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Ausgabe:

1878 Nr. 3

Spalte:

55-59

Autor/Hrsg.:

Otto, Jo. Car. Th. Eques de (Ed.)

Titel/Untertitel:

Justini, philosophi et martyris, Opera quae feruntur omnia. Tom. I, Pars II.: Opera Justini indubitata. Editio tertia plurimum aucta et emendata 1878

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 3.

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(S. 23) den trüben und düftern volksthümlichen An-
fchauungen den Glauben an Gottes Allmacht und Allgegenwart
gegenübergeftellt hat, welcher die Möglichkeit
noch eines andern Ausgangs für den Menfchen zeigen
konnte, läfst er die richtige Bemerkung folgen, dafs
für das religiöfe Denken nicht fowohl diefe abftracte
Möglichkeit in Betracht kam, ,als vielmehr das, ob der
Menfch es verdiene, dafs Gott von einer folchen Möglichkeit
Gebrauch mache'. Dagegen kann ich in der
berühmten Stelle Hiob 19, 25 ff., worin übrigens der
Dichter feinen Helden keine Hoffnung, fondern vo lle
Gewifsheit ausfprechen läfst, keineswegs mit St. die
Ueberzeugung (S. 26), es fei ,mit Gottes Gerechtigkeit
durchaus unverträglich, dafs das Leiden einen Gerechten
endgültig zum Sünder ftemple', in der Weife ausgedrückt
finden, als meinte Hiob, nach feinem Tode, verfchieden
von den theilnahmlofen Schatten, voll Freude feine auf
Erden gefchehende Unfchuldsrettung "in der Scheol mit
zu erleben. Auch hätte ich den Gedanken der unzer-
reifsbaren Gemeinfchaft des Frommen mit Gott (S. 29)
gerne mehr vorangeftellt gefehen.

Allein diefe Ausftellungen follen den Werth der
Arbeit nicht beeinträchtigen; fie orientirt den Lefer im
Ganzen gut und giebt manche treffliche Bemerkungen.
Die äufsere Ausftattung des Schriftchens ift eine durchaus
würdige; Druckfehler lyibe ich nur auf S. 10. 16.
21 f. 34 bemerkt.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

1. Justini, philosophi et martyris, Opera quaeferuntur omnia.

Ad optimos libros mss. nunc primum aut denuo col-
latos recensuit, prolegomenis et commentariis instruxit,
translatione latina ornavit, indices adiecit Jo. Car.
Th. Eques de Otto. T. I. P. IL: Opera Justini in-
dubitata. Edit. III. plurimum aucta et emendata.
[A. u. d. T.: Corpus apologetarum christianorum sae-
culi secundi. Vol. IL] Jena 1877, Dufft. (609 S.
gr. 8.; M. 10. 80.

2. Hauck, Pfr. Alb., Tertullian's Leben und Schriften.
Erlangen 1877, Deichert. (VI, 410 S. gr. 8.) M. 5. 6b.

3. Schmidt, Lehr. Franc. Jos., De latinitate Q. Sept. Flor.
Tertulliani presbyteri. (Pars I.) Commentatio aditialis
philologica. Erlangae 1877 , typis E. Th. Jacob.
(43 S. gr. 8.)

1. Die neue Bearbeitung des Dialogus cum Tryphonc
für die 3. (2.) Auflage des Corpus Apologetarum liegt in
dem zweiten Bande diefes Werkes abgefchloffen vor.
(Vgl. die Anzeige des 1. Bandes in diefer Zeitfchr.
Jahrg. 1876 Nr. 13 S. 339 f.). Schon ein Blick auf den
Umfang diefer dritten Auflage im Vergleich mit dem
der zweiten zeigt, wie fehr der hochverdiente Herausgeber
bemüht gewefen ift, fein Werk zu verbeffern und
möglichft zweckmäfsig zu geftaltcn. Durch die Neubearbeitung
des Commentars ift der Band um faft zwei
Bogen ftärker geworden. Was in den 29 Jahren feit dem
Erfcheinen der 2. Aufl. auf dem Felde der Juftin-Kritik
und -Erklärung geleiftet worden ift — es ift freilich
wenig genug —, ift überaus forgfältig beachtet und vermerkt
worden. So find viele nützliche Anmerkungen
hinzugekommen, manche find erweitert und befonders
nach der fprachliehen Seite vermehrt. Dafs v. Otto
die c. 35 (p. 120) genannten Muo/.iavoi für Marcioniten
hält, ift dem Ref. neben anderem erfreulich gewefen;
f.' den gründliehen Commentar zu diefer Stelle. Der
Text, obgleich v. Otto jetzt erft eine genaue Collation
des Cod. B vorlag, ift ziemlich derfelbe geblieben. Dies
konnte nicht anders fein, da B eben nur ein Abklatfch
von A zu fein fcheint und diefer Codex durch Hafe's
Bemühung fehr genau bekannt war. Immerhin wäre es

