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Ausgabe:

1878 Nr. 3

Spalte:

59-62

Autor/Hrsg.:

Tschackert, Paul

Titel/Untertitel:

Peter von Ailli. Zur geschichte des großen abendländischen Schisma und der Reformconcilien von Pisa und Constanz 1878

Rezensent:

Zoepffel, Richard

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 3.

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über die Latinität Tertullian's, die (ich als Particula I einer I Gehen wir nun auf die einzelnen Abfchnittc, in die
umfaffenden Unterfuchung ankündigt, ift nützlich und | das Buch zerfällt, näher ein; der erfte (S. 8—64), betitelt:
dankenswerth. Ueber die lange rhetorifche Einleitung . Jugendarbeit und Mannesmuth' (1350—84) — welcher als

foll hier nicht gerechtet werden. Wenn den Verf. die
Aufgabe, die altchriftl. Latinität zu erforfchen, wirklich
fo poetifch begeiftert, wie es den Anfchein hat, fo
braucht Niemand ihn herabzuftimmen, fo lange die Poefie
fich nicht in die Unterfuchung mifcht. Das ift hier nicht
gefchehen. Ob es aber gefchmackvoll ift, lexikalifche
Unterfuchungen mit Pfalmengefang zu begleiten, ift frei

eine Umarbeitung und Erweiterung der obengenannten
Diffcrtation anzufeilen ift — zeigt uns, wie T. nicht damit
fich begnügt, auf die Jugend und erften Mannesjahre
Ailli's bezügliche Notizen der verfchiedenften Bericht-
erftatter zu fammeln, dafs er auch aus den bisher
nicht edirten, nur handfehriftlich auf den Bibliotheken
von Canterbury, Paris, Brüffel, Wien vorhandenen Reden

lieh eine andere Frage. Die Arbeit zerfällt in 4 Capp. I und Abhandlungen desfelben neues Licht über den

1) De insolenUis in nonünuvi declinattone Tert. propriis.

2) De numeri voenm usu Tert. proprio. 3) Voc. abundan-
tia, lieteroclita, indeclinabdia Tert. usitata. 4) Generis
vocum aliquot vmtationcs a Tert. factae. Schon diefe
Ueberfchriften zeigen, dafs die Beurtheilung mehr Sache

innern Entwickelungsgang des Mannes zu verbreiten
bemüht ift. Als befonders werthvoll mufs Ref. die
Zeichnung von Ailli's kirchenpolitifchem Standpunkt beim
Antritt feiner Laufbahn (S. 16 ff.) hervorheben. Alles
was uns T. in diefem erften Abfchnitt bietet, ift die Frucht

des Philologen als des Hiftorikers ift; aber Ref. hat der I der felbftändigften Forfchung, brauchbare Vorarbeiten
Differtation Manches für die Erklärung einzelner Stellen j Banden ihm hier nicht zur Verfügung. Anders verhält es
entnehmen können und hofft, dafs die Eortfetzungen die , fich im 2. bis zum 6. Abfchnitt, in diefem bewegt fich T.
Ausbeute vermehren werden. auf einem .vielfach durchackerten Boden, an Schwab's

t • * , 1 r 11 1 ausgezeichneter Monographie über Joh. Gerfon befafs er

^eipzig-_Aooii narnack. füf viele einfcmägige Fragen einen trefflichen Führer;

t»«i.„„i« 1 t> • .j t- tsj t> 1 d 1 tun geht doch diefes Werk auf Ailli's Stellung zu der Parifer

Tschackert, Pnvatdoc. L.c. Df. Paul, Peter von A.II. Umvedltäti dcn PäpfteD) dem franz. Hofe und den Con-

(Petrus de Alhaco). Zur Gefchichte des grofsen c;ijen von Pifa und Conftanz fehr genau ein. Seine
abendländifchen Schisma und der Reformconcilien : Uebereinflimmung mit Schwab fucht Ti nirgends gefliffent-
von Pifa und Conftanz. Anhang: Petri de Alliaco I lich zu verbergen, mit anerkennenswerther Offenheit
aneedotarum partesselectae. Gotha 1877, F. A.Perthes. weift er immer wieder auf ihn hm Gewifs war T nicht
„ ai ^ „. .« 1 verpflichtet, auf alle kleinen Anlehnungen an feinen

XVI, 382 u. Anhang 53 gr. 8.) M. 9. - j Vorgänger in den Anmerkungen die Lefer aufmerkfam

zu machen, daher Ref. fern davon ift, die mehrmalige
Nichterwähnung Schwab's — deffen Namen er an circa
20 Stellen, aber meift bei Uebereinftimmung in unwichtigeren
Punkten vermifst hat — dem Verf. irgendwie
vorzuwerfen, doch wäre es in diefem hall angezeigt ge-
wefen, dafs T. auch die kleineren, fleh von felbft zurecht-
XX. Bande der Jahrbb. f. deutfehe Theologie und in der Hellenden Irrthümtr feines Vorgängers (z. B. S. 79, A. 2,

