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Ausgabe:

1878 Nr. 7

Spalte:

163-165

Autor/Hrsg.:

Friedrich, J.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Vatikanischen Konzils. 1. Bd. Vorgeschichte bis zur Eröffnung des Konzils 1878

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 7.

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mals die gegen die Hierarchie Kämpfenden eine gevviffe
Unficherheit nicht loswerden konnten, weil Volk und
König von der Zeitvorftellung beherrscht blieben, dafs
dem Papft als dem Stellvertreter Gottes und Chrifti auch
die Oberhoheit über den Staat zukomme, und daher
nur gegen Ausfchreitungen feiner an fich berechtigten
Macht fich empörten, wogegen durch die Reformation
erft das Princip zur Anerkennung gekommen ift, dafs
auch der Staat unmittelbar Gottes Ordnung ift und als
folche fein felbftändiges Recht hat. Doch das find mehr
perfönliche Wünfche, als kritifche Ausheilungen und
hindern nicht, den nach Form und Inhalt anfprechenden
Vortrag auch theologifchen Lefern beftens zu empfehlen.
Leipzig. G. Baur.

ftellers zufammen, der noch zur Sprache kommen mufs. —
Mit gröfserer Ausführlichkeit fchildert er dann das Aufkommen
der Mainzer ultramontanen Partei, ihr Treiben
und ihren allmählichen Sieg in der römifchen Kirche
Deutfchlands. Hier giebt es wieder viel Beachtens-
werthes, deffen Studium man befonders denjenigen
Evangelifchen empfehlen möchte, die durch ihre poli-
tifche Parteiftellung verblendet die römifche Kirche für
ziemlich harmlos halten und fich nicht fcheuen, die
Forderungen derfelben dem Staate gegenüber mehr oder
minder zu vertreten, weil fie fich Kirche nennt, fich auf
das Gewiffen beruft u. f. w. Wer das Verfahren der
ganz römifch gewordenen fog. katholifchen Kirche und
ihrer Parteigänger kennen gelernt hat, wird fich fagen
müffen, dafs hier vielfach mit Chriftenthum und Kirche ein
Friedrich, J., Geschichte des Vatikanischen Konzils. 1. Bd. fchändlichesSpiel getrieben wird, und dafs er als Proteftant
Vorgefchichte bis zur Eröffnung des Konzils. Bonn Deutfcher bei aller Achtung vor frommen

„ ,T rr T „ r. o n n/r o I ,Katholiken'jenes nie und nirgends auch nur im Minderten

1877, Neuffen (XLI, 840 S. gr. 8.) M. 18. - | begünftigen oder rechtfertigen darf. - Des III. Buches

Der erfte ftarke Band diefer neueften Gefchichte des j Inhalt ift ein buntes Allerlei. Der Verf. befpricht hier
Vatikanums umfafst nur die Vorgefchichte des Concils; | agitatorifche Acte des Papftes Pius IX auf dem Gebiete
und der Verf. that recht daran, dafs er fie fo eingehend ; der Lehre und der Verwaltung, die modernen Prophe-
behandelte, denn fie ift für Verftändnifs und Beurtheilung i zeiungen auf die dogmatifche Thätigkeit desfelben Papftes,
der Vorgänge auf dem Concile felbft das Wefentliche , die nicht ohne Einflufs auf ihn geblieben find, die heid-
und Entfcheidende. Er hat den reichen Stoff in vier i nifchen Ausfchweifungen des allmählich aufkommenden
Büchern bearbeitet mit den Ueberfchriften: Vorbereitung 1 Papftcultus, die im Dienfte des Ultramontanismus ge-
des Concils durch Gründung einer ultramontanen Partei fchehende fyftematifche Verfälfchung der Katechismen
in Frankreich S. 1—170; durch Gründung einer neuen j und des ganzen theologifchen Unterrichts in den Ländern
ultramontanen Partei in Deutfchland und der Schweiz j diesfeits der Alpen und die Verwendung der Provinzial-
S. 173—409; befondere zur Vorbereitung des Concils I concilien zur Vorarbeit für das Vatikanum. Er bemerkt
angewendete Mittel S. 413—631; Einleitung des Concils felbft S. 408, es könne Einem das Bedenken auffteigen,
S. 635—806. Im I. Buche beginnt er nach kurzem Rück- , ob bei alle diefem Planmäfsigkeit und bewufste Zweckblick
auf die Zeit vor der Revolution mit dem Concordat ; mäfsigkeit geherrfcht habe; behauptet dann aber, dafs
von 1801, durch welches Napoleon mit der ganzen kirch- | bei den Leitern der ganzen Bewegung, befonders bei
liehen Tradition und Anfchauung von den erften Zeiten > den Jefuiten, folche angenommen werden müffe. Und
an habe brechen wollen. Darauf fei gegen Erwarten er wird im Allgemeinen hiermit Recht haben, wenn-
auch Rom eingegangen. ,Diefes fah darin eine unge- fchon er im Einzelnen vielleicht zu viel thut, wie denn
ahnte Förderung feiner curialiftifchen Beftrebungen und z. B. in die Encyklika vom 9. Nov. 1846 (S. 414) wohl
griff mit beiden Händen nach diefer Gelegenheit, der ! mehr von ihm hineingedeutet wird, als vom Papfte damit
franzöfifchen Kirche mit ihren gallicanifchen Grundfätzen beabfichtigt war. Es enthüllt fich hier vor dem Lefer
den Todesftreich zu verletzen' S. 34. Für letztere Be- ein fchauerlich.es Bild. Jörg hat bekanntlich vor Jahren
hauptung, dafs Pius VII folches von Anfang an bezweckt ■ ein Werk über die vermeintliche Selbftauflöfung des

