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Ausgabe:

1878 Nr. 26

Spalte:

641-644

Autor/Hrsg.:

Fischer, Alb. Friedr. Wilh.

Titel/Untertitel:

Kirchenlieder-Lexikon. Hymnologisch-literarische Nachweisungen über ca. 4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten in alphabetischer Folge, nebst einer Uebersicht

Rezensent:

Bertheau, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 26.

642

Fischer, überpfr. Superint. a. I). Alb. Fricdr. Willi.,
Kirchenlieder-Lexicon. Hymnologifch-literarifche Nach-
weifungen über ca. 4500 der wichtigften und ver-
breitetften Kirchenlieder aller Zeiten in alphabetifcher
Folge, nebft einer Ueberficht der Liederdichter. Erftc
Hälfte, die Lieder aus den Buchftaben A—J um-
faffend. Gotha 1878, F. A. Perthes. (XXXI, 418 S.
gr. 8.) M. 12. —

Wer jemals in der Lage gewefen ift, zu jedem Liede
eines Gefangbuchs den Verf. angeben oder gar, wie das
bei dem Hamburger Gefangbuch (1. Auflage in drei ver-
fchiedenen Drucken 1843, 15. Aufl. des kleinen Druckes
1875) gefchehen ift, aufserdem auch noch das Jahr, in welchem
jedes Lied gedichtet oder doch zum erften Male
gedruckt ift, hinzufügen zu follen, oder wer eine folche
Arbeit auch nur nach dem heutigen Stande der hym-
nologifchen Forfchung zu revidiren gehabt hat, wird an
der Nützlichkeit eines Werkes, wie das hier vorliegende
ift, nicht zweifeln. Im Gegentheil, bei der Verbreitung
und Beliebtheit hymnologifcher Studien in
unfern Tagen einerfeits und der Schwierigkeit, an die
eigentlichen Quellen für diefelben heranzukommen und
die ftets wachfende Literatur auf diefem Gebiete zu
überfehen und das Brauchbare herauszufinden, anderer-
feits, ift eine folche überfichtliche Zufammenfaffung der
Refultate, wie fie der Verf. diefes Kirchenliederlexicons
in diefer Weife zum erften Male unternommen hat, ein
höchft dankenswerthes und willkommenes Werk. Und
wenn wir ihm glauben, dafs dasfelbe ,eine Frucht langjähriger
mühfamer Arbeit fei', fo hoffen wir auch, dafs
die Aufnahme, welche es finden wird, ihm zeige, dafs
er nicht vergeblich gearbeitet habe.

Der Verf. führt die von ihm berückfichtigten Lieder
ihrem Anfange nach, meiftens zwei Zeilen, in alphabetifcher
Reihenfolge auf und giebt zu jedem Liede zunächft
ganz kurz Inhalt, Länge und Melodie an, nennt dann
den Namen des Dichters und citirt diejenigen der zwölf
zunächft berückfichtigten Gefangbüchcr (f. unten), in
welchen es fich findet, refp. diejenigen, in denen es nicht
vorhanden ift; darauf werden in kleinerem Drucke Angaben
über die erften Drucke, über etwaige verfchiedene
Meinungen hinfichtlich feines Verfaffers oder auch über
die Gefchichte des Liedes und über feine Verbreitung
in den Gefangbüchern hinzugefügt. Diefe Angaben find
von fehr verfchiedener Länge, oft nur wenige Halbzeilen,
einige Male auch mehrere gcfpaltene Seiten engen
Druckes füllend. Die zweite Hälfte des Werkes, welche
bald nachfolgen foll, wird, wie der Titel fchon ankündigt
, auch eine Ueberficht der Liederdichter bringen;
wie diefe eingerichtet fein wird, ift noch nicht mitge-
theilt, fo viel'uns bekannt geworden. Diefe Anlage des
Werkes, zunächft alfo die des eigentlichen Liederlexicons,
entfpricht dem Zwecke völlig; gegen fie wird fich nichts
einwenden laffen; hat ein Lied in verfchiedenen Bearbeitungen
verfchiedene Anfänge, fo mufs es an beiden
Stellen, an denen es gefucht werden kann, flehen und
an der einen auf die andere hingewiefen werden.

Die fchwierigfte Frage war für den Verfaffer die,
nach welchem Grundfatz aus der grofsen, für einen
Einzelnen unüberfchbaren Fülle von Liedern die noth-
wendige Auswahl getroffen werden follte. Gewifs mufs-
ten die beften und am meiften bekannten Lieder aufgenommen
werden j aber wonach follte entfehieden werden,
ob ein Lied zu diefen zu rechnen fei oder nicht? Zunächft
ift es gewifs richtig, dafs der Verf. fich keine
zeitliche Grenze gefetzt hat; auch Lieder aus diefem
Jahrhundert find aufgenommen, vgl. ,Aus irdifchem Getümmel
', .Eine Heerde und ein Hirt'. Der Titel verfpricht
.Nachweifungen über ca. 4500 der wichtigften und ver-
breitetften Kirchenlieder aller Zeiten'; das drückt aber
doch wohl die Meinung des Verfaffers nicht genau aus;

