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Ausgabe:

1878 Nr. 7

Spalte:

161-162

Autor/Hrsg.:

Gutberlet, C.

Titel/Untertitel:

Das Buch Tobias übersetzt und erklärt 1878

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 7.

162

Moab will, ift immer noch nicht definitiv feftgeftellt. —
S. 240. Nehiel das heutige Nehäli. — S. 250. Pirathon
in dem heutigen Feräta auf dem Gebirge Ephraim erhalten
. — S. 267. Samaraim das heutige Samrah im
Jordanthal. — S. 268. Samir auf dem Gebirge Ephraim
das heutige Sammir füdöftlich von Sichern. — S. 284.
Dafs Zephat fpäter Horma genannt wurde, bezeugt
Rieht. 1, 17. — S. 286. Ziklag ift in dem jetzigen Zuhei-
likah, 6V2 Stunden füdweftlich von Ikit-Gibrin, wieder
aufgefunden worden. —

Eine eingehendere Berückfichtigung der deutfehen
und englifchen Eorfchungen hätte den Werth des Com-
pendiums wefentlich erhöht.

Zürich. K. Furrer.

Gutberiet, Dr. C, Das Buch Tobias überfetzt und erklärt
. Mit oberhirtlicher Approbation. Münfter 1877,
Theiffing. (VIII, 355 S. gr. 8.) M. 5. —

Der gricchifche Text des Buches Tobias liegt uns
feit der Auffindung des cod. Sinaiticus in nicht weniger
als drei von einander ftark abweichenden Recenfionen
vor: 1) dem gewöhnlichen, in den meiften Handfchriften
enthaltenen Texte, 2) dem des cod. Sinaiticus, 3) dem
der codd. 44. 106. 107 (für Cap. 6, 9-13. i8)- Dazu
kommt als vierter Text noch die Vulgata des Hieronymus
. Ueber den Werth diefer vier Recenfionen werden
in der Einleitung des obengenannten Commcntares folgende
Erwägungen angeftellt: ,AUc 4 Texte find oder
waren Jahrhunderte im kirchlichen Gebrauch und haben
deshalb alle eine gewiffe Authentizität' (S. 14). ,Aber
mit der durch die Kirche garantirten Authentizität ift
Nichts anders als eine Zuverläffigkeit in Glaubensfachcn
gegeben, im Einzelnen, namentlich in ftiliftifchen, kriti-
fchen, geographifchen Fragen hilft uns diefelbe nicht
weiter; und gerade die Verfchiedenheit der Texte bei
unferm Buche, welche alle einer gewiffen Anerkennung
durch die Kirche fich erfreuen, kann uns über den Umfang
der Authentizität gewichtige Auffchlüffe geben, da
wir daraus fehen, dafs Ungenauigkeit in jenen untergeordneten
Dingen die Authentizität nicht beeinträchtige.
Aber auch in dogmatifchen und moralifchen Sätzen
ftimmen die 4 Texte nicht überein, fondern haben bald
der eine, bald der andere Zufätze, die nicht in allen fich
finden. . . . Daraus müffen wir fchliefsen, dafs trotz der
Authentizität einer Edition diefelbe doch einen und
den andern dogmatifchen Text verlieren kann, der im
Original geftanden hat. Zugleich aber ergibt fich,
dafs das urfprüngliche Buch Tobias ausführlicher
war, als wir es in einem der vorhandenen
Texte befitzen, und dafs ihre Gefammtheit vollftän-
diger dasfelbe darfteilt, als irgend einer allein; am voll-
kommenften nähert fich demfelben in dogmati-
fcher Beziehung die Vulgata, weil fie die meiften
Zufätze, die auf Glauben und Sitten Bezug haben, enthält
' (S. 15;. In hiftorifchen, geographifchen u. f. w.
Angaben kommt dagegen derfclbe Vorzug dem Texte
des cod. Sinaiticus zu (S. 17. 19.) — Diefe Werthbeftim-
mung der vorhandenen Recenfionen veranlafst nun unfern
Verfaffer, die Vulgata und den Sinaiticus in der
Art zu bevorzugen, dafs er von ihnen eine vollftändige
deutfehe Ueberfetzung feinem Commentarc einverleibt.
Auf die übrigen Recenfionen wird nur gelegentlich bei
der Auslegung Rückficht genommen. Die eigentliche
Grundlage der Erklärung bildet der Vulgata-Text. —
Dies alles ift vom katholifchen Standpunkt aus nur con-
fequent, und man wird der fcharffinnigen Art, wie der
Verf. das katholifche Traditionsprincip zur Entfcheidung
folcher kritifchen Fragen verwendet, eine gewiffe Bewunderung
nicht vertagen können. Der wahre Sachverhalt
wird dadurch freilich auf den Kopf geftellt.
Denn den ältefte Text ift ohne Frage der gewöhnliche
griechifche, aus dem alle andern erft abgeleitet find.

