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Ausgabe:

1878 Nr. 26

Spalte:

639-640

Autor/Hrsg.:

Oswald, J. H.

Titel/Untertitel:

Die Erlösung in Christo Jesu nach der Lehre der katholischen Kirche dargestellt. 2 Bde 1878

Rezensent:

Weber, Th.

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639

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 26.

640

zufammengetragen, was auf den gewohnten Gängen durch
den Pfarrfprengel von den Betagten forgfam erkundet
oder durch eignes Forfchen der ftummen Erde abge-
laufcht wurde, das biete ich jetzt meiner Gemeinde auf
ihren Wunfeh in diefen Blättern gefammelt dar'. Neben
der mündlichen Ueberlieferung und zahlreichen für diefe
Gegend in Betracht kommenden Gefchichtswerkcn älterer
und neuerer Zeit hat der Verf. eine grofse Anzahl hand-
fchriftlicher Quellen benutzt, welche insbefonciere für
die letzten Jahrhunderte ihm reichlich zu Gebote handen.
Es find das u. a. Urkunden aus den Archiven benachbarter
Klöfter z. B. Medingen und Lüne, aus Pfarr-
archiven u. dgl. m.; namentlich wird das ,Wichmanns-
burger Kirchenbuch', welches nach einer Anmerkung
auf S. 114 i. J. 1685 vom Paftor Löhner angelegt ift, fo
oft als Quelle genannt, dafs eine genauere Befchreibung
desfelben nur ungern entbehrt wird. — Am wenigften
befriedigen die einleitenden Capitel; in ihnen wird eine
kurze Ueberficht deffen, was man von den Bewohnern
diefer Gegend, des alten Bardengaus, aus der Zeit vor
der Gründung von Wichmannsburg weifs, mitgetheilt.
Der Verf. folgt hier vor allem den Refultaten von
PI ammerftein's in deffen grofsem WVrke über den
Bardengau (Hannover 1869), was gewifs berechtigt ift;
dabei find jedoch einige Verfehen flehen geblieben (fo
mufs es z. B. gleich in der 1. Anmerkung auf S. 112
annales Laurissenses und Leverkus heifsen), an denen
von Hammerftein nicht Schuld ift. Schwerlich würde
jedoch der Verf. im vierten Capitel: .wie die Bardengauer
Chriften wurden', fich der Führung Heinrich
Böttger's anvertraut haben, wenn ihm die Recenfion
des Werkes desfelben (Einführung des Chriftenthums in
Sachfen, Hannover 1860), von Waitz in den Göttinger
gelehrten Anzeigen (1860, S. 127 bis 137; bekannt ge-
wefen v.äre; was S. 8 und 9 unterer Chronik über die
kirchlichen Einrichtungen Carls des Grofsen gefagt
wird, wird vor den Refultaten der heutigen Gefchichts-
forfchung nicht mehr beftehen können, wie fchon
gröfstentheils aus Rettberg's Kirchengefchichte Deutfch-
lands, vgl. z. B. II (1848), S. 455 ff., zu erfehen ift, von
den Darftellungen Gicfebrecht's, Abel's und anderer
ganz zu fchweigen. Da die Chronik im übrigen fehr
geeignet ift in Wichmannsburg und Umgegend ein allgemein
verbreitetes Buch zu werden, aus dem Alt und
Jung die heimathlichen Verhältnifse kennen und lieben
lernen, und daher wohl in die Hände vieler kommt, die
unbefehen annehmen, was fie erzählt, fo wäre zu
wünfehen, dafs die auf den bezeichneten Seiten einge-
fchlichenen Irrthümer etwa durch einen Carton noch
ausgemerzt oder in einem Nachtrage von vielleicht nur
einem Blatte berichtigt würden. Bei einer zweiten Auflage
wären dann freilich auch wohl noch einige andere
Verfehen zu ändern. So ift z. B. S. 44 der Schlufs aus
dem Antependium auf das reiche, an der frommen
Myftik des Thomas a Kempis genährte Glaubensleben
im Anfang des 15. Jahrhunderts (sie!) wohl etwas zu
kühn. Die äufsere Ausftattung ift vortrefflich und die
genaue Karte eine angenehme Zugabe.

Hamburg. Carl Bertheau.

Oswald, Prof. Dr. J. H., Die Erlösung in Christo Jesu

nach der Lehre der katholifchen Kirche dargeftellt.
2 Bde. Paderborn 1878, F. Schöningh. (VIII, 334
u. III, 259 S. gr. 8.) M. 7. 50.

Die Eintheilung und äufsere Anlage diefer katholifchen
dogmatifchen Monographie erinnert den evangeli-
fchen Lefer unwillkürlich an Thomafius' ,Chrifti Perfon
und Werk'; in dem Rahmen der .Chriftologie' und ,So-
teriologie' bietet der Verf. die Hauptzüge feiner Glaubenslehre
. Sein Standpunkt ift der eines gemäfsigten,
mehr fubjectiv-efoterifchen als kirchlich-ftreitbaren Ka-

tholicismus, der fich ernftlich bemüht, das Dogma dem
wiffenfchaftlichen Denken zu vermitteln und — erklärend,
nicht begründend — liquid zu machen. Wenn er fich
von vornherein wegen feiner ,mehr intuitiven als deduc-
tiven' Methode (vgl. II, 167: ,mehr affertorifch als de-
monftrativ') den katholifchen Beurtheilern gegenüber
entfchuldigen zu müffen glaubt, fo dürfen wir an feiner
fubjectiven Art, die nothwendig ein einigermafsen apodik-
tifches Verfahren zur Folge hat, um fo weniger Anftofs
j nehmen, als uns gerade diefe feine dogmatifchen Dar-
I legungen intereffant und anziehend macht. In feinem
Subjectivismus liegt ohne Zweifel feine Stärke, — allerdings
auch zugleich feine Schwäche. Im Uebrigen hindert
diefer Subjectivismus den Verf. nicht, ganz treffliche
dogmenhiftorifche Erörterungen den einzelnen Paragraphen
feiner Dogmatik einzufügen, die die Stelle des
katholifchen Traditionsbeweifes vertreten.

Der erfte Theil des Werkes ift der Chriftologie ge-
{ widmet. Es verfteht fich von felbft, dafs es lediglich die
kirchlich gegebenen und approbirten Lehrfätze und Be-
i griffe find, die er dem Denken nahe zu bringen fucht.
Doch gefchieht dies nicht blofs mit wahrhaft religiöfem
Gefühl, dem die dogmatifchen ,Spitzfindigkeiten' des
katholifchen Lehrbegriffs, obwohl es fich ihrer nicht ent-
fchlagen zu dürfen meint, im Grunde nicht angenehm
find, fondern auch mit gutem und mafsvollem hifto-
rifchen Urtheil (der Verf. fpricht z. B. nicht ohne Achtung
von den Reformatoren des 16. Jahrh.'s') und nicht
ohne dialektifches Gefchick. Die cafuiftifchen Fragen
treten nur in einzelnen Punkten zu fehr in den Vorder-
I grund; fo in den Erörterungen über die ,Affimilifation
| des leiblichen Stoffes in der hypoftatifchen Union', wo
j im Intereffe der Abendmahlslehre von einem ,Zurück-
laffen einzelner Blutpartikeln' bei dem Ausfeheiden des
Blutes aus diefer Union gefprochen wird, — Dinge, für
die uns Evangelifchen das Verftändnifs ebenfo fehlt, wie
für die ausgedehnte und ausführliche ,Mariologie', in die
nach des Verf. Urtheil die Chriftologie ,auslaufen' mufs.

Die Soteriologie des Verf., die den zweiten Theil
feines Werkes einnimmt, ift eine fubjectiv, um nicht zu
fagen modern modificirte Satisfactionstheorie auf An-
felm'fcher Grundlage. Chriftus erfcheint als der Reprä-
fentant des menfehlichen Gefchlechts vor Gott. Dasfelbe
hätte wohl auch ohne fein Todesleiden erlöft werden
können, durch jede beliebige feiner verdienftlichen Handlungen
; er ,mufate' nicht fterben, fondern ,follte' es nur
nach Gottes Willen; er hat felbft ,die Verdienftlichkeit
der voraufgehenden Lebensacte fuspendiren' müffen (II,
IOO ff), um für feinen Tod in der Heilsökonomie Raum
zu fchaffen. Der im Grunde überflüffige Tod ergiebt auf
diefe Weife natürlich einen Verdienftüberfchufs, der für
| diefe Deduction ficher die eigentlich treibende Voraus-
! fetzung bildet. — Dafs der Verfaffer der evangelifchen
Glaubenslehre den Vorwurf macht, die göttliche Seite in
der Soteriologie zu fehr zu betonen und ,menfchlicher
Energie zu wenig Rechnung zu tragen', ift uns mit Nichten
ein Vorwurf, fondern ein Lob. Wenn er meint, der
Menfch fei im Stande, aus eigener Kraft die Bedingungen
für die ,habituelle, entfündigende oder rechtfertigende
Gnade' zu erfüllen, fo läfst fich darüber nicht ftreiten.
i — Wie die Chriftologie in die Mariologie, fo läuft die
Soteriologie in die Lehre von der Kirche als der ,Fort-
fetzung Chrifti' aus.

In aufserlicher Beziehung würde es dem Werke
ficher zum Vprtheil gereichen, wenn der Verf. etwas
i weniger Fremdwörter gebraucht oder fich wenigllens auf
die gebräuchlichften befchränkt hätte.

hur feinen Zweck bez. für die Kreife, für die es der
Verf. beltimmt, ift das Werk ficher ein fehr brauchbares.

Saufedlitz b. Bitterfeld. Th. Weber.