden. In hohem Grade
inftruetiv und überzeugend ift dem Ref. bef. die Erörterung
des Begriffs in der Anwendung auf Gott erfchienen.
Ausgehend von dem Vorftellungskreife des Ezechiel, bei
welchem der Begriff der Heiligkeit faft ganz mit dem
der Gröfse, Macht und Herrlichkeit zufammenfällt, zeigt
der Verf. durch die Analyfe des Sprachgebrauchs einer-
feits das Hereinfpielen des Begriffs der Ueberweltlichkeit,
der in den Mittelpunkt des femitifchen Gottesglaubens hineinführe
, anderfeits die Hinwendung zu dem pofitiven Begriff
des Freifeins von allem Unreinen und Unfittlichen
der Erdwelt. Sehr eingehend wird fodann die Meinung

Erhabenheit über das Irdifche verbindet fich nothwendig ! widerlegt, als ob der pofitive Inhalt des Begriffs in der

die der Macht und Herrfcherftellung ■— jedoch nicht
allgemein als einer Herrfchaft über die Natur oder die
Menfchen überhaupt, fondern nur im Verhältnifs zu
folchen, die fein Wefen als das des heiligen Gottes zu
erkennen vermögen, alfo vor allem im Verhältnifs zu
Ifrael. Der Begriff .heilig' ift fomit auch in feiner AnIdee
des abfoluten Lebens oder in der des liebenden
und fich felbft mittheilenden Bundesgottes gefunden
werden könne. Ganz mit Unrecht wird letzteres bef.
aus bene-' 'p als Gottesnamen gefolgert; vielmehr bezeichnet
auch diefer Name nur das von Ifrael erkannte
Wefen deffen, der Ifraels Bundesgott ift. — Der 4. Abwendung
auf Gott zunächft ein rein negativer. ,Nur an ; fchnitt (p. 126 ff.) enthält eine Ucberficht über die ge
wenigen Stellen, wie in den Heiligkeitsgeboten des Le- j fchichtliche Entwickelung. Bemerkenswerth ift dabei
viticus, beginnt er fich mit pofitivem Inhalt zu füllen, ; befonders die Thatfache, dafs der .Heiligkeitsbegriff der

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