| es handelt fich doch auch ihm wefentlich nur um das
| deutfehe evangelifche Kirchenlied. Denn wenn er
auch einzelne lateinifche Hymnen berückfichtigt hat, fo
j gefchieht das doch nur in der Weife, wie auch Wacker-
I nagel in fein ,Das deutfehe Kirchenlied' genanntes Werk
lateinifche Hymnen und Sequenzen aus der vorreforma-
I torifchen Kirche aufnahm, wie denn unfer Verf. auch
[ felbft auf S. VI der Vorrede fagt, foweit als ,fie fich
als fruchtbare Samenkörner für das evangelifche Kirchenlied
erwiefen haben'. Trotz der Aufnahme diefer wenigen
lateinifchen mittelalterlichen Lieder, welche übrigens
nach unferer Anficht ohne Schaden in diefem Werke
I auch hätten unberückfichtigt bleiben können, wäre daher
doch wohl eine Bezeichnung gerechtfertigt gewefen,
I nach welcher das Aufserdeutfche und das Katholifche
ausgefchloffen bliebe. Aber wenn wir denn nun und
zwar auch im Sinne unferes Verf. an das deutfehe evangelifche
Kirchenlied von Luther bis auf imfere Tage
denken, — auf welche Weife follte die Auswahl getroffen
: werden? Der Verf.* der in der Nähe von Magdeburg
lebt, hat fich an die bedeutendften Gefangbücher der
Provinz Sachfen gehalten; unter diefen fteht ihm das
alte magdeburger in allen feinen Geftalten von 1534
! bis 1738 obenan; aufser diefem find es zunächft acht,
j welche auch in der Provinz Sachfen entftanden find, das
klofterbergifche, das halberftädter, das altmärkifch-prieg-
I nitz'fche, das Freylinghaufen'fche, das Struenfee'fche,
das wittenberger, das fuhl'fche und das henneberger
j Gefangbuch, die er berückfichtigt, und zwei, welche
| zwar nicht in der Provinz Sachfen entftanden, aber doch
in ihr gebraucht werden, wenn wir ihn recht verftehen,
nämlich das Porft'fche und das minden-ravensberger;
zu diefen tritt als zwölftes der berliner (Elsner'fche) Lie-
derfchatz in der Ausgabe vom Jahre 1863, ,um den Lie-
| dem aus der Zeit des neuerwachten Glaubenslebens eine
etwas reichlichere Vertretung zu gewähren', S. VIII; aus
' diefen zwölf Gefangbüchern ,find mit verfchwindenden
Ausnahmen die gefammten Liederbeftände übernommen
worden', ibid. Beachtet man dabei, dafs aufser dem
Elsner'fchen diefe Gefangbücher in ihren verfchiedenen
Auflagen, foweit es folche giebt, berückfichtigt find und
dafs unter ihnen gerade folche find, welche für die Gefchichte
des Kirchenliedes von ganz entfeheidender Bedeutung
gewefen find, fo wird man fagen müffen, dafs
j dem Verf. gelungen ift, ein fachlich berechtigtes Princip
1 für die Begrenzung feiner Aufgabe zu finden. Ob nun
wirklich die im evangelifchen Deutfchland in den Gemeindegefangbüchern
verbreitetften Lieder fich in feinem
Lexicon finden, wird nur längerer Gebrauch desfelben
ausweifen können; im grofsen und ganzen wird es gewifs
der Fall fein. Vielleicht würde es für eine zweite
Auflage fich empfehlen, dafs der Verf. auch ein nord-
deutfehes und ein füddeutfehes, etwa ein mecklenburger
oder hannöverifches und ein württemberger Gefangbuch
auf diefelbe Weife benutzte, da doch möglicherweife
Lieder von recht grofser Verbreitung im übrigen Deutfchland
in den Gefangbüchern der Provinz Sachfen keine
Aufnahme gefunden haben. Die 150 Kernlieder des
f. g. eifenacher Gefangbuches, natürlich foweit fich das
fchon fehen läfst, d. h. foweit fie mit einem Buchftaben
vor K beginnen, find ausnahmslos vorhanden. Aus dem
Gefangbuch für die evang. luth. Kirche in Mecklenburg-
Strelitz, Neuftrelitz 1875, einem vortrefflichen neuen Gefangbuch
, fehlt nach einem ungefähren Ueberfchlag etwa
der neunte Theil der Lieder im Lexicon. Das fchon
genannte hamburger Gefangbuch hat 409 Lieder, welche
mit den Buchftaben A bis J anfangen; von diefen find
nur 165 im Lexicon genannt, bei welcher Zählung im
Falle einer nur leichten oder allgemein bekannten Abänderung
der Anfangszeile im hamb. Gefangbuch das
Lied als ein im Lexicon genanntes gerechnet ift; diefe
geringe Zahl hat ihren Grund darin, dafs in diefem Gefangbuch
manche ältere Lieder fich in folchen Ueber-