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Ausgabe:

1879 Nr. 9

Spalte:

201-203

Autor/Hrsg.:

Pélagaud, E.

Titel/Untertitel:

Etude sur Celse et la première escarmouche entre la philosophie antique et le christianisme naissant 1879

Rezensent:

Overbeck, Franz

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 9.

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gerade. Dort heifst es, wir feien gezeugt durch das
Wort der Wahrheit; nun foll aber doch die Taufe das
Mittel der Wiedergeburt fein. Was beginnen? Zunächft
wird conftatirt, dafs diefelbe Schwierigkeit bei Petrus
(1, 23) und bei Paulus (1 Cor. 4, 15) vorliegt, die doch
fonft die Taufe als Gnadenmittel kennen. Nun die
Löfung. Nach Act. 8, 12 glaubten die Samaritaner und
liefsen fich taufen, nach v. 14 wird dies zufammengefafst
in den Begriff der Annahme des Wortes Gottes, alfo
ift in der Schrift ,Wort Gottes' das Wort und die Taufe,
alfo ift in all jenen drei Stellen das Wort mit Ein-
fchlufs der Taufe gemeint, q. e. d. (S. 333 f.)

Dafs dies Buch von 336 S. mit feinem Citatenballaft
und feiner fchwerfälligen fcholaftifchen Methode fehr viel
Beifall finden werde, glauben wir nicht. Es zeigt aber
aufs Neue, dafs man viel gelefen und fich viel und ernft-
lich mit biblifchen Dingen befchäftigt haben kann, ohne
doch von den einfachften Bedingungen wiffenfchaftlicher
Behandlung eine Ahnung zu haben.

Berlin. Dr. Weifs.

Pelagaud,E., Etüde sur Celse et la premiere escarmouche
entre la Philosophie antique et le christianisme naissant.

