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Ausgabe:

1878

Spalte:

49-54

Autor/Hrsg.:

Keil, Carl Friedr.

Titel/Untertitel:

Commentar über das Evangelium des Matthäus 1878

Rezensent:

Weiß, Bernhard

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Theologische Literaturzeitung,

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schürer.

Ericheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 3. 2. Februar 1878. 3. Jahrgang.

Keil, Commentar über das Evangelium des

Matthäus (Weifs).
S tade, Lieber die altteftamentlichen Vorftellungen

vom Zuftande nach dem Tode (Kamphaufen).
Justini philosophi et martyris Opera quae

feruntur omnia ed. Otto, P. II (Harnack).
Ilauck, Tertullian's Leben und Schriften (Derf.).
Schmidt, De latinitate Q. Sept. Flor. Ter-

tulliani presbyteri (Derf).
Tfchackert, Peter von Ailli. Zur Gefchichte

des grofsen abendländifchen Schisma und

der Reformconcilien von Fifa und Conftanz
(Zoepffel).

Schmidt, Wittenberg unter Kurfürfl Friedrich

dem Weifen (Plitt).
Thierfch, Melanchthon (Derf).
Meier, Der Dienfl der lutherifchen Kirche am

deutfehen Volk im dreifsigjährigen Kriege

(Derf).

Mettgenberg, Ritualismus und Romanismus

in England (Derf).
Weifs, Die chriftliche Idee des Guten und ihre

modernen Gegenfätze (Kraufs).

Kahnis, Predigten, 3. Sammlung (Lehmann).

Luthardt, Das Wort des Lebens, Predigten
(Derf).

Hamann, Die Magi aus dem Morgenlande zu
Bethlehem; Sokratifche Denkwürdigkeiten.
Mit Anmerkungen von Kühn (Kattenbufch).

Mezger, Schulrath Dr. Georg Cafpar Mezger,
Leben und Wirken eines evangelifchen Schulmannes
(Boeckh).

Entgegnung von Benrath.

Erwiederung von Möller.

Keil, Prof. D. Carl Friedr., Commentar über das Evangelium
des Matthäus. Leipzig 1877, Dörffling & Franke.
(IV, 621 S. gr. 8.) M. 11. —

Das erfte Evangelium rührt ganz in der r"orm, in
der es uns vorliegt, von der Hand des Apoftel Matthäus
her; die Nachricht von einer hebräifchen Schrift desfelben
beruht auf einer Verwechslung mit dem Hebräerevangelium
. Natürlich ift demnach auch jede Angabe des
Evangeliums im ftrengften Sinne gefchichtlich, feine
langen Reden find genau fo gehalten, ein Widerfpruch
mit irgend einer abweichenden Angabe der andern beiden
Synoptiker oder gar des Johannes exiftirt nicht. Wer
Alles, was in diefem Sinne je von der Apologetik und
Harmoniftik gefagt ift, nicht ohne Gefchick gefichtet
und mit grofsem Fleifs zufammengeftellt, auch wohl mit
neuen Inventionen bereichert, fich vorführen will, der
lefe den ncuelten Commentar zum Matthäus von C. F.
Keil. Von der Methode des Verfaffers nur einige Proben.
Bei der Annahme einer zweiten Speifung fällt auf, dafs
die Jünger gar nicht der erften zu gedenken fcheinen.
,Hätten etwa die Jünger Jefu an die frühere wunderbare
Speifung erinnern oder auf eine Wiederholung jenes
Wunders hindeuten follen? So etwas fich herauszunehmen
verbot ihnen die Ehrfurcht vor der Hoheit
des Herrn'. ,Und warum foll denn eine Wiederholung

diefes Wunders unglaublich fein? Doch wohl nicht gangen werden und 21,1 die naheliegende Annahme einer

