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Ausgabe:

1879 Nr. 9

Spalte:

200-201

Autor/Hrsg.:

Caspers, A.

Titel/Untertitel:

Der Taufbegriff des Neuen Testaments exegetisch entwickelt 1879

Rezensent:

Weiß, Bernhard

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199

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 9.

200

Berte, was über diefen Gegenftand gefchrieben worden
ift, und eine höchft willkommene Ergänzung zu den
Werken von Preller (Römifche Mythologie), Friedländer
(Darftellungen aus der Sittengefchichte Roms,
3. Bd.), Boiffier (La religion romaine d'Auguste aux
Antonius, 2 Bde. 1874) u. A. In der anfpruchslofen Form
einer knappen Zufammenftellung des Thatfächlichen
wird hier doch fehr anfchaulich gezeigt, welche gewaltigen
Umwandlungen das römifche Religionswefen von
feinen erften Anfängen an bis zu feinem Untergang erfahren
hat. Zuerft ift es das Eindringen der griechifchen
Culte, welches eine wefentliche Umgeftaltung der ur-
fprünglichen römifch-fabinifchen Anfchauungen zur Folge
hatte. Dann aber, in der Kaiferzeit, lind es namentlich
die orientalifchen, befonders die ägyptifchen und perfi-
fchen Culte: Ifis, Serapis, Mithras u. A., welche eine
ganz aufserordentliche Verbreitung fanden und die
urfprünglichen römifchen Gottheiten immer mehr in den
Hintergrund drängten. Nicht nur in den Provinzen,
fondern auch in Rom felbft fanden fie zahlreiche Verehrer
und gaben dem römifchen Religionswefen allmählich
ein ganz anderes Gepräge. Zweierlei ift es aber,
was all' diefen Gottheiten gemeinfam und eigenthümlich
ift: ,einerfeits die überall ausgefprochene Forderung
einer monotheiftifchen Verehrung, an-
dererfeits die Forderung der Bufse und fittli-
chen Reinigung' (S. 84). — Wir heben gerade diefen
Punkt befonders hervor, weil er am meiften geeignet ift,
einen noch immer weitverbreiteten theologifchen Irrthum
zu berichtigen. Man hört und lieft auch heutzutage
noch immer, dafs um die Zeit der Religionswende die
heidnifchen Religionen verfallen und das religiöfe Leben
im Heidenthum erftorben gewefen fei. Dies ift
nur infofern richtig, als allerdings die echt griechifchen
und römifchen Culte an Anziehungskraft verloren hatten.
Das religiöfe Leben aber war gerade in der Zeit, in
welche hauptfächlich die Ausbreitung des Chriftenthums
fällt: im zweiten Jahrhundert n. Chr., auch im Heidenthum
lebendiger und reger als je. Und das Chriften-
thum hatte gerade an jenen orientalifchen Culten einen
in manchen Beziehungen verwandten und eben darum
gefährlichen Rivalen. Denn der monotheiftifche und
ethifche Zug, der das Chriftenthum auszeichnet, eignete
bis zu einem gewiffen Grade auch jenen. Auch fie
kamen einem ähnlichen religiöfen Bedürfnifse entgegen,
wie das Chriftenthum. Wenn alfo letzteres doch den
Sieg davon getragen hat, fo hat es dies nicht der Er-
ftorbenheit des Heidenthums, fondern feiner inneren Ueber-
legenheit über die verwandten Strömungen in dem religiöfen
Leben der damaligen Zeit zu danken.

Auf die allgemeine Ueberficht über die Epochen
der römifchen Religionsgefchichte läfst Marquardt in
fpecieller Darfteilung folgen: Die ,Organifation des Got-
tesdienftes'(118—226) und ,Die einzelnen Priefterthümer'
(S. 227—461). Abgefehen von den z. Th. intereffanten
allgemeinen Parallelen, die fich hier zwifchen dem heidnifchen
und dem altteftamentlich-jüdifchen Cultus ergeben
, find es befonders eine Reihe einzelner Punkte,
welche die Aufmerkfamkeit des Theologen verdienen.
Vor allem fei hingewiefen auf den Abfchnitt über die
religiöfen Genoffenfchaften oder die collegia (S. 131—142).
Nach dem grundlegenden Werke von Mommfen (De
collegiis et sodaliciis Romanorum 1843) ift diefer Gegenftand
in neuerer Zeit mehrfach ausführlich behandelt
worden, zuletzt von Boiffier {La religion romaine II,
274 ff.) und De Roffi {Roma sotterranea T. HI, 1877).
Und es haben auch Theologen angefangen, ihm die gebührende
Aufmerkfamkeit zu fchenken (vgl. Heinrici's
Auffätze über die Chriftengemeinde Korinths in Hilgen-
feld's Zeitfchr. f. wiffenfch. Theol. 1876, IV und 1877, I).
Aber noch immer ift es nicht überflüffig, daran zu erinnern
, dafs nur innerhalb des Rahmens jener collegia
auch das Judenthum und das Chriftenthum fich in Rom

und im römifchen Reiche anfiedeln konnten, und dafs
man jenen Rahmen kennen mufs, um die rechtliche
Stellung der Chriften im vorconftantinifchen Zeitalter zu
verliehen.

