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Ausgabe:

1878 Nr. 5

Spalte:

112-114

Autor/Hrsg.:

Kettlewell, Sam.

Titel/Untertitel:

The Authorship of the De Imitatione Christi, with many interesting Particulars about the book 1878

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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III

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 5.

112

als er bei offener Scene felbft fowohl fchatnlos den Dämonen
Opfer brachte, als auch Andere durch ver-
fchiedene Belohnungen dazu einlud — welch' ein
Zulauf fand da ftatt von der Kirche zu den Götzenaltären
'. Diefe Stelle ift wichtig genug, um erwähnt zu
werden; denn fie zeigt, dafs auch Chriften in fpäterer
Zeit nur von einer ,Einladung' Julian's, freilich mit Prämien
, zum Götzendienft erzählt haben. So liefse fich
durch eine genaue Mufterung der zeitgenöffifchen Literatur
gewifs noch manches Andere beibringen. Der Verf.
hat den Stoff in 5 Abfchnitte getheilt. In dem erften
handelt er von der Vorgefchichte der Reaction, in dem
zweiten von ihrem allgemeinen Charakter, in dem dritten
von den Reactionsthatfachen bis zu J.'s Eintreffen in
Antiochien, in dem vierten von den Reactionsthatfachen
während J.'s Aufenthalt dafelbft, in dem fünften endlich
von dem Ausgang der jul. Reaction. Das Urtheil des
Verf.'s ift in allen Hauptpunkten umfichtig und wohlerwogen
und die nüchterne Darftellungsweife fichert ihm
das Vertrauen feiner Lefer. Ref. wüfste auch an den
chronologifchen Berechnungen Rode's nichts auszufetzen.
Schwierig war es natürlich, bei der tieferen Beurtheilung
der Stellung J.'s zur Kirche, zum Klerus und umgekehrt
zum Neuplatonismus und zur antiken Religion Mafs
und Grenze zu finden. Um fo mehr foll es anerkannt
werden, dafs der Verf. fich nirgends dazu hat verleiten
laffen, billiges Gerede zu wiederholen, und dafs er es
vorgezogen hat, gewiffe Erfcheinungen ohne Commentar
einfach zu conftatiren , als fie mit einem trügerifchen
Schimmer zu umkleiden. Ein paar Punkte zur Beurtheilung
der denkwürdigen Reaction mögen hier noch
hervorgehoben werden. Wir haben an einem anderen
Orte darauf hingewiefen, dafs Julian in Bezug auf die
Stellung von Staat und Hierarchie Ideale erftrebte, die
in mancher Hinficht das Mittelalter anticipirten. In die-
fem Zufammenhang find die Händel mit Titus v. Boftra
u. Athanafius (Rode S. 77 f.) befonders intereffant. Die
Politik des Kaifers erfcheint dort revolutionär, d. h. Julian
trifft feine Mafsregel in dem ausgefprochenen Be-
ftreben, die kirchlichen Maffen dem Klerus zu entfremden
, die Macht der Hierarchie zu brechen, Desorganifa-
tion zu fchaffen und fo die Kirche zu ftürzen. Wer erinnert
fich hierbei nicht der Politik eines Heinrich's IV.
in Oberitalien und ähnlicher Verfuche der MAlichen
Kaifer. Wenn Julian vor allem den Klerus ins Auge
fafste, fo hatte er hierbei an Maximin, Decius, Valerian,
Diocletian Vorgänger; aber die Art des Verfahrens ift
ihm eigenthümlich. Indem er mit der von Conftantin
eingeleiten Politik in jeder Hinficht brach, die nur an
der Elagabal's ihr Analogon hatte — hier aber find die
Parallelen frappant, obgleich bisher Niemand fich um
diefelben bemüht zu haben fcheint — war er freilich
darauf gewiefen, vor allem der Hierarchie entgegenzutreten
, aber die Mittel find felbftändig und klug erfonnen.
Was nun die theoretifche Polemik betrifft, fo läfst die
Rode'fche Darftellung an fcharfer Präcifion zu wünfchen
übrig, obgleich fie in der Hauptfache nicht unrichtig ift.
Wo ift die Urreligion zu fuchen? was ift das Urchriften-
thum gewefen? das find die beiden Fragen, die den Kaifer
und feine Gefinnungsgenoffen befchäftigen. Die erfte
Frage hat die Kirche von Anfang an auf das lebhaftefte
gefeffelt; ja ihre Theologie ift aus der Beantwortung
derfelben geboren: hier handelte es fich um den Nachweis
der Exiftenzberechtigung. Was aber die zweite
Frage betrifft, fo war die Kirche fchon im 3. Jahrh. hinreichend
mächtig, um jede Nöthigung, diefelbe zu ven-
tiliren, abzuweifen. Nur Häretiker warfen fie noch auf.
Selbft der arianifche Streit, wohl geeignet unbequeme
Erinnerungen wachzurufen, erfchütterte das Bewufstfein
der Kirche von ihrer Legitimität nicht mehr. Hatten
doch Arianer wie Orthodoxe das gleiche Intereffe, ihre
Vorgefchichte unkritifirt zu laffen. Unverftanden, aber
verläftert verhallen die Worte des Marcellus. Das hifto-

rifche Gevviffen der Kirche wird durch ihre Gegner re-
präfentirt, Marcioniten, Katharer, Juden, Heiden. Die
Gegenfchrift Julian's, unzweifelhaft ein Werk von fecun-
därer Bedeutung, was R. nicht hinreichend deutlich aus-

