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Ausgabe:

1878 Nr. 7

Spalte:

170-172

Titel/Untertitel:

Wissenschaftliche Vorträge über religiöse Fragen 1878

Rezensent:

Krauss, Alfred

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169

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 7.

170

jetzt öfters auch auf Kant und A. Lange beruft. Das
Schlufswort über Biedcrmann's Dogmatik ift jetzt weggeblieben
; im Texte und den Noten ift eine Bezugnahme
auf diefelbe (aufser wo fie fchon in der erften Auflage
fleh fand) ebenfo wie auf das Lehrbuch des Unterzeichneten
und auf Schenkel's Grundlehren grundfätzlich un-
terlaffcn, weil der Verf. dann, wie er fagt, die betreffenden
Schriften ,faft auf allen Blättern' hätte erwähnen
müffen. Doch kommen von diefer Regel einige Ausnahmen
vor. Die Paragraphenzahl ift unverändert geblieben
; neu eingefügt ift indeffen der in der 1. Auflage
überfprungene $ 127. Die Faffung der Paragraphen zeigt
öfters ftiliftifche Aenderungen; erheblicher find die Um-
geftaltungen z. B. $ 29. 122. 124. 143. 155. 169. 171.
172. — Die Anlage des Buches gab dem Verf. öfters Gelegenheit
fleh über Zeiterfcheinungen zu äufsern. Während
manches jetzt Antiquirte geftrichen ift, fällt in der neuen
Auflage manch' fcharfes Wort wider die modernen Lutheraner
und ,die Hoftheologen unfrer Zeit', über ,das
jetzige offizielle Berlin', in welchem man ,von Schleiermacher
aus nur rückwärts nicht aber vorwärts gehen
zu dürfen fcheint'; über die Paftoren, die bei lobender
Erwähnung Schleiermacher's mit den Füfsen fcharren u.
a. m. Auch fonft haben die .nach Links' geführten
wuchtigen Schläge der Schncidigkeit feiner Polemik ,nach
Rechts' hin keinen Abbruch gethan. Während der Verf.
die Straufsifche Behauptung, dafs die Stetigkeit des Natur-
zufammenhangs Gott überflüffig mache, nach Gebühr abfertigt
, weifs er andrerfeits feinen Satz, dafs das fchlecht-
hin Abhängigfein von Gott und von der Naturordnung
Eins und Dasfelbe fei, mit Glück gegen den Vorwurf des
Mechanilirens zu vertheidigen, und redet manch' fcharfes
Wort gegen den .Unbegriff des abfoluten Wunders' und
gegen die .hölzernen Herrlichkeiten der Mirakeltheologie'.
Auch der Gegenfatz gegen die orthodoxe Chriflologie,
als beftimme fie das Wefentliche im Chriftenthum,
gegen ,die metaphyfifche und magifche ErlöTung', gegen
die altreformirte Decretenlehre u. a. m. wird noch
fchärfer betont. Im Ganzen find die Veränderungen gegen
die 1. Auflage jedoch mehr von formeller, als
von fachlicher Bedeutung. Als eine fachliche Fortbildung
ift zu bezeichnen, dafs der Verf. im Religionsbegriffe
jetzt das Moment der Freiheit beftimmter
hervorhebt, als bisher, vgl. § 29: ,die Abhängigkeit
fchlechthin vom Unendlichen ift als Einigung mit diefem
ein Freiwerden vom Endlichen'. In der Lehre von der
Taufe ift noch ftärker als früher geltend gemacht, dafs
die Kindertaufe nur zuläffig, nicht nothwendig fei 172).
Ein längerer Zufatz behandelt ^91, I genauer als bisher
das Vei-hältnifs von Sünde und Uebel. Geftrichen find
im ganzen erften Theil nur zwei oder drei kürzere Sätze.
Weit erheblicher find die Kürzungen im zweiten Theil,
befonders in dem Abfchnitte über die Prädeftinationslehre
und die applicirende Gnade ($$ 138—174). Hie und da
find durch neue Zufätze kleine Unebenheiten des Ausdrucks
entftanden, z. B. $ 18, I das Dogma ,von der unbefleckten
Empfängnifs und Unfehlbarkeit des Papftes'.
Selten ift inzwifchen Antiquirtcs flehen geblieben, wie
wenn $ Iii, 2 die Schrift von Kraufs über die Offenbarung
noch immer als .foeben erfchienen' bezeichnet
wird. S. 185 des erften Bandes ift der Grammatiker
Buttmann aus Verfehen für eine apologetifchc Grofsthat ]
des jüngeren Zumpt verantwortlich gemacht. — Der l
Druck der Paragraphen ift etwas kleiner als in der
1. Auflage; dafür find zu den Ausführungen etwas fettere
Lettern gewählt.
Jena. Lipfius.