deshalb, weil Jefus ein folches Wunder nur einmal hätte
thun können? Oder weil er das zweite Mal mit mehr
Broten weniger Menfchen als das erfte Mal fatt machte?'
(pg. 342 f.) Woher foll Jefus nicht das Vaterunfer zweimal
gefprochen haben? Erftens weifs man ja nicht, ob
der Jünger, der Luc. 11,1 um ein Muftergebet bittet, bei der
Bergpredigt anwefend gewefen und zweitens nicht, ob
die Jünger das dort gegebene als eine Gebetsformel genommen
haben, deren fie fich beim Beten bedienen
follten? (pg. 183). Ueberall heben fich die fcheinbaren
Widerfprüche ganz ,einfach'. Nach Marc heifst Jefus
die Jünger mit dem Stab in der Hand ausziehen, nach
Matth, follen fich die Jünger auch nicht einen Stab für
die Reife anfehaffen sc. aufser dem Stabe, den fie
bereits im Gebrauch haben (pg. 255). Ob wohl die
Jünger fich Referveftöcke mitzunehmen wünfehten? Und
wenn Luc. bei der Gefangennehmung Jefum zotig naga-
yevo/xtvovg 7igbg uvxbv ugyiegeig anreden läfst, fo ift das
nur ,fo zu verftehen, dafs in den Dienern die Obcrften
angeredet find' 'pg. 555). Wenn die Jünger nach Marc,
den Herrn um die Parabeln fragen, fo ift das ,nur allge-

Will es einmal mit der Löfung nicht recht gehen, fo
ift die Differenz ,von untergeordneter Bedeutung' oder
der verfchiedene Plan der Evangelien mufs aushelfen
(pg. 439). Die Petrusfcene auf dem Meer erfchien den
andern Evangeliften weniger wichtig (pg. 333), Anderes
— man ficht freilich fchlcchterdings nicht warum —
hatte für die Heidenchriften wenig Intereffe (pg. 504),
und wenn Marc, nicht die ganze Rede Matth. 24—25
bringt, fo hat er ,planmäfsig' längere Reden ausgelaffen
Cpg. 410), obwohl er eben noch die ganze eigentliche
Parufierede gebracht hat. Das ganze Problem der Ver-
wandtfehaft zwifchen den Synoptikern löft K. ohne
Schwierigkeit auf einer Seite (41). Kein Wunder, wenn
er dasfelbe fo wenig angefehen, dafs er bei Luc. den
Ausfätzigen vor der SchwiegermutterPetri geheilt werden
läfst (pg. 218) oder Marc, und Luc. die Perikopen Matth. 9,
1 —17 ,an die Bergpredigt (!) und die Heilung des Ausfätzigen
anreihen läfst' (pg. 236), wie er auch noch
pg. 286. 290 fagt, dafs Marcus Erzählungen ,an die
Bergpredigt' anreihte, obwohl derfelbe diefe bekanntlich
gar nicht hat.

Sehr forgfältig und mit eindringender Kenntnifs ift
natürlich alles Archäologifche behandelt, auch die Varianten
werden meift forgfältig erwogen, obwohl auch
wichtige Lesarten, wie das Fehlen des yäg 1,18 und des
01 22,23 in den älteften Codd., gelegentlich ganz über-

Conformation des ngng nach den Parallelen gar nicht einmal
erwogen wird. Das Sprachliche ift eingehend behandelt,
wenn auch faft nur mit Verweifungen auf Winer und
Kühner. Wo er einmal etwas eingehender feine von
Meyer abweichende Anficht begründet, wie in der Erörterung
über das Plusquamperfect (pg. 325), ift er nicht
glücklich. Jedenfalls hätte er nicht den Druckfehler bei
Meyer pg. 234, wonach nipt.ijivxai Perf. Jnf. Pass. fein
foll, herübernehmen (vgl. 237: ,dorifche Form des
perf. infin. pass.') und pg. 238 ebenfo eine Bemerkung
über den intranfitiven Gebrauch der Activverba (vgl.
Meyer pg. 235;, die fich dort auf tyeige bezieht, während
er eyelgai (foll heifseiv. eyeigai) und eysgd-etg lieft.

Die Exegefe felbft ift vor Allem eine ftark dogma-
tifirende. Höchft charaktcriftifch lehnt K. eine gefchicht-
liche Erklärung der Bergpredigt pg. 209 damit ab, dafs
diefelbe ja ,nicht blofs für die damaligen Zuhörer, fondern
für alle Jünger in der Gegenwart und Zukunft gehalten'
fei. Was er pg. 186 über die Heiligung des göttlichen
Namens fagt, mag ein guter Entwurf für ein praktifche
Katechefe fein, Exegefe ift das nicht mehr, und fo faft

meiner ausgedrückt', dasfelbe, wie wenn fie nach Matth. J überall, wo fich die Erklärung etwas mehr in erbaulicher
nach dem Zweck des Parabellehrens fragen (pg. 311). Breite ergeht. Dafs die Gerechtigkeit 5,6. u. 6,33 in

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