Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878 Nr. 4

Spalte:

84-88

Autor/Hrsg.:

Kaufmann, Dav.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Attributenlehre in der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters von Saadja bis Maimûni 1878

Rezensent:

Simonsen, David

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

«3

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 4.

84

charakteriftifch. Weiter aber find manche Irrthümer der
erften Auflage, zu deren Berichtigung eingehenderes Studium
hätte führen müffen, nicht corrigirt worden. Was
z. B. n. 889 zu § 114 über die Confessio fidei ad Aelianum
und damit im Zufammenhang über das angebliche Zeug-
nifs des Leontius Byzantinus bemerkt ift, ift falfch.
Gleich das folgende Glaubensbekenntnifs des M. Lucia-
nus wird abgedruckt, ohne dem Lefer mitzutheilen, dafs
fowohl Integrität als Echtheit desfelben nicht ohne Grund
beanftandet worden find, u. f. w.

Zweitens fällt Folgendes auf: Weder Caspari,
noch einer feiner unmittelbaren Vorgänger, noch überhaupt
irgend ein Gelehrter hat fleh bisher der Aufgabe
unterzogen , die Bruchftücke der alterten Symbole und
Glaubensregeln aus den Werken der KW. vor Cyprian
zu fammeln und zu beurtheilen. Am meiften Material
findet fich, freilich hie und da zerftreut, wiederum bei
Caspari; aber es fehlt viel, dafs es vollftändig wäre.
Unstreitig hat fich C. diefe Arbeit vorbehalten. Hier
alfo ift endlich ein Gebiet, auf welchem der Herausg.
jene Selbftändigkeit feiner Arbeit hätte bewähren können,
deren Bekundung ihm fonftdurchdie trefflichenVorarbeiten
Anderer fo überaus erfchwert war. Aber gerade kein
anderer Abfchnjtt des Buches ift unvollständiger und unbrauchbarer
, als jener erfte (S. 1—12), welcher die Formen
der regula fidei der alten Kirche enthalten foll. Der
Herausg. hat das felbft gefühlt. In der Vorrede (p. VI)
fchreibt er fich entfchuldigend: fich war der Meinung,
dafs fo kurze Anfätze zu Lehrformeln, wie fie fich bei
Ignatius, Hermas, Juftin dem M. finden, füglich unberücksichtigt
bleiben könnten'. Wenn dem wirklich fo
wäre, dafs fich bei Ignatius, Juftin dem M. und vielen
anderen älteften Schriftftellern nur ,Anfätze zu Lehrformeln
' finden, fo könnte diefe Entfchuldigung einiger-
mafsen gelten. Aber gerade das Entgegengefetzte ift
der Fall. Nicht Anfätze zu Lehrformeln theilt z. B. Juftin
mit, fondern er reproducirt nur unvollständig eine Lehrformel
. Daran wird heute Niemand zweifeln. Auch
wäre der Beweis unfehwer beizubringen, dafs jene Lehrformel
mit einiger Umficht vollltändiger ermittelt werden
kann, als z. B. das ift, was Hahn § 7 und § 8 als Glaubensregel
bei Novatian und den fmyrnenfifchen Presbytern
mitgetheilt hat.

Hielt der Herausg. es für angezeigt, das aufzunehmen
, was er § 3. 7. 12 abgedruckt hat, fo durften mehr
als ein Dutzend anderer Stellen aus viel älteren Schriftftellern
vom Clemensbriefe ab nicht fehlen; die Beforg-
nifs, das Buch nicht zu fehr anfchwellen zu laffen, wäre
gerade hier am wenigsten am Platze gewefen. Aber
auch das, was der Herausg. in diefem Äbfchnitte abgedruckt
hat, ift in fich unvollftändig. Wie ungenügend
und irreführend wird z. B. das Bild, das fich der Lernende
von de regtda fidei bei Tertullian entwirft, wenn
ihm nur die Stellen de virg. vel. 1. adv. Prax. 2; de
praescr. liaer. 13 zugänglich gemacht find. Erst aus den
Angaben in der Schrift Tertull.'s de baptismo — anderer
Stellen zu fchweigen — erhält diefes Bild feine noth-
wendige Ergänzung. So bleibt es dabei, dafs gerade
in dem Theile, für welchen neue Studien in befonderem
Mafse erforderlich gewefen wären , diefe nicht zu con-
ftatiren find.

Drittens endlich fehlen in dem Buche folche Be-
kenntnifse, äuf welche bisher von den Gelehrten nicht
hingewiefen worden ift, obgleich fie in den Werken grie-
chifcher und lateinifcher Kirchenfchriftfteller gedruckt
vorliegen. Die Lücken alle wird natürlich kaum Einer
bemerken, der fich nicht ex professo mit diefer Literatur
befchäftigt hat. Auch dem Ref. wären manche nicht
aufgefallen, wenn er fich nicht im Befitz einiger Arbeiten
von Caspari befände, die Hahn nicht zugänglich fein
konnten. In diefen wird z. B. das Glaubensbekenntnifs
des apollinariftifchen Bifchof Jobius, des Victricius von
Rothomagum u. A. erwähnt. Gewifs würden wir diefe

Bekenntnifse auch von Hahn mitgetheilt erhalten haben,
wenn C. fie fchon in einem Bande feiner Quellen citirt
hätte; aber dafs der Herausg. diefelben felbft nicht ermittelt
hat, ift eben das Bedenkliche. Dazu kommt, dafs
eine ganze Gruppe von Bekenntnifsen, deren Werth
nicht hoch genug angefchlagen werden kann, fo gut
wie ganz fehlt, ich meine die Märtyrerbekenntnifse.
Die genaue Durchmusterung mindestens der Acta sincera
Ruinart's hätte der Pierausgeber fich nicht erfparen
dürfen. Die Zahl der vornieänifchen Bekenntnifse kann
aus denfelben erheblich vermehrt werden; aber freilich
auch hier fehlen die Vorarbeiten.

Nach diefem allen kann ich das oben gegebene Ur-
theil nur wiederholen, dafs die Herausgabe diefer Bibliothek
, die übrigens typographifch fehr correct hergestellt
ift, für ein fchwer zu rechtfertigendes Unternehmen zu
gelten hat. Ich habe mich nur ungern entfchloffen, dem
Wunfche der Redaction diefer Zeitfchrift nachzugeben
und die neue Bibliothek hier zur Anzeige zu bringen.
Erst als ich bemerkte, dafs in anderen Blättern anders
geurtheilt worden ift, habe ich es für meine Pflicht gehalten
, für die Arbeit des hochverdienten Gelehrten einzutreten
, der feit Decennien an dem Urkundenbuche zur
Gefchichte des Tauffymbols und der Glaubensregel arbeitet
. Das Erfcheinen diefer ,Bibliothek', die allerdings
ihren Weg finden wird, kann ihn sicherlich nur ermuntern,
fein Verfprechen einzulöfen.

Leipzig. Ad. Harnack.

Kaufmann, Dr. Dav., Geschichte der Attributenlehre in
der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters von

Saadja bis Maimüni. Gotha 1877, F. A. Perthes.
(XIV, 527 S. gr. 8.) M. 16. —

Die Religionsphilofophie der Juden im Mittelalter ift,
wie jeder Kenner derfelben weifs, noch wenig Gegenstand
einer gründlichen Behandlung geworden. Es ift daher fehr
erfreulich, dafs eine Kraft wie Dr. Kaufmann fich dem
Studium der jüdifch-arabifchen religionsphilofophifchen
Schriftsteller zugewandt hat. Er hat vor einigen Jahren
in einer in den Schriften der Wiener Akatlemie erfchie-
nenen Arbeit es gezeigt und bei der jüngsten gröfseren
Publication es bewährt, dafs er in feltenem Mafse
Kenntnifs von der einfehlägigen Literatur* befitzt. Er
beherrfcht vor Allem die jüdifche Literatur, infofern er
fie in fein Bereich zu ziehen hat; ift aber auch durch feine
Kenntnifs der arabifchen Sprache befähigt, die Quellen
und Berührungspunkte, die fich in der Philofophie und
Theologie des Islams vorfinden, aufzuweifen, und auch
von der Philofophie der Griechen und von der Dogma-
tik der Kirchenväter weifs er Gebrauch zu machen, wenn
es gilt, einen Gedanken bis zu feinem Urfprung zu verfolgen
oder einen Genoffen für einen kühnen philof.
Himmelsstürmer zu finden. Es braucht nicht gefagt zu
werden, dafs der Gefchichtsfchreiber der Philofophie mit
Kenntnifsen nicht ausreicht, wenn fein Werk etwas mehr
werden foll, als eine trockene Zufammenftellung. Kaufmann
hat auch eine zugleich klare und fcharfe Auffaffung
und dazu eine nicht gewöhnliche Darftcllungsgabe. Die
Liebe zu dem Gegenstände athmet aus jedem Satze. Er
geht mit einer feltenen Gründlichkeit zu Werke, läfst
innerhalb der Grenzen, die er fich gesteckt hat, auch
nicht das Geringste unberückfichtigt, fondern erklärt eingehend
Alles, was nur der Erklärung bedarf, ohne einer
Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen. Er thut aber
manchmal des Guten zu viel, E-in aufmerkfamer Lefer
kann fich der Ermüdung nicht erwehren, denn die Darfteilung
dehnt fich allzuweit und verleidet uns die Lectürc.
Kaufmann hat fich felber fehr dadurch gefchadet, dafs
er nicht Mafs zu halten weifs. Er hat fich vorgenommen
, über die Lehre von den göttlichen Attributen zu
fchreiben, fchreibt aber bei einigen der behandelten Denker
ihre vollständige Gotteslehre. Und man denke nicht,