Bautz, Lic. Jof., Die Lehre vom Auferstehungsleibe nach
ihrer pofitiven und fpeculativen Seite dargeftellt. 2. u.
3. (Fortfetzung und Schlufs.) Die natürliche und übernatürliche
Vollkommenheit der auferftehenden Leiber.
Paderborn 1877, F. Schöningh. (XII u. S. 153—440.)
M. 3. — (cplt: M. 4. 80.)

Der erftc Theil diefer Schrift, welcher von der Identität
des irdifchen und des Auferftehungsleibes handelt,
ift fchon früher erfchienen und wurde Jahrgang 1877
Nr. 24 p. 648 bereits befprochen. Der zweite Theil handelt
von der natürlichen und der dritte Theil von der übernatürlichen
Vollkommenheit der auferftehenden Leiber.
Im erfteren handelt es fleh um Fragen wie die nach
den Beftandtheilen, dem Alter, der Gröfse etc. des Auferftehungsleibes
, nach feinem vegetativen und fenfitiven
Leben. Es find meift fubtile Erörterungen der Schola-
ftiker, die wiedergegeben und ftellenweife mit Hülfe der
modernen Naturwiffenfchaft berichtigt werden. Die auf-
gcftellten Sätze find eben fo wunderbar wie die dafür
gegebene Begründung. Ucber Blut, Lymphe, Galle und
deren Befchaffenhcit im Aufcrftehungslcib, über Hören,
Sehen, Riechen, Schmecken der Aufcrftandenen wird
hier Befcheid gegeben, nichts der Art bleibt zweifelhaft.
Der dritte Theil befchäftigt fleh mit den vier übernatürlichen
Gaben der auferftandenen Leiber. Es find das die
Leidensunfähigkeit, die Klarheit, die Behendigkeit und
die Durchdringungsfähigkeit. Dicfe Vierzahl wird zuerft
,fpeculativ' abgeleitet, und dann bemerkt der Verfaffer
zu feiner Freude, dafs er fleh in Uebereinftimmung mit
der Schrift und den kirchlichen Autoritäten befindet. Jede
diefer Gaben wird ausführlich befchrieben. Unter den
Beweifen fungiren katholifchc Heiligenlegenden der ab-
ftrufeften Art. Doch thut fleh der Verfaffer gerade wo
er diefe Beweife zuerft einführt etwas zu gut auf feine
Wiffenfchaftlichkeit gegenüber dem-elenden Rationalismus
, der diefe .Thatfachen' nicht zu erklären vermag.

Dem Verftande lächerlich, dem religiöfen Gefühl
anftöfsig legen diefe Erörterungen ein trauriges Zeugnifs
davon ab, wie von einigen katliolifchen Theologen die
Theologie betrieben wird. Es ift geradezu unbegreiflich,
dafs ein vernünftiger Menfch und Chrift dazu kommen
kann, in einem dicken Buch dicfe fcholaftifchen Gedankenreihen
zu wiederholen und alles Ernftes mit Hülfe natur-
wiffenfchaftlicher Erörterungen neu aufzuputzen.

Bafel. J. Kaftan.

Wissenschaftliche Vorträge über religiöse Fragen. Frankfurt
a/M. 1877, Diefterweg. gr. 8. M. 1. 20.

Inhalt: I. Die Gottesidee. Von Kirchenr. Prof. D. R. A.
Lipfius. (IV u. S. 1—15.) — 2. Der chriftliche Glaube an Jefus
und die gefchichtliche Frage des Lebens Jefu. Von D. Herrn.
Schultz. (S. 16—48.) — 3. Reich Gottes und Kirche. Von
Prof. D. K. Koehler. (S. 49—79.)

Das Vorwort belehrt uns, dafs diefe Vorträge im
FTbruar und März 1877 in der deutfeh-reformirten Kirche
zu Frankfurt a. M. gehalten worden find. ,Von den im
Ganzen fechs Vorträgen konnten drei für den Druck gewonnen
werden; die I'ublication der andern ftiefs auf
Schwierigkeiten. Es braucht nicht bemerkt zu werden,
dafs diefe Arbeiten in keinem andern Zufammenhange
mit einander flehen als dem, dafs fie zu dem gleichen
Zwecke gehalten wurden, nämlich die wiffenfehaftliche
Anfchauung des Chriftenthums vor der gebildeten Gemeinde
* zu vertreten. Insbefondere ift keiner der Herren
Verfaffer für Anflehten des andern verantwortlich zu
machen.'

Der erfte Vortrag, über die Gottesidee, ift von Pro-
feffor Lipfius in Jena. Von der Warnung griechifcher
Philofophen und der Reformatoren ausgehend, über
Gottes Wefen an fleh Etwas ausfagen zu wollen, zeigt
der Verfaffer, dafs die Unerkennbarkeit des göttli-