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Ausgabe:

1879 Nr. 10

Spalte:

235-236

Autor/Hrsg.:

Marius, Emanuel

Titel/Untertitel:

Die Persönlichkeit Jesu Christi mit besonderer Rücksicht auf die Mythologien und Mysterien der alten Völker 1879

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Seite 1

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235 Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 10. 236

weit, auf deren Grund Wackernagel (jzuletzt noch in dem
geiftvollen Schriftchen: ,Ueber die erften Und letzten
Dinge. Leipzig 1878.') zu einer wiffenfehaftlichen Begründung
der Hoffnung einer zukünftigen Welt fich zu
erheben verfteht! Voll fittlicher Entrüftung über den
,viehifchen Materialismus' wäre er im Stande gewefen,
feine ganze Kraft für eine teleologifche Naturbetrachtung
einzufetzen und eine nahnonia niuhdi zu erweifen. Was er
gegeben, find nur einige werthvolle Baufteine gewefen.

— Reicher und voller entfaltete fich feine Arbeit auf
pädagogifchem Gebiet. Wiffenfchaftliche Vertiefung in
den Genius deutfeher Sprache reichte hier dem prakti-
fchen Wirken im Unterrichte die Hand, um goldene
Früchte für die Jugend, ja für das ganze Volk zu zeitigen.
Wie wunderlich, dafs dem grofsen Sprachgelehrten gerade
die Frage der deutfehen Orthographie die Exiftenz
erfchweren mufste! — Glanzvoll und ungetrübt liegt
aber die hymnologifche Leiftung des Meiners vor unfern
Blicken. Wie tief fie gefchöpft war, zeigt befonders der
Vortrag vom Kirchentag in Bremen, welcher mit Recht
als charakteriftifcher Anhang beigegeben ift. Es wogt
in demfelben eine Gedankentiefe, welche auch bei Ab-
fchweifungen innerlich feffelt und erquickt, fo dafs
man dem Redner auch die fachlich wohlbegründete, aber
allzu herbe Kampfesweife gegen Albert Knapp vergeben
kann.

Wie manche prächtige Stelle fonft miteinfliefst, z. B.
über Currende S. 7, über den Mechanismus des Schreib-
wefens S. 13, über das junge Deutfchland S. 88, über
Kinderlectüre S. 89, über Glaubensbekenntnifs S. 91 ff. etc.

— fei nur kurz angedeutet. Es ift ein reiches Buch, fchön,
wie Wackernagel's Arbeiten gewefen find und wie fein
geiftvolles Bild uns auch hier zum Eingang der Biographie
entgegenblickt. Dafs einzelnes Stiliftifche ausgefetzt
werden könnte und dafs die Correctur noch eine forg-
fältigere hätte fein dürfen, möge in Wackernagel's Sinn
nicht verfchwiegen bleiben, kann aber unferem herzlichften
Dank gegen den Verfaffer keinen Eintrag thun.

Stuttgart. Lauxmann.

Marius, Dr. Emanuel, Die Persönlichkeit Jesu Christi mit

befonderer Rückficht auf die Mythologien und Myfte-
rien der alten Völker. Leipzig 1879, L. Senf. (VII,
395 S. gr. 8.) M. 6. -

Es giebt wunderliche Leute in der Welt. Davon
ift auch das vorliegende Buch ein fprechendes Documcnt.
Nach der Vorrede will Herr Dr. Emanuel Marius die
Frage unterfuchen: ,Wer ift der erfchienene Jefus der
Chriften und der noch zu erwartende Meffias der Juden?'
Zu diefem Zwecke führt er uns an der Hand von Auszügen
aus Lehrbüchern der Mythologie, Symbolik, Ge-
fchichte u. a. von den Indern und Ghinefen bis zu den
Rothhäuten in Amerika, läfst an uns auch Kirchenväter
vorüberziehen und aufserdem noch ,Denker', deren Reihe
mit Spinoza beginnt und mit Rüge endigt und einen
Anhang in Jac. Böhme und Suedenborg findet, befpricht
Renan und Straufs und drückt dem letzteren trotz mehrfacher
Ausftellungen an feinen Werken doch einen ,Lorbeerkranz
auf fein verdienftvolles Haupt'. Aber was ift
nun das Refultat der unendlich langen Wanderung, die
der Verf. für gut findet feinen Lefern zuzumuthen? —
— Dafs die ,Bibelfcribenten' keine natürlichen, fondern
geiftige Augen- und Ohrenzeugen der von ihnen be-
fchriebenen Begebenheiten find, und die Bibel ein Buch
ift, welches nicht von irdifchen Dingen, fondern von pfy-
chologifchen Veränderungen des Geiftes handelt, und
Chriftus eine hiftorifche Perfon nicht gewefen (S. 293).
Darüber, dafs das ,Pfaffenthum' ihn einen ,Lump', einen
Abfchreiber, einen Bibelverdreher, einen Ketzer, einen
Gottesleugner nennen werde, will der Verf. fich ruhig
tröffen, da er das Bewufstfein habe, ein treuer Verthei-

diger der Wahrheit zu fein (S. 295). — Möge ihm diefes
Bewufstfein recht bald wankend werden!