| noch eine dankenswerthe Unterfuchung, feftzuftcllen,
woher, die Marginalien in B flammen und wie alt fie
find. Ref. ift die Vermuthung aufgeftiegen, ob nicht B,
wie er jetzt vorliegt, fchon die Spuren eines Einfluffes
des gedruckten Textes zeigt, doch möchte er diefe Vermuthung
nicht für eine begründete Hypothefe gehalten
wiffen. Vielleicht entfchliefst fleh der Herausgeber felbft
zu einer Mittheilung über das Verhältnifs von A und B;
jedem anderen würde die abfchlicfsende Bcurtheilung
desfelben — wenn überhaupt möglich — fehr mühevoll
fein. Vor allem aber gebührt von Otto für die ebenfo
forgfamen als ausführlichen Indices der befte Dank. Aus
40 S. find — allerdings bei bedeutend fplendiderem
Druck - 109 geworden! An den Index verborum notatu
, digniorum (p. 503 — 530) fchliefst fleh der fehr brauchbare
I Ind. rerum (p. 531—578) und daran ein doppelter Stcllen-
index (Script. Sacr. et Prof. p. 57g—594).* Es folgt nun
ein Verzeichnifs der Schriftfteller, die Juftin's Werke
ausdrücklich oder ftillfchwcigend citirt haben. Allerdings
find in der letzteren Kategorie nur die deutlichften Stellen
I berückfichtigt worden. Gerade hiezu wäre nun manches
I zu bemerken: das Verzeichnifs in der vorliegenden Ge-
ftalt (S. 595. 596) kann höchftens als ein Anfang zur
Unterfuchung der Frage nach der Verbreitung Juftin's
gelten. Die Indices über den Commentar bilden den
Befchlufs. Möge die Bearbeitung des umfaffenden Werkes
fo rüftig fortfehreiten wie bisher; dann dürfen wir
auch auf den neuen Tatian und Theophilus nicht allzulange
mehr warten, die gewifs den Mciften unter uns
befonders willkommen fein werden.

2. Die Monographie Hauck's über Tertullian zeugt
von langjähriger und felbftändiger Befchäftigung mit
diefem Schriftfteller, von nicht gewöhnlicher Belefenheit
in der altkirchlichen Literatur und von einem nüchternen
Urtheil. Im Vergleich mit den Arbeiten von Neander
und Böhringer bezeichnet fie nach manchen Seiten hin
einen erfreulichen Fortfehritt. Befonders Böhringer
gegenüber ift hervorzuheben, dafs es dem Verf. gelungen
ift, die Referate aus den Schriften Tertullian's ausführlich
genug und doch knapp und lesbar zu geftalten.
Die Dispofition der Arbeit ift vortrefflich, die Darfteilung
fchlicht und einfach; kritifche Excurfe, Schilderungen
und Referate find gefchickt in einander verwoben u. f. w.
Aber zu einer ausreichenden Monographie über Tertullian
, die fo erwünfeht wäre, gehört eben noch mehr, als
die Vorkenntnifse und Eigenfchaften, die der Verf. be-
feffen hat; dazu gehört vor allem die Emancipation von
der katholifch-traditionellen Gefchichtsbttrachtung auch
in der Temperirung, die fie durch Neander erhalten hat.
Handelt es fleh um die Würdigung irgend eines Bruch-
ftückes aus der Literatur des 2.Jahrh.'s, fo find die Ge-
fichtspunkte, unter welchen man es zu betrachten hat,
allerdings oft genug kaum mehr zu enträthfeln ; aber die
Zeit Tertullian's ift, Dank der Thätigkeit diefes Schrift-
ftcllers und Anderer, doch fo hell, dafs nicht nur die in
ihr wirkfamen Gröfsen trotz der Nebel, die eine fpätere
Zeit verbreitet hat, noch ausreichend erkannt werden
können, fondern dafs auch die Epoche der Antonine
nach manchen Richtungen hin Licht empfängt. Aber
in diefer Beziehung hat fleh Hauck nicht belehren laffen
wollen und damit auf den wichtigften Dienft, den ihm
Tertullian's Schriften leiften konnten, verzichtet. Was
über die Lage der Kirche in Verfaffung, Disciplin und
Lehrordnung, über den Montanismus, die gnoftifchen,
marcionitifchen, monarchianifchen Kämpfe vom Verf.
bemerkt wird, u.nterfcheidet fleh nicht wefentlich von
dem, was allüberall über diefelben zu lefen ift. Wann wird
endlich das Vorurtheil gebrochen fein, dafs mit der Einführung
einiger evangelifch-kritifcher Richtlinien in die
katholifche Gefchichtsbetrachtung die Mafsftäbe zur ge-
ficherten Beurtheilung der alten Kirche, ihrer Lehr- und
Lebensentwickelung, ihrer Weltftellung, gegeben feien!
Bringt uns nach diefer wichtigften Seite hin das Werk