Das Original, welches der Verf. fich mit den Vorzügen
aller vorhandenen Texte ausgeftattet denkt, war
I nach ihm urfprünglich hebräifch gefchrieben und von
j Tobi und Tobias felbft verfafst (S. 22—27). — Der Com-
mentar bietet für denjenigen, dem es lediglich um
hiftorifche Exegefe zu thun ift, nichts was irgendwie
von Werth wäre. Trotzdem ift er auch für den pro-
teftantifchen Theologen nicht ohne Intereffe. Der Verf.
hat nämlich mit befonderer Vorliebe die asketifchen und
dogmatifchen, namentlich angelologifchen Partien des
Buches behandelt. Ueberall, wo die Gelegenheit fich bietet
— und dies gefchieht ziemlich häufig — giebt er zur
Erläuterung Auszüge aus den asketifchen und dogmatifchen
Werken anerkannter katholifchcr Kirchenlehrer,
z. Th. mit eigenen Speculationen vermehrt. Und da
zeigt fich denn in überrafchender Weife die innere Ver-
wandtfehaft des römifchen Katholicismus mit der Ethik
und Theologie des fpäteren Judenthums: die ganze
äufserliche Moral, das Werthlegen auf die guten Werke,
dazu das Ueberwuchern der Angelologie, dies alles ift
fchon im fpäteren Judenthum vorhanden. Theilweife
bezichen fich allerdings die Parallelen des Verf. nicht
auf das urfprüngliche Buch Tobias, fondern auf die
mönchifchc Ueberarbeitung des Hieronymus; häufig aber
doch auch auf jenes felbft. Wer alfo von jener inneren
Vcrwandtfchaft fich überzeugen will, dem können wir
die Leetüre diefes Commcntares umfomehr empfehlen,
als die oberhirtliche Approbation zugleich eine Gewähr
dafür bietet, dafs hier wirklich nur kirchlich-correcte An-
fchauungen vorgetragen werden.
Leipzig. E. Schür er.

Kolde, Doc. Lic. Dr. Th., Walther von der Vogel weide in
seiner Stellung zu Kaisertum und Hierarchie. Ein Vortrag.
Gütersloh 1877, Bertelsmann. (35 S. 8.) M. — 40.

Seit Uhland's mufterhaftcr und grundlegender Schrift
über Walther von der Vogelweide (Stuttgart 1822) ift
wohl kein deutfeher Dichter der ältern Zeit in Monographien
und Vorträgen fo oft behandelt worden; und
das allgemeine Intereffe und Verftändnifs für diefen be-
deutendften unter den Minnefängern ift in den letzten
Jahren noch mehr, als früher durch Simrock's Ueberfetzung
, durch Pfeiffer's mit Einleitungen und Erklärungen
ausgeftattete Ausgabe des Grundtextes gefördert worden,
die feit ihrem erften Erfcheinen (Leipzig 1864) wiederholt
neu aufgelegt worden ift. Jenen Vorträgen reiht der
vorliegende, welcher fich auf die Betrachtung einer be-
fonderen Seite diefes Dichterlebens weife befchränkt,

i fich würdig an. In klarer Kürze werden von dem Verf.
die politifchen und kirchlichen Verhältnifse jener Zeit
dargeftellt und die lebendige und einzigartige Theilnahmc
Walther's an ihren Kämpfen. Auch foll dem Kirchen-
hiftoriker nicht verargt werden, dafs er fein Zeitbild
durch Züge aus dem individuellen Leben des Dichters
und durch Belegftellen aus feinen Liedern und Sprüchen
nicht noch mehr belebt hat. Aber eine Hinweifung auf das,
wenn auch fehr bekannte, Lied: ,Ir fult fprechen wille-
komen' wäre doch zweckmäfsig gewefen, da diefes unferes
Wiffens in der mittclhochdeutfchen poetifchen Literatur
das erfte und einzige Zeugnifs eines bewufsten deutfehen
Patriotismus ift, d. h. einer Gefinnung, welche die Ehre
des deutfehen Volkes in ausgefprochenem Gegenfatze
gegen das Ausland vertritt. Auch zu der Behauptung,
(S. 35;, dafs ,der ganze Minnedienft aus dem Dienft der
heiligen Jungfrau hervorgegangen' fei, möchten wir trotz
aller Vcrwandtfchaft, welche zwifchen beiden befteht,
ein Fragezeichen fetzen. Und wenn der Verf. zum
Schluffe an jeden Deutfehen die Aufforderung richtet, in
Walther's Fufsftapfen zu treten und den Kampf gegen
die Feinde des Reichs aufzunehmen, fo hätte ihm die
Bemerkung zur Empfehlung dienen können, dafs unfere

i Stellung in diefem Kampfe infofern günftiger ift, als da-