Lennep. Lic. Dr. Thon es.

Leathes, Stanley, M. A., Die Gründe der christlichen

Hoffnung, eine Skizze der Beweife für das Chriften-
thum. Deutfche autorifirte Ueberfctzung von P.
Friedlein. Leipzig 1879, Pöhme. (X, 213 S. gr. 8.)
M. 2. 50.

,Die Gründe der chriftlichen Hoffnung' nennt fich
die Schrift von Leathes, aber diefer Titel wird erläutert
durch den appofitionellen: ,eine Skizze der Beweife für
das Chriftenthum', fo dafs an eine efchatologifche Verhandlung
nicht gedacht werden kann. Und allerdings
findet fich in dem Buche auch nur ein Theil desjenigen
Stoffes, der in der nummernreichen apologetifchen Literatur
, welche unfer Vaterland in den letzten Jahrzehnten
hervorgebracht hat, mannigfaltig behandelt worden ift.

Wie die Vorrede fagt, hat der Verf. einer Aufforderung
der Religious Tract Society mit feiner Schrift
Folge leiften und beweifen wollen: 1) dafs die Literatur,
auf welcher das Chriftenthum als Offenbarung ruhe, fich
nach Art und Entftehungsweife von Allem unterfcheide,
was; mit ihr verglichen werden könne —• in diefer Beziehung
zieht der Verf. nachher Confucius, Buddha, die
Vedas und den Koran zur Vergleichung herbei —, und
2) dafs die Jefu von Nazareth in diefer Literatur ange-
wiefene Stellung fo beftimmt und bemerkenswerth cr-
fcheine, dafs die Offenbarung Gottes, wenn irgendwo in

der Menfchheit, gewifs in ihm zu finden fei.

Der Unterzeichnete kann nicht fagen , dafs diefer
beabfichtigte Beweis fich durch befondere Vorzüge vor
anderen ähnlichen derartigen Verhandlungen auszeichne,

| und verfteht es nicht ganz, warum eine deutfche Ueber-
fetzung der englifchen Schrift angefertigt worden. Aller

! mögliche Stoff wird in derfelben flüchtig geftreift; aber es

j fehlt durchaus trotz einer ftattlichen Anzahl von Ca-
pitcln und Abfchnitten an Gründlichkeit, Ordnung und

j Klarheit. Oft werden auch biblifch-kritifchc Fragen berührt
, und zur Charakterifirung des Standpunktes des
Verf.'s in diefer Beziehung möge nur der auf S. 9 fich
findende Satz angeführt werden: ,Dicfc (die erfte Abtheilung
des A. T.) wird von der Ucberlieferung dem
Mofe zugefchrieben und ohne Zweifel mit gutem Recht.
Es ift nicht zu viel gefagt, dafs die Echtheit des Penta-
teuchs im Allgemeinen durch das Dafein der übrigen
Theile des alten Teftaments verbürgt wird'. — Wir
müffen es uns vertagen, und es wäre auch nicht lohnend,
in Einzelnes näher einzugehen, aber wer der deutfehen
apologetifchen Literatur einigermafsen gefolgt ift, wird
durch die Leetüre diefer englifchen Schrift in feinen
Kenntnifsen nicht wefentlich bereichert werden. Diefes
Urtheil foll freilich die Anerkennung nicht ausfchliefsen,
dafs hie und da in dem Buche auch bemerkenswerthe
Gedanken ausgefprochen werden.

Lennep. Lic. Dr. Thönes.

Bibliographie

von Dr. Caspar Rene Gregory.
jDeutfcbe (Literatur.

Ebrard, A., Die Glaubwürdigkeit der Gefchichte Jefu u.

das Alter der neuteftamentl. Schriften. [Sammlung v.

Vorträgen, hrsg. v. W. Frommel u. F. Pfaff. I. Bd. 4.

Heft.] Heidelberg, C. Winter. (39 S. 8.) — 80.

Holzweifsig, F., Grundrifs der Kirchengefchichte. De-

litzfch, Pabft. (61 S. gr. 8.) — 80.

Mach, F. J., Grundrifs der Kirchengefchichte f. Gymnafien

u. andere höhere Leb ranftalten. Regensburg, Manz. (XII,

222 S. gr. 8.) 2. 60.