Zu diefer Monographie hat fleh der Verfaffer durch
Vorarbeiten, die ihm bereits die vollfte Anerkennung
der Fachgenoffen eingetragen, nämlich durch feine 1876
erfchienene Differtation: ,Petrus Alliaccnsis de ecclesia
quid docuerit', fowie durch zwei Abhandlungen über
fälfehlich dem Ailli zugefchriebene Schriften (in dem

Zeitfchrift für K. - Gefell, von Brieger Bd. 1) mit aller
Vorfleht und Gründlichkeit den Weg gebahnt. Die Eigen-
fchaften, welche die eben genannten kleinen Auffitze
auszeichneten, machen fich auch in dem vorliegenden
Werke Tfchackert's geltend: eine grofse Akribie, eine
umfäffende Quellenkenntnifs, die vertrautefte Bekannt-
fchaft mit der einfehlägigen Literatur und ein ruhiges,

S. 237, A. 5, S. 238, A. 1) übergangen hätte.

In dem zweiten Abfchnitt (S. 65—96), der uns Ailli
als Vorkämpfer für die Univerfität Paris und dann als
Hoftheologen fchildert, finden fich keine wefentlich Neues
bringende Ausführungen, wenn auch an der fleifsig zu-
fammengetragenen Quellengrundlage die Selbftändigkeit
der Forfchung wohl zu fpüren ift. Reicher an neuen

unparteiifches Uftheil. Auch hat der Verf. die Grenzen ; Refultaten ift der 3. Abfchnitt (S. 97—144), der Ailli
der rein darftellenden Form, die er für feine Monographie I als Bifchof in Cambrai und als Diener der Curie von
gewählt, trefflich einzuhalten gewufst; den fo häufigen! Avignon zeichnet. Von einem traditionell gewordenen
Fehler — auf den Ref. oftmals in Anzeigen hingewiefen ! Ballaft befreit T. die Verhandlungen Ailli's mit den
— die Forfchung in den darftellenden Text hineinzu- ! Gegenpäpften im Jahre 1398, indem er die von Froifsart
tragen, vermeidet T., indem er kleinere Unterfuchungen ! jenem wie diefen zum Oefteren in den Mund gelegten
in die Anmerkungen, gröfsere in die Beilagen verweift. Reden nicht als wörtliche Aeufserungen der Betheiligten,
Der Styl des Verfaffers ift ein anfprechender, würde j fondern als freie Conceptionen fafst, ,durch welche der
aber noch gewonnen haben, wenn T. die Phrafe mehr dramatifirende Erzähler, entfprechend dem Charakter
zurückgedrängt und Ausdrücke, wie z. B. die immer der Handelnden, feine Darfteilung lebendig gemacht hat',
wiederkehrende Bezeichnung Ailli's als eines ,Freiconfer- Nicht zuzuftimmen vermag Ref. der Annahme T.'s, dafs
vativen' vermieden hätte. Als einen fchwerwiegenden Ailli 1398 zweimal "an die Avignonenfer Curie gegangen
Fehler in der Gefammtanlagc des Buchs mufs es Ref. (S. 102, A. 1); Froifsart und die Artikel der fünften
anfehen, dafs der Verfaffer Ailli's gefammter Theologie Sitzung des Pifaner Concils — die nach des Verfaffers
nur 20 Seiten (308—328) gewidmet hat. Wenn T. (Vorw. j Behauptung in den näheren Beftimmungen jener Reife
p. IX) erklärt, dafs er fich zu einer ausführlichen Be- Ailli's im Jahre 1398 völlig auseinander gehen follen —
handlung der Theologie Ailli's ,nicht entfchliefsen konnte', Bimmen, was den Zeitpunkt anlangt, gut zufammen,
,weil ein Verfuch diefer Art würde haben auf üccam ; fobald man nur nicht das Wort ,intendensl in der zweitzurückgehen
müffen, die Darftellung von deffen Theologie I genannten Quelle allzufehr prefst. Anerkenncnswerthe
aber wieder felbft eine umfangreiche Arbeit fordere', fo ! Mühe giebt fich T., alles irgendwie brauchbare Material
kann Ref. in diefen Worten kaum mehr als das Geftändnifs herbeizuziehen, um das Walten Ailli's als Bifchof in
einer augenblicklichen Ermüdung fehen; war doch die ! Cambrai zu beleuchten. Nachdem der Verf. des Bifchofs
Inangriffnahme diefer Arbeit dringender geboten als die > Verhalten zu Benedict XIII. 1403 —1408) in einer mit
Darfteilung der kirchenpolitifchen Thätigkeit Ailli's. ' Schwab übereinftimmenden Weife gezeichnet hat (S. 120 ff.),
Während diefe bereits von mehreren namhaften Gelehrten | läfst er die Lefer, bevor er zum Concil von Pifa über-
theilweife unterfucht worden ift — worauf wir fpäter geht, noch einmal in Ailli's innerftes Geiftesleben hinein-
noch zurückkommen werden — fehlt es uns für die blicken und zeigt in klarer, anfprechender Weife, worin
Theologie des Cardinais v. Cambrai an allen gediegenen fich des Bifchofs von Cambrai kirchenpolitifcher Stand-
Vorarbeiten, punkt im Verlauf der Jahre geändert, worin er fich