habe, mangelt es denn doch noch an genügendem
Beweis; es wird das eine Verwechfelung von Abficht und
Erfolg fein; vgl. dazu und dagegen auch noch S. 40—42.
Das Wichtigfte in diefem Buche ift die Schilderung des
Grafen de Maiftre, des Abbe Lammenais und der von
beiden gegründeten Schule, deren Leitung erft Lacordaire
und Montalembert übernahmen, bis fie durch Veuillot,
den Vertreter des ultramontanen Journalismus verdrängt
wurden. Die durch diefe Namen angedeutete Entwicklung
ift die entfeheidendfte in der neueren Gefchichte der
römifchen Kirche gewefen, denn das hier Gefchehende
ward mafsgebend auch für die übrigen Theilc des euro-
päifchen Romanismus; daher ift eine zuverläffige Schilderung
derfelben befonders auch für Proteftanten von
grofser Wichtigkeit. — Der Inhalt des II. Buches berührt
uns unmittelbarer, fachlich aber wiederholt fich in dem-
felben Vieles von dem im vorhergehenden Gefchilderten.
Der Verf. geht zurück auf Weffenberg, den er S. 181 ff.
entfehieden überfchätzt, fo fehr dafs er fogar von einem
,Siege Weffenberg's über das Curialfyftem' redet. Er

Proteftantismus gefchrieben, dies Urtheil mit der Vielheit
der innerhalb des Proteftantismus vorkommenden
Richtungen begründend. Dem gegenüber könnte man
das vorliegende Werk eines ,katholifchen' Schriftftellers
und vornehmlich dies dritte Buch desfelben überfchreiben:
,Die fittliche Verfumpfung der römifchen Kirche'. Die
jetzt dort zur Herrfchaft gekommene Partei erftrebt den
jefuitifchen Cadavergehorfam; der wird aber nur da
geleiftet werden, wo und foweit es gelungen ift, den
kirchlichen Organismus zu einem fittliehen Cadaver zu
machen. — Im IV. Buche endlich kommen die unmittelbaren
Vorbereitungen für das Concil, die theologifchen
wie die diplomatifchen, und auch die hinter den Cou-
liffen gefchehenden, zur Sprache.

So wird dem Lefer ein maffenhafter Stoff in diefem
Bande vorgeführt. Der Verf. hat dem Bande das Wort
des Jefuiten Perrone vorgefetzt: ,Alle Dispofitionen waren
im voraus getroffen und nichts fehlte mehr'. Und wenn
man das Buch durchlieft, fo erhält man allerdings den
Eindruck, dafs dies Motto ein durchaus treffendes war;

fchildert dann in aller Kürze die franzöfifch - belgifchen das Buch dient ihm zur Beftätigung. Infofern ift die

Einflüffe auf Deutfchland, die kölnifchen Wirren und
das Entliehen der Görrespartei. Bei letzterer S. 207
fagt er: ,wenn es fich darum handelt, ihr Verhältnifs zu
der fpäteren und jetzigen ultramontanen Partei zu be-
ftimmen, fo mufs fie als wefentlich verfchieden von
diefer bezeichnet werden'. Das ift doch fehr eine Dar-
ftellung pro domo. Gerade eine wefentliche Verfchieden-
heit befteht zwifchen der älteren und der jetzigen ultramontanen
Partei mit nichten. Doch dies hängt mit einem

Arbeit des Verf.'s als eine gelungene zu bezeichnen.
An Kunft und Feinheit der Darfteilung fteht fie freilich
fehr zurück hinter dem auch in diefen Blättern (Jahrg.
1877, Nr. 25) fchon befprochenen Werke von Nieifen.
Nach der Seite hin ift der Verf. feines Stoffes nicht
Herr geworden, wie fchon die mancherlei Wiederholungen
im Texte und in den Noten bekunden. Von hierher
gehörenden Einzelheiten fei nur erwähnt, dafs der Satz:
wie man es anging, fehen wir u. f. w.' S. 447 u. 733

Mangel in Auffaffung und Urtheil unferes Schrift- eine vielleicht dialektifch begründete, aber dadurch nicht