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Ausgabe:

1879 Nr. 8

Spalte:

182-183

Autor/Hrsg.:

Körner, Ferd.

Titel/Untertitel:

Die kursächsische Staatsregierung dem Grafen Zinzendorf und Herrnhut bis 1760 gegenüber 1879

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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!8i Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 8. 182

der Keime, der Bedingungen der Verbreitung etc. be-
fchränken muffen. Dafs der Verf. Manches nur andeutet,
deffen Ausführung dem Kirchenhiftoriker von Intereffe
wäre, lag in der Befchränktheit feiner Aufgabe. Einiges
möchte Tch z.ur Berichtigung refp. Ergänzung bemerken:
,Das merkwürdige Schaufpiel, wenige Jahre vor der Reformation
die ganze Nation in einem Raufch der Be-
o-eifterung für die heilige Anna zu fehen' (S. 84), hat
mit der Bewegung von 1501 nichts zu thun, datirt vielmehr
von den die hnmaculata coneeptio begünftigenden
Bullen Sixtus' IV. von 1477 und I483. In der Verehrung
der unbefleckt Empfangenen und confequenter Weife
auch ihrer Mutter wetteiferten feitdt m Eranciscaner und
Auguftiner, — freilich nicht der Auguftiner Lange, der
Freund Luther's, den Gothein cigenthümlicher Weife
zum Verfaffer des Chronicon Citzense (S. 84. 107) macht,
während dies doch von einem Benedictiner Paul Lange
'vgl. Adelung, Directorium S. 162. Nr. 550) herrührt.
Von der Gefchichte des hl. Bluts in Sternberg (S. 86)
hat Lifch in Jahrbb. d. Ver. für Meklenb. Gefch. 1847
eine actenmäfsige Darfteilung geliefert. Sehr zu bedauern
ift, dafs dem Verf. die Schriften des Auguftiners
Joh. v. Paltz, des hauptfächlichften Ablafspredigers und
Werkzeuges des Cardinal Raimund entgangen find. Er
würde daraus erfehen haben, dafs allerdings Raimund
im Wefentlichen der Erfinder des uns von Tetzel her
bekannten Ablafsceremoniells war, und dafs feine Annahme
, ,dafs trotz der materiellen Noth jener Jahre von
keiner Seite ein Widcrfpruch gegen den Ablafs, ein
Zweifel an feiner Nothwendigkeit erhoben wurde' (S. 117),
eine gänzlich irrige ift, ja dafs vielmehr, wie ich foeben
an anderer Stelle dargethan, die üppofition gegen den
Ablafs aus religiöfen wie nationalökonomifchen Gründen
eine fehr ftarke war (vgl. Paltz, supplevi. Coclifod.). Die
Angaben über die Art und Weife, wie der Cardinal die
herrfchende Wunder- und Reliquienfucht des Volkes zu
benutzen verftand, könnten leicht vermehrt werden.
Einer feiner Ablafsprediger, der Minorit Joh. Capet, gab
in feinem Auftrage einen wahrfcheinlich zu Köln gedruckten
die Kreuzwunder betreffenden Tractat heraus
(Determi/iatio seil opinio fratris Johannis Capet ordinis
niinorum de obseruantia sacre theoiogie doctoris super cru-
eibus etc. per prcceptiim R. Domini Gnrcoisis Cardinalis et
legati de latere doctoris eiusdem facultatis doctissi/ui),
ebenfo einen andern über die Ausdehnung des Ablaffes
aufs Fegefeuer; auch die Legende von der hl. Barbara
liefs Raimund 1500 zu Köln drucken, ut distri-
bueret gratis diuersis personis et ecclesiis quibus dedit
Reliqitias, wie das mit feinem Wappen gezierte Titelblatt
angiebt iL f. w. Zur Reiferoute des Cardinais (S.
119) bemerke ich, dafs er nach einem Briefe an Paltz
am 5. Mai 150' in Bonn und nach einer Urkunde des
Erfurter Auguftinerklofters (Arch. zu Magdeburg) noch
am 27. Nov. desfelben Jahres in Erfurt war. — Was die
verfuchte Erklärung der Wallfahrtsbewegung von 1475
und 76 (S. 8 ff.) betrifft, fo vermag ich dem Verf. nicht
ganz beizuftimmen. Die von ihm nachgewiefene hochgradige
Exaltation des Volkes infolge der burgundifchen
Kriege kann wohl einen Erklärungsgrund für die Krankhaftigkeit
des Wallfahrtsdranges, nicht aber fo unmittelbar
wie Gothein will, für diefen überhaupt abgeben.
Dazu bedurfte es eines Mittelgliedes, das ihm entgangen
ift, das ift das Jubiläum von 1475.

Marburg. Th. Kol de.