I gefprochen hat, ift doch für uns heute eine Urkunde
erften Rangs, da wir ihre Vorlagen nicht mehr befitzen.
Die Hoffnung, diefe Schrift in einer kritifchen Ausgabe
hergeftellt zu fehen, wird fich vorausfichtlich demnächft
realifiren. Ref. erlaubt fich den Wunfeh auszufprechen,
dafs in Verbindung damit eine Sammlung der übrigen
Bruchftücke heidnifcher Kritik am Chriftenthum veran-
ftaltet werden möge. 'lieber die Herkunft der Fragmente
bei Macarius Magnes fcheint Ref. Gafs in d.
Jen. Lit.-Ztg. 1877 Nr. 46 das richtige Urtheil gefällt zu
haben.) Hierzu wäre eine Mufterung der Märtyreracten
dringend erforderlich. Verwiefen fei z. B. auf die höchlt
intereffanten Acta disputationis S. Achatii {Ruinart, Act.
Märt. Sine. [1731] p. 128 sq.). Dort werden unter anderem
dem heidnifchen Präfecten folgende Worte in den
Mund gelegt: ,Cataphrygas aspicc, homines reli-
gionis antiquac, ad niea sacra conversos reliquissc, quae

fuerant, et nobisciun diis vota persolvere1. Die Bezeichnung
der Montaniften als homines religionis anti-
quae ift gewifs fehr bemerkenswerth, wie überhaupt das
ganze Gefpräch. Wer erinnerte fich nicht fofort der berühmten
, vielumftrittenen Stelle in dem Toleranzedict des
Galcrius (Lactant. de morte persecut. 34. Ensch, h, e. VIII,
17, 6—9) und der Auslegung, welche Keim (Theol.
Jahrbb. 1852 S. 212. Conftantin 1862 S. 14 f. Anm. IO;
anders Broglie, a. a. O. I p. 187 sq. und Mafon, The
persec. of Diocl. 1876 p. 299 sq.) ihr gegeben hat. So
läfst fich noch Manches, bisher Unbekannte, auch für
die theoretifche Kritik des Heidenthums den Märtyreracten
entnehmen. Doch wir müffen hier abbrechen und
fchliefsen mit dem Wunfche, dafs der Verf., der in vorliegender
Schrift fo Tüchtiges geleiftet hat, diefes Feld
der Studien nicht verlaffen möge.

Leipzig. Adolf Harnack.

Kettle well, Sam., M. A., late Vicar, The Authorship of the

De Imitatione Christi, with many interesting Particulars
about the book. Containing Photographie engravings
of the ,De Imitatione' written by Thomas ä Kempis,
1441, and of two other MSS. London 1877, Riving-
tons. fXXIV, 504 p. gr. 84 Cloth.

Der Verfaffer beabfichtigte ein Leben des Thomas
a Kempis zu fchreiben, lernte aber unter den gelehrten
Vorbereitungen dazu die Streitfrage über den Verfaffer
der Imitatio kennen und befchlofs diefe für feine urfprüng-
liche Abficht präjudicirliche Frage lieber erft für fich und
ausführlich zu erörtern, als die Biographie damit zu be-
fchweren. Das Refultat diefer Arbeit ift das leider recht
breit und weitfehweifig angelegte, zahlreiche Wiederholungen
enthaltende Buch von über 500, allerdings
splendid gedruckten, Seiten. Das Buch ift zugleich mit
allerlei Beiwerk befchwert, welches mit der eigentlichen
kritifchen Frage wenig zu thun hat. Ich rechne dahin
den ganzen erften Theil mit feiner allgemeinen Hinweifung
auf die Controverfe, feiner Blumenlefe von Ausfprüchen
über die ausgezeichneten Eigenfchaften des Buches, feiner
allgemeinen Charakteriftik der geiftlichen Richtung, feiner
Anführung der Schönheiten desfelben. Ebenfo ift der
letzte Theil von ganz andern Gcfichtspunkten als denen
der kritifchen Frage beherrfcht, nämlich von denen einer
dogmatifchen Beurtheilung des Werths des Buches vom
Standpunkt des Proteftantismus der bifchöflichen Kirche;
fo Cap. 28: passages needing sotne qualification, 30: Is
justification by faith overlookedr was der Verf. verneinen
zu können glaubt, 31 f.: does it [the book de /mit.) teach
an absolutly selfish religiou? Aus ähnlichen Gcfichtspunkten
befpricht c. 29 die in englifchen Ausgaben aus