Lyon 1878, H. Georg. (XIX, 461 S. gr. 8.) M. 6. —

Der Verf. hält Celfus für ein Mitglied der römifchen
Ariftokratie der Kaiferzeit und einen leidenfehaftlichen
Vertheidiger ihres religiöfen und politifchen Conferva-
tismus. Hiernach ftellt er in 2 einleitenden Büchern den
Charakter der Religion Roms (S. 3—53; und die römifche
Religionsgefetzgebung (S. 54—98) dar. Dann folgen in
8 Büchern Unterfuchungen über die Ausbreitung des
Chriftenthums im Abendlande, die Perfon des Celfus,
fein Verhältnifs zu Lucian und feine philofophifche Bildung
, die Zeit feiner Streitfchrift gegen die Chriften, ihre
Erhaltung und ihren Gang, ihre Quellen und ihre Grund-
anfichten. Für deutfehe Lefer lteht das Intereffe, welches
diefes Werk nach dem Keim'fchen für fie noch
haben kann, zu feinem Umfang in keinem Verhältnifs.
Aber auch in Frankreich kommt es nach dem Werke
Aube's, welches den Lefern diefer Zeitfchrift im vorigen
Jahrgang (Nr. 22) angezeigt wurde, zu fpät, und man kann
nur bedauern, dafs der Verf. feine Arbeit, als er mitten
darin von der Abficht Aube's mit Celfus unterrichtet
wurde (S. 269), nicht mindeftens einfhveilen zurückge-
ftellt hat. Sie hat uns in der That nichts Richtiges
mehr zu fagen, was nicht ungleich ftrenger methodifch
und überzeugender bei Aube zu lefen wäre, und was fie
an Eigenthümlichkeiten bietet ift gröfstentheils von fehr
zweifelhaftem Werthe. Recht überflüffig ift fchon die
Einleitung, bei welcher überdies der Lefer, der Pela-
gaud's Anficht über das angebliche Römerthum des
Celfus noch nicht kennt, zunächft gar nicht einmal erkennt
, was er hier damit will. Was er aber bei diefer
Gelegenheit vorträgt, ift anderwärts, namentlich auch
von franzöfifchen Schriftftellcrn, fchon viel gründlicher
dargeftellt worden, und über die älteften Chriftenver-
folgungen finden fich hier Anflehten von einer Verworrenheit
, die zumal bei des Verfaffers Bekanntfchaft mit
dem erften Bande des Aube'fchen Werkes (S. 115 ff.)
unbegreiflich find. Man lefe feine Ausführungen über
die neronifche und domitianifche Verfolgung (S. 115 ff-),
feine Polemik gegen Renan's Anficht von der Feind-
fchaft des Regiments der Antonine gegen die Chriften
(S. 120), feine Behauptungen über den rein tumultuari-
fchen Charakter der Verfolgung des Jahrs 177 und über
Marc Aurel's Verhalten zu den Chriften (S. 144. 179.
209), feine Bemerkungen über das trajanifche Edict
(S. 181), um fich davon zu überzeugen, dafs dem Verf.
die Grundeinfichten Aube's verfchloffen geblieben find,
wie er denn auch eigenfte Irrthümer ohne Weiteres der
,critiqnc modernd unterlegt (S. 142. 210). Dafs ihm auch
von der eigenthümlich chriftlichen Betrachtung der Verfolger
des 2. Jahrhunderts nichts aufgegangen ift, zeigt
j fich S. 118 f. Doch laffen wir die zahlreichen Monita,
I zu welchen in diefer Einleitung Unkenntnifs und Selt-
famkeiten des Verf.'s Anlafs gäben, bei Seite und gehen
wir zur Behandlung feines eigentlichen Themas über,
fo ift zunächft im Allgemeinen anzuerkennen, dafs der
Verf. fich darauf tüchtig vorbereitet hat, wenn auch
Einzelheiten, wie die Behauptung der Gleichzeitigkeit
Marcion's mit der Abfaffung von Irenäus' adv. haereses
(S. 195), der Gebrauch der Cohortatio ad gentes als eines
Werkes des Juftin (S. 417) und der Schlufscapitel des
Briefs an Diognet als eines urfprünglichen Bcftandtheils
diefes Briefes (S. 272), die Anerkennung des Hieronymus
als eines felbftändigen und vollgültigen Zeugen für
Verhältnifse des 2. Jahrhunderts (S. 123 f.) zeigen, dafs
diefe Vorbereitung fich innerhalb ziemlich enger Grenzen
gehalten hat. Unter den neuen Entdeckungen aber,
welche der Verf. uns über Celfus und_ fein Werk dar-
I bieten zu können meint, ift wenig Stichhaltiges. Dafs
Celfus in Rom fchrieb, hat fchon Keim behauptet.
Pelagaud macht daraus einen Grundgedanken feines
Buchs, hat aber Keim's nichts weniger als ftarken Beweis
nur um einige Nichtigkeiten verbreitert (S. 167 ff.).
Man findet hier Argumentationen, bei welchen das
alexandrinifche Judenthum vergeffen ift (S. 169 f.), oder
moralifcheKritik der heidnifchen Mythologie für etwas fpe-
eififeh Römifches zu gelten hat (S. 171 ff.). Statt aber nun
die nur mögliche römifche Herkunft des Celfus immer
j unbedenklicher als Thatfache zu behandeln und darauf
weitere Vermuthungen zu bauen (S. 197 f. 295. 307.
398.413), hätte fich der Verf. durch den Schlufsabfchnitt
feines Werkes auf den Mangel an Beziehung feiner Erörterungen
über römifche Denkweife zur Schrift des Celfus
aufmerkfam machen laffen follen. Hier nämlich, wo
der Verf. bei Darfteilung der Grundanfchnuungen des
,wahren Worts', unter dem beftimmenden Eindruck der
eben ausführlich vorgelegten Schrift flehend, im Wcfent-
lichen richtig ihren Piatonismus und ihre metaphyfifche
Rechtfertigung des Beftehenden befchreibt, findet er
felbft kaum noch Gelegenheit auf feine einleitenden Ausführungen
über die römifche Religion einen Rückblick
zu werfen. Ueberhaupt ift es ein Fehler des Verf.'s, zu
viel neben dem Gegenftande feiner Betrachtung ftatt
innerhalb feiner Schranken'zu denken, daher fich feine
Einfälle gelegentlich völlig ins Leere verirren. Z. B.
wo er fich über den Einflufs des Celfus auf feine Zeit
ausläfst (S. 249), von welchem man bekanntlich genau
nichts weifs. Hierher gehören aber auch die Annahmen
des Verf.'s über perfönliche Beziehungen des Celfus zu
Marc Aurel und die darauf gegründete Vermuthung, fein
Werk beruhe auf einem Auftrage diefes Kaifers (S. 209 f.).
Kaum discutirbarer ift die Bekanntfchaft des Celfus mit
- Juftin's apologetifchen Schriften, welche der Verf. be-
I hauptet (S. 146. 398. 413 ff.). Beachtenswerth ift hier
nur die Hervorhebung gewiffer Berührungen der Evan-
geliencitate Juftin's und des Celfus in ihren Eigenthümlichkeiten
, wiewohl fchon unter den Thatfachen, die der
| Verf. hier zufammenftcllt, manches abzuziehen wäre. So
wird z. B. bei den Stellen des Celfus über den Abfall
I und die Verleugnung der Jünger Jefu (bei Orig. II, 9.
39- 45) durchaus nicht mit dem Verf. (S. 417) fich an
Juftin {Dial. c. 53. 106) denken laffen, wenn man Orig.
II. 18 beachtet. Doch den vom Verf.. hier behaupteten
Thatbeftand auch ganz zugeftanden, fo würde er doch
noch keine Abhängigkeit des Celfus von Juftin zu begründen
hinreichen, und was der Verf. für diefe Abhängigkeit
fonft anführt (S. 417 ff.) läfst fich wiederum gar
nicht ernft nehmen. Was insbefondere aus der Lesart
ini tfj y.oloy.vvtf!, die er S. 417 Orig. VII, 53 verthei-
digt (früher übrigens felbft verworfen hat S. 367), für
eine Abhängigkeit von Juftin. Dial. c. 107 zu folgern
fein foll, ift fogar ganz unverftändlich. Was die Erhaltung
der Schrift des Celfus betrifft, fo hat der Verf. ganz

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