Hoffmann, Fridolin, Geschichte der Inquisition. Einrichtung
u. Thätigkcit derfelben in Spanien, Portugal,
Italien, den Niederlanden, Frankreich, Deutfchland,
Süd-Amerika, Indien und China. Nach den beften
Quellen allgemein fafslich dargeftellt. 2. Bd. Bonn
1878, Neuffen (IV, 466 S. gr. 8.) M. 6. —

Der erfteBand diefes Werkes ift in Nr. 10 des vorigen
Jahrgangs befprochen worden und das dort zur Charak-
teriftik Gefagte pafst vollftändig auch auf diefen Schlufs-
band. Derfelbe behandelt die Inquifition in den fpani-
fchen Niederlanden, in Spanifch-Amerika, Portugal, Oft-
indien, Italien und Deutfchland. Dabei find einzelnen
Pcrfonen oder auch Begebenheiten noch befondere Ca-
pitel gewidmet, fo z. B. Molinos und den Quietiften,
dem Erzbifchof de Dominis und befonders Galilei. Den
Fleifs des Verf.'s mufs man auch hier anerkennen. Er
hat viel gefucht und manches an's Licht gezogen; befonders
das britifche Mufeum hat ihm erwünfehte Ausbeute
gegeben. Daher darf man auch für die Kirchen-
gefchichtc feine für ein grofses Publicum berechnete
Arbeit nicht unbeachtet laffen, vgl. z. B. S. 123. Dafs
er jedoch für feine Darftellung überall der rechten Gründlichkeit
fleh befliffen habe, kann man nicht fagen; vgl.
z. B. das S. 37 über die Spanier auf dem Tridentinum
und das S. 102 über die Thomaschriften Bemerkte.
Weit mehr aber ift noch feine Schreibweife zu tadeln.
Sie mufs als eine vielfach recht unedle, unwürdige bezeichnet
werden, und einer folchen foll man fleh auch gegen
fchlimme Gegner nicht bedienen. Ausdrücke, wie ,ver-
pfaffte Fürften' S. 10, .priefterliche Elephantenkälber'
S.347, wird man inanftändigenSchriften fonft nicht zulaffen,
und ebenfo wenig folche Unwürdigkeiten, wie fie S. 54
Z. 3 v. u., S. 235 Z. 1 v. u., S. 316 oben, S. 349 Z. 3
v. u., S. 403 Z. 2 v. u. zu lefen find. Derartiges macht,
abgefehen noch von der oft ganz unerträglichen Breite,
die Leetüre des Buches zu einer fehr unerquicklichen,
und wird dem Zweck des Verf.'s., das heillofe Treiben
der Inquifition recht Vielen vor die Augen zu führen,
fchaden. Das ift zu bedauern; denn es wäre gut, wenn
man fleh allgemeiner diefer Thatfachen, die durch die
Jahrhunderte hin den chriftlichen Namen gefchändet
haben, erinnerte und fleh darüber klar würde, dafs derfelbe
Geift, der einft dazu trieb, noch heute in der römi-
fehen Kirche lebt und fle beherrfcht. Rom hat noch
niemals jene Unthaten beweint; wenn es etwas beweint,
fo ift es dies, dafs es diefelben nicht mehr wiederholen
k.anns— propter iniquitatem temporum. — Schade, dafs
ein fo reiches Material in keine befferen und gefchick-
teren Hände fiel.

Erlangen. G. Plitt.

Körner, Kirchenrath Dr. Fcrd., Die kursächsische Staatsregierung
dem Grafen Zinzendorf und Herrnhut bis 1760
gegenüber. Nach den Acten des Hauptftaatsarchivs
zu Dresden dargeftellt. Leipzig 1878, B. Tauchnitz.
(119 S. gr. 8.) M. 4. —

Eine kleine, aber recht lehrreiche Schrift, für welche
man dem Verf. zu aufrichtigem Danke verpflichtet ift.
Bisher war man für die Zwiftigkeiten, welche zwifchen
der fächflfehen Staatsregierung einerfeits und Zinzendorf
und der Brüdergemeinde andererfeits beftanden, vorwiegend
auf herrnhutifche Quellen angewiefen und dadurch
ift in die gewöhnliche Darfteilung diefer Verhält-
nifse eine gewiffe, befond ers der Pcrfon Zinzendorf's zu
günftige Einfeitigkcit gekommen. Der Verf. gewährt
die Möglichkeit des audiatur et altera pars. Er hat die
ihm zugänglichen fächflfehen Staatsarchive genau für
die in Rede flehenden Vorgänge durchforfcht und bietet
nun, was er gefunden, in zufammenhängender Erzählung
welcher er.viele Quellenauszüge eingeflochten hat. Er