Von anderen Gegenständen, die für den Theologen
von befonderem Intereffe find, feien nur kurz noch erwähnt
dieAbfchnitte über: die Wahrfagerei (S. 89 ff.), die
Zauberei (S. 103 ff.), die fibyllinifchen Bücher (S. 336 ff.)
und namentlich auch der über den Kaifercultus (S. 443 ff.).
Letzterer war ja wenn nicht der einzige, fo doch def
wefentlichfte Grund des Conflictes zwifchen dem Chriftenthum
und dem römifchen Staate. Es ift daher eine
genauere Kenntnifs der Organifation und der Bedeutung
diefes Cultus auch für den Kirchenhiftoriker unentbehrlich.

Giefsen. E. Schürer.

Caspers, Kirchenpropft Hauptpaft. A., Der Taufbegriff
des Neuen Testaments exegetifch entwickelt. Brecklum
1877, Chriftliche Buchhandlung. (XVI, 336 S. gr. 8.)
M. 3- -

Der Verf. meint mit diefem etwas fonderbaren Titel
die Neuteftamentliche Lehre von der Taufe; da man
aber von verfchiedenen Lehrbegriffen zu reden pflegt,
fo behandelt er gefondert den Taufbegriff des Evang.
Matthäus, Marcus, Lucas, Johannes, des Apoftel Paulus
, Petrus und fogar ,den Taufbegriff St. Jacobi'. Natürlich
ift diefer ,Taufbegriff' immer ein und derfelbe,
nämlich der des Luther'fchen Katechismus; es handelt
fich alfo in feinen einzelnen Abfchnitten nur um die in
jedem der Evangelien oder bei den verfchiedenen NTlichen
Schriftftellern von der Taufe handelnden Stellen, die in
immer neuen Abtheilungen und Unterabtheilungen ausführlich
befprochen werden. Natürlich können dabei
endlofe Wiederholungen nicht ausbleiben, zumal der
Verf. nach feiner Art der Exegefe es verlieht, jedem
Worte die Antwort auf alle Fragen zu entlocken, die
ihm irgend wichtig find. So wird aus Matth. 28, 19,
womit er beginnt, bereits die Entfcheidung über fall alle
erdenklichen Fragen erholt, die fich irgend an die Taufe
knüpfen laffen, über Laientaufe, Ketzertaufe, Kindertaufe
etc. Nachdem er aus der Kirchengefchichte er-
wiefen, dafs die Kindertaufe apoftolifchen Urfprungs fei,
wird es ihm natürlich nicht fchwer, eine ftattliche Reihe
von Beweifen für ihre Möglichkeit und Notwendigkeit
aus allen ,Taufbegriffen' der Schrift beizubringen, wozu
felbft die Empfängnifs Chrifti, Jairi Töchterlein und die
Kananäerin mithelfen müffen. Von der Art feiner Beweife
nur Ein Beifpiel: Nach 1 Cor. 10, 2 wurden alle Israeliten
getauft. Zu diefen Allen gehörten nach Exod. 12,
37 auch die Kinder. Wurden aber in der vorbildlichen
Taufe Kinder getauft, fo ift die Kirche berechtigt'und
verpflichtet Kinder zu taufen (S. 292 f. .

Der Verf. hat eine Art von fcholaftifcher Exegefe,
welche überall die fpinöfeften Fragen aufzuwerfen weifs,
aber ihre Löfung wird feiten auf exegetifchem Wege
geflieht. Oft verläuft feine Betrachtung fich ganz und
gar in Excerpten, die er aus einem ungeheuren patri-
ftifchen, dogmenhiftorifchen, fymbolifchen und exegeti-
fchen Material allezeit bei der Hand hat. Dafs diefelben
immer fehr gründlich durchgearbeitet lind, will ich nicht
behaupten, aber eine achtungswerthe Bclefenheit zeigt
der Verf. Wo er felbftändig exegefirt, operirt er überall
mit fertigen dogmatifchen Begriffen, nach denen er
fich die Schriftftellen zurechtlegt. Paffen fie nicht, fo
wird diftinguirt in gut fcholaftifcher Weife zwifchen Glaube
und Glaube, Evangelium und Evangelium, Geiftcsmit-
theilung und Geiftesmitthcilung, oder das Nöthige von
irgendwo her fuppeditirt. Wieder ein Beifpiel und zwar
aus dem Tauf begriff St. Jacobi, der unferen Lefern am
intereffanteften fein wird, weil ihres Erinnerns im Jaco-
busbrief die Taufe nicht erwähnt wird. Das ift es aber