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Ausgabe:

1878 Nr. 4

Spalte:

81-84

Autor/Hrsg.:

Hahn, Aug.

Titel/Untertitel:

Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche. 2. vielfach veränd. u. verm. Ausg. v. G. Ludw. Hahn 1878

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 4.

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Hahn, weil. Gen.-Superint. Prof. Dr. Aug., Bibliothek
der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, 2.

vielfach veränd. u. verm. Ausg. von Prof. Dr. G.

Ludw. Hahn. Breslau 1877, Morgenftern. (XVI,

3c» S. gr. 8.) M. 5. -*-
Im J. 1866 erfchien der erde Band von Caspari's
Werk ,Ungedruckte u. f. w. Quellen z. Gefell, d. Tauf-
fymbols u. d. Glaubensregel' und eröffnete eine Reihe
von Vorftudien, die nach dem Vorwort (S. III) in ein
Urkundenbuch z. Gefch. d. Taufbckenntnifses u. d.
Glaubensregel, in eine Gefchichte beider und in eine
Auslegung des erfteren ausmünden füllten. In den
Jahren 1869 und 1875 folgten zwei weitere Theile. Ueber
1000 Seiten ftark enthalten diefe drei Bände ein grofses,
zum Theil bisher völlig unbekanntes Material, welches mit
unfäglicher Mühe befchafft und mit genauefter Kritik ge-
fichtet eine fefte Grundlage bildet für die Reconftruction
einer Gefchichte der Symbole. Allerdings die einzelnen,
forgfam behauenen Steine liegen hier noch bunt durcheinander
. Wir erkennen zwar überall fchon, dafs der
Meifter den Plan des Gebäudes bis ins Einzelne durch-
fchaut hat; aber wir vermögen felbft noch nicht all' das
bunte Detail richtig zu ordnen. Die Erwartung, in
nächfler Zeit das abfchliefsende Urkundenbuch und
die verfprochene Gefchichte zu erhalten, foll — fo
durften wir nach dem 3. Bande fchliefsen — zunächft
noch nicht erfüllt werden. Wir müffen auf einen 4.
Band ,Quellcn' gefafst fein. Nun, wer befchiede fich
nicht gern, wenn der Kenner verfichert, dafs zu ab-
fchliefsenden Arbeiten die Zeit noch nicht gekommen
fei? Allein ein Anderer hat anders geurtheilt. G. L.
Hahn hat nicht nur jene Zurückhaltung Caspari's
für überflüffig erachtet, fondern er hat felbft den Muth
gehabt, der Einlöfung des von diefem gegebenen Ver-
fprechens zuvorzukommen und uns mit einer .Bibliothek
der Symbole und Glaubensregeln' zu befchenken. Ich
fage ausdrücklich ,den Muth gehabt'; denn feiten wird
fich ein Autor der Kritik gegenüber in eine fo exponirte
Lage begeben haben, wie der Herausgeber der neuen
Bibliothek. Diefe hat fich in diefem Ealle um die Be-
dürfnifsfrage fo wenig zu kümmern, wie darum, ob
das vorliegende Buch in mancher oder in vieler Hinficht
brauchbar ift. Dafs letzteres in der That der Fall ift,
foll deshalb hier auch nur beiläufig conftatirt werden.
Sie hat auch zunächft nicht die Aufgabe, feftzuftellen,
ob die neue Auflage die frühere an Werth übertrifft.
Wer könnte übrigens daran zweifeln, bedenkend, dafs
ein Zeitraum von 35 Jahren zwifchen beiden Auflagen
liegt? Darnach vielmehr ift einzig zu fragen, welche
Vorarbeiten Hahn berechtigt haben, dem angekündigten
Urkundenbuche Caspari's mit feiner Bibliothek zuvorzukommen
. Das formale Recht wird Niemand beftreiten; aber
umgekehrt wird auchNiemand bezweifeln, dafs nur der es
wagen durfte, mit einer Bibliothek der Symbole hervorzutreten
, der fich bewufst fein konnte, durch felbftändige Studien
für ein folches Werk ebenfo wohl vorbereitet zu fein,
wie Caspari. Dafs es fich hier um eine zweite Auflage
handelt, ändert an der Sache nichts; denn die erfte, fo
fruchtbringend fie einft gewefen ift, konnte nur in einem
neuen Werk wieder aufleben. Das mufste auch der
Herausg. erkennen, und er hat fich diefer Einficht nicht
verfchloffen. Sein Buch ift faft in jeder Hinficht, felbft
im Titel, ein neues. Die Vorrede berichtet darüber ausführlich
, und eine auch nur flüchtige Vergleichung der
beiden Auflagen beftätigt feine Angaben.

Eine genaue Prüfung des Hahn'fchen Buches hat
Ref. davon überzeugt, dafs dasfelbe zu einem grofsen
Theile auf den Arbeiten Caspari's beruht. Zwar
find auch die Unterfuchungen Heurtly's, Denzinger's,
v. Zezfchwitz's u. A. benutzt, auch Manfi's Concils-
acten feheinen durchgefehen, aber unzweifelhaft find jene
Arbeiten die eigentliche Fundgrube des Herausg. ge- |

I wefen. Unter diefen Umftänden erfcheint die Veröffentlichung
diefer Bibliothek als ein fchwer zu rechtfertigendes
Unternehmen; die Weife aber, wie fich der Verf.
im Vorwort ausgefprochen hat, ift mindeftens irreführend.
In einer Anmerkung (p. VI) theilt er feinen Lefern mit,
dafs er ,den fo gründlichen und gelehrten Unterfuchungen
von Dr. C. P. Caspari befonders viel verdanke'.
Das ift alles; aber das ift viel zu wenig. Wer die Cas-
pari'fchen Arbeiten nicht kennt, kann aus diefer Notiz
durchaus nicht das richtige Urtheil über das Verhältnifs
derfelben zur neuen Bibliothek gewinnen Nun hat zwar
der Herausg. in den Anmerkungen, durch welche er die
einzelnen Symbole erläutert, Caspari's Unterfuchungen
nicht feiten citirt; aber auch hier hat er diefem Gelehrten
die Ehre nicht voll gegeben, die ihm gebührt. Denn
erftlich hat er eine Anzahl von Bekenntnifsen aufgenommen
, von deren Exiftenz er erft, foviel ich zu ur-
theilen vermag, durch gelegentliche Hinweifungen C.'s
auf diefelben, etwas erfahren hat, ohne dies anzudeuten.
Zweitens hat er nicht feiten die Refultate der C.'fchen
Beweisführungen ausgefprochen, ohne feine Quelle zu
nennen. Ad 1) erwähne ich den Glaubensdekalog des
Gregor von Nazianz (Hahn $ 13. Caspari T. III S. 70
n. 129. S. 71 n. 130. S. 78 n. 146), das Glaubensbekennt-
nifs des Pelagius I (Hahn § 153. Caspari T. III S. 74
n. 138. S. 75 n. 140. S. 217 n. 368); des Gregor d.
Gr. (Hahn $ 155. Caspari T. III S. 74 n. 139. S. 77
n. 145. S. 217 n. 368), des Gregor v. Tours (Hahn § 154.
Caspari T. III S. 74 n. 139). Auch zu § 8 (Glaubensregel
des Hippolyt) hätte Caspari T. III S. 52 n. 90 genannt
werden müffen. Ad 2) ift z. B. auf das zu verweifen, was
n. 41 zu § 16 über den Gebrauch des griechifchen Symbols
im Pfalt. Aethelft. bemerkt ift, wo Caspari T. III
S. 196 f. nicht citirt ift, oder auf n. 90 zu § 30, wo die
Beziehungen auf das carthag. Symbol in Auguftin's
Senn. 212 richtig hervorgehoben, aber die Ausführungen
Caspari's T. II S. 266 f. n. 5 nicht genannt worden find.
Es fcheint nun in diefen und ähnlichen Fällen die Annahme
nahe zu liegen, dafs der Verf. unabhängig von
Caspari durch eigenes Quellenftudium zu jenen Symbolen
und diefen Refultaten gelangt ift. Allein diefe Hypothefe
wird durch eine Reihe von Wahrnehmungen ziemlich un-
wahrfcheinlich gemacht. Ref. kann hier nur die gewich-
tigften derfelben mittheilen: Erftlich, die ganze Arbeit
trägt keineswegs überall den Stempel felbftändiger, kri-
tifcher Forfchung, ja auch nicht den der erforderlichen
Akribie. Dank den vortrefflichen Vorarbeiten treten
diefe fchlimmen Züge zurück; aber wo es galt, felbftän-
dig vorzugehen, werden fie fofort offenbar. So find die
Texte, fo weit fie nicht von Anderen recenfirt find, öfters
unkritifch abgedruckt. Editionen, die nach dem Erfcheincn
der erften Auflage herausgekommen find, wie die Har-
tel's für Cyprian, de Lagardc's für die Conftit. App.,
desfelben für die fyr. Didasc. Apostoloriini, find nicht benützt
. Und doch wären die gegebenen Symboltexte in
manchen Partieen anders ausgefallen, wenn der Herausg.
jene Ausgaben beachtet hätte. Woher der griechifche
Text von Iren. IV, 33,7 flammt 3), erfährt der Lefer
überhaupt nicht, und von Varianten in den § 5 u. 6
gegebenen Stücken wird gefchwiegen. Wie unkritifch
der Herausg. verfahren ift, dafür giebt feine Behandlung
des Bekenntnifses des Gregor v. Nazianz (5 13) einen
Beweis. Von C. auf dasfelbe aufmerkfam gemacht (f. o.),
hat H. es buchftäblich aus dem Cölner Nachdruck der
Bill'fchen Edition von 1690 mit den Druckfehlern abge
fchrieben. So S. 12 Z. 16 Ouitnqlav für (;wrr;ota, Z. 33
das finnlofe dexrov für öexaTov, Z. 37 änÖQQtjiai für
änÖQQriTa; ja H. hat gar nicht bemerkt, dafs das Symbol
ein Glaubensdekalog ift. Vor mir liegt eine Re-
cenfion desfelben Textes von C, die H. freilich noch
nicht kennen konnte. Eine Vergleichung der beiden
Texte ift für das ganze Verfahren des Herausg.
| gegenüber dem mühfamen Fleifse feines Vorgängers

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