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Ausgabe:

1878 Nr. 24

Spalte:

580-581

Autor/Hrsg.:

Philippi, Ferd.

Titel/Untertitel:

Die biblische und kirchliche Lehre vom Antichrist 1878

Rezensent:

Schmidt, Woldemar

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579 Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 24. 580

Abfonderlichkeiten deutfcher Schrifthellerei und Gclehr-
famkeit nicht; deutfche Philologen und Profefforcn
können noch immer mit vielem Nutzen den Artikel von
1848 lefen über die ,Philologenverfammlungen Deutfch-
lands', fo z. B. S. 422 f. über die Zerfplitterung der Arbeit
. Aber den nicht ungerechtfertigten Tadel überwiegt
die freimüthige Anerkennung deffen, was deutfche Ge-
lehrfamkeit geleihet hat; fo S. 450 f. über die deutfchen
Univerfitäten — Anerkennungen, welche mehr befagen,
als die unwillig gegebene Verheifsung, dafs auf 20 oder
25 Jahre hin in Europa Deutfchlands Wille der Wille
Jupiters fein werde (S. VIII).

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Lohr, Pah., Zur Frage über die Echtheit von Jesaias 40

—66. Ein realkritifcher Beitrag. Berlin 1878, Wie-
gandt & Grieben. (46 S. gr. 8.) M. 1. —

Der Verfaffer befchäftigt fich hauptfachlich mit dem
Urtheil von Delitzfch über Jef. 40-66. Er lobt die Schliff9-
bemerkungen desfelben zu Drechsler's Commentar, wirft
aber den Ausführungen, welche Delitzfch in feinem eigenen
Commentar gegeben hat, eine ,falfche', freilich unwillkürliche
, durch Bceinflufstfein erzeugte Rückficht-
nahme auf die negative Kritik und ihren Schein der
Wiffenfchaftlichkeit' vor, ,indem dicfelbe trotz aller Be-
weife für die Authtntie doch durchaus und überall die
Möglichkeit aufrecht zu erhalten fucht, dafs des Propheten
exilifchcr Standpunkt ein gefchichtlicher fei, und
dann hier und da fehr apologetifch klingende Ausrufungen
mal einflicht, denen durch den Widerfpruch, in
welchem fle mit der Gefammtauffaffung flehen, noch
obenein alles Apologetifche verloren geht'. Leider ih der
Verf. des Balkens in feinem eigenen Auge nicht gewahr
geworden! Denn wenn es ihm ,a priori fehheht, dafs die
Reden Jef. 40—66, wenn fie jefajanifch find, auch in ihrem
Inhalte deutliche Spuren ihrer Abfaffungszeit tragen
mühen, und dafs fleh genug in ihnen finden mufs, was
zur Zeit des Exils gar nicht gefchrieben fein kann', fo
bekennt er ja damit, einen der vornehmhen Sätze der
hihorifchen Kritik, welche er nach gewöhnlichem Mifs-
brauch die ,negative' nennt, wie ein Dogma zu glauben,
und das fcheint doch mehr zu fein als eine gewiffe
,Rückfichtnahme auf die negative Kritik und ihren
Schein der Wiffenfchaftlichkeit.' — Der Gang der Unter-
fuchung ih kurz folgender: die rnriien (42, 9 etc.) find in
unterem Buche hets (geweiffagte) Ereignifse, welche zur
Zeit, als unfer Buch abgefafst wurde, fchon eingetroffen
waren, die rnsa oder rVSnn aber das göttliche Gefammt-
werk der Neuzeit, des Cyrüs (alfo zukünftiges) Auftreten
miteinbegriffen. Jofajas oder ein lange, nach 41, 26.
45, 4h etc. fehr geraume Zeit vor Cyrus lebender
Prophet läfst, auf feinem wirklichen Standpunkt hets
verharrend, den Knecht Gottes — denn diefer, mit Jahve
wefentlich eins, ih der eigentlich redende — das zur
Zeit des Cyrus lebende Gefchlecht auf diefe feine lange
vorher verkündigten, in c. 40—66 mitgetheilten Weif-
iägungen hinweifen. Spätehens mufs das Buch alfo zu
Anfang des Exils enthanden fein, ein Refultat, welches
lieh dem Verf. ebenfalls ergiebt aus der Betrachtung
des Verhältnifses, in welchem der zukünftige Knecht
Gottes, welcher für ,ehrliche'(!) Leute nur der Meflias
fein kann, zu Cyrus fleht, der das durch den Knecht
Gottes bekehrte Ifracl äufserlich erlöfen wird. Nun zeigt
c. 43, 22—28, c. 56 f., c. 65 f., dafs eigentlicher Hörer
das vorexilifche Ifrael ih; auch beweih die Anfchauung,
welche der Prophet vom Exil und von der Zeit nach
dem Exil hat, dafs er lange vor dem Exil gelebt hat.
,Mithin dürfte Nichts im Wege bleiben, unfer Buch dem
Propheten Jefaias zuzufchreiben, da die aus Verfchieden-
heit der Sprache entnommenen Einwände nachgerade
wohl jedes Recht verloren haben dürften, überhaupt
noch beachtet zu werden.' Diefer willkürliche Schlufs

: oder vielmehr Sprung auf Jefajas giebt den richtigen
Mafshab ab für die Art, in welcher die ganze Abhandlung