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Ausgabe:

1878 Nr. 6

Spalte:

133-135

Autor/Hrsg.:

Drummond, James

Titel/Untertitel:

The Jewish Messiah. A Critical History of the Messianic Idea among the Jews from the rise of the Maccabees to the closing of the Talmud 1878

Rezensent:

Schürer, Emil

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133

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 6.

134

und irrige Anflehten, namentlich Hitzig's, oft treffend
widerlegt.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

Drummond, James, B. A., Prof., The Jewish Messiah.

A Critical History of the Messianic -Idea among the
Jews from the rise of the Maccabees to the closing
of the Talmud. London 1877, Longmans, Green &
Co. (XX, 395 S. gr. 8.} Sh. 15. -

Zu dem Italicner Caftelli (// Messia secondo gli
Ebrei, Fircnze 187Ä) und dem Franzofen Vernes [Histoire
des Idees Messianiques depuis Alexandre jusqu'ä l'empe-
reur Hadrien, Paris 1874) gefeilt fich hier als Dritter im
Bunde ein englifcher Gelehrter mit einer Darftellung der
mcffianifchen Idee des Judenthums von der Makkabäer-
zeit bis zum Abfchlufs des Talmud. Während aber
Caftelli eine fyftcmatifche Darftellung faft ausfchliefs-
lich auf Grund des Talmud und der rabbinifchen Literatur
giebt, und andererfeits Vernes lediglich mit Hülfe
der vortalmudifchen (apokryphifchen und pfeudepigra-
phifchen) Literatur eine chronologifche Entwickelung
verfucht, unterfcheidet fich Drummond von beiden infofern
, als er die fyftematifche Darfteilung wählt, als
Quellen jedoch vorwiegend die apokryphifchen und
pfeudepigraphifchen Schriften benützt. Sein Verfahren
fcheint uns in der That für den, der die jüdifch-meffta-
nifche Idee im Zeitalter Chrifti darftellen will, das em-
pfehlenswcrthefte. Ueberhaupt aber zeichnet fich fein
Werk vortheilhaft aus fowohl durch gründliche Vertrautheit
mit der neueren , namentlich deutfehen Literatur
, als auch durch Fleifs und Sorgfalt in der Behandlung
und durch Umficht und Nüchternheit in der Beurtheilung
des Stoffes. Obwohl er, wie es fcheint, zunächft nur
den Zweck verfolgt, englifche Lefer mit den Refultaten
der neueren deutfehen Arbeiten auf diefem Gebiete vertraut
zu machen, fo verdient fein Werk als eine durchaus
felbftändige Arbeit doch auch in Deutfchland beachtet
zu werden.

Sehr ausführlich ift die vorausgefchickte Orientirung
über die Quellen (S. I—177). Es werden der Reihe
nach vorgeführt: Daniel, die fibyllinifchenOrakel, Henoch,
Affumptio Mofis, das 4. Buch Efra, die Apokalypfe Ba-
ruch, die falomonifchen Pfalmen, das Buch, der Jubiläen,
die Targume, endlich der Talmud und die rabbinifche
Literatur. In der Zeitbeftimmung der einzelnen Schriften
fchliefst fich der Verf. faft durchweg an die von der
Mehrzahl der neueren Kritiker vertretenen Anfchauungen
an; und wo diefe felbft unter fich uneins find, trifft feine
Entfcheidung — wenigftens nach des Ref. Anficht —
in der Regel das Richtige. Erfreulich war es mir insbesondere
, bei der Deutung der Gefchichtsvifion des
Buches Henoch (Cap. 85—90) auch von Drummond
(p. 40 sq.) die Anficht vertreten zu fehen, dafs unter den
70 Hirten 70 Engel (nicht, wie bisher allgemein angenommen
wurde, 70 weltliche Herrfcher) zu verftehen
feien. Eigenthümlich ift feine Anficht über die Bilderreden
bei Henoch (Cap. 37—71). Er fieht fehr richtig,
dafs fie nicht von einem chriftlichen Autor herrühren
können, da es in diefem Falle ganz unerklärlich wäre,
dafs von Chrifti Leben im Fleifch, von feiner Kreuzigung
und Auferftehung völlig gefchwiegen werde (S. 60 f.).
Andererfeits Rheinen ihm die mcffianifchen Stellen doch
wieder mehr chriftlich als jüdifch zu fein. Er hält es
daher für wahrfcheinlich, dafs eben diefe mcffianifchen
Stellen von einem chriftlichen Intcrpolator in die Bilderreden
eingcfchaltet feien, der nur deshalb das gefchicht-
liche Leben Chrifti aufser Betracht liefs, weil er Sorge
tragen mufstc, ,fich von dem Charakter des Buches, in welches
er feine Einfchaltungen machte, nicht allzuweit zu
entfernen' (S. 61). Ich glaube nicht, dafs dies Argument
für Viele überzeugend fein wird. So zaghaft war kein

chriftlicher Interpolator, dafs er gerade die Hauptfache,
auf die es ihm ankommen mufste, wegliefs. Vielmehr
wird eben jener Grund, den D. mit Recht gegen den
chriftlichen Urfprung der Bilderreden geltend macht,
auch gegen den chriftlichen Urfprung diefer angeblichen
Interpolationen entfeheiden. — Bei der Affumptio Mofis
bleibt D. (S. 79) mit Recht in der Zeit bald nach dem
Tode des Herodes ftehen, da den Söhnen des Herodes im
Widerfpruch mit der wirklichen Gefchichte eine kürzere
Regierung als ihrem Vater (breviora tempora geweiffagt
wird. — Die Schwierigkeiten, welche das Adlergeficht
des 4. Buches Efra darbietet, weifs auch D. nicht befriedigend
zu löfen. Er entfeheidet fich, wenn auch nur
mit halbem Herzen, (S. 108—110) für Ewald's Paralleli-
firungs-Syftem, wornachdie 12 Haupt-Schwingen, 8Neben-
Schwingen und 3 Häupter nicht 23, fondern 12 Herrfcher
bedeuten follen, indem die drei Gruppen einander
parallel gehen. Dafs die drei Häupter die Flavier find
und das Buch im letzten Viertel des 1. Jahrh. nach Chr.
gefchrieben ift, hält er mit Recht für ausgemacht (S. 117).

Die fyftematifche Darfteilung (S. 179—390; umfafst
folgende 24 Rubriken: 1) Einleitung, 2) Die meflianifche
Idee bei den altteftamentlichen Propheten, 3) Sirach,
Tobit und Baruch, 4) Eintheilungen der Zeit [in die
gegenwärtige und die künftige Welt, und Eintheilung
der erfteren in einzelne Perioden nebft darauf fich gründender
Berechnung des Endes], 5) Zeichen der letzten
Zeit, 6) Vorläufer des Meffias, 7) Der Gedanke eines
idealen Reiches ohne Meffias, 8) Die Zeit der Erfcheinung
des Meffias [ob in der gegenwärtigen oder der künftigen
Welt], 9) Geburtsort, Verborgenheit und Abftammung
des Meffias, 10) Titel und Namen, 11) Wefen des Meffias
[ob präexiftentl, 12) Die letzten Feinde, 13) Allgemeiner
Charakter des meffianifchen Reiches [es ift die
Herrfchaft des Meffias über Ifrael als das geheiligte Volk
Gottes], 14) Ort, Ausdehnung und Dauer des meffianifchen
Reiches, 15) Hatte das Reich einen befonderen
Namen? [,Reich Gottes'?], 16) Moralifche Natur des
Reiches [das Ceremonialgefetz nicht aufgehoben], 17)
Bekehrung der Heiden, 18) Rückkehr der zerftreuten
Ifraeliten, 19) Zerftörung des alten Jerufalems und Erfcheinung
des neuen, 20) Irdifche Glückfeligkeit, 21) Be-
hemoth und Leviathan, 22) Meffias Ben-Jofeph und die
Leiden des Meffias, 23) Auferftehung und Gericht, 24)
Allgemeine Ueberficht der meffianifchen Idee vor der
Zeit Chrifti. — Man fieht aus diefen Ueberfchriften, dafs
der Gegenftand nach allen Seiten hin fehr vollftändig
in's Auge gefafst ift. Die Ueberfichtlichkeit hätte wohl
gewonnen, wenn durch Zufammenziehung der nahe verwandten
Rubriken die Zahl derfelben etwa auf die Hälfte
reducirt worden wäre. Andererfeits hätte Einzelnes weiter
ausgeführt werden follen. Sehr dürftig find z. B. die
paar Bemerkungen über ,die Leiden des Meffias' (S. 357
—359)-' D'e. Frage hätte eine viel eingehendere Unter-
fuchung verdient. In der Rubrik Nr. 23 find eine ganze
Anzahl von Punkten zufammengedrängt, die mehr im
Detail hätten behandelt werden müffen. So namentlich
die verfchiedenen Vorftellungen über das Schickfal des
Menfchen nach dem Tode, über den Zwifchenzuftand, den
Ort der Verdammten u. f. w. Das Ganze aber würde
durch eine noch mehr genetifche Behandlung wefentlich
gewonnen haben. Der Verf. giebt vorwiegend nur die
fertigen Vorftellungen, ohne in ausreichender Weife nach
deren Entftehung zu fragen. Ein wirkliches Verftändnifs
der Sache wird aber erft dadurch erfchloffen, dafs man
gerade hierauf das Haupt-Augenmerk richtet. Und in
einer fo umfänglichen Monographie wäre hiezu ja auch
hinreichend Raum vorhanden.

Von der Einzelausführung möge befonders noch die
ausführliche Behandlung der danielifchen Weiffagungen
(S. 226—267) hervorgehoben werden, die der Verf. mit
Recht unter die Rubrik Nr. 7 einreiht. In fehr gründ,
licher und überzeugender Weife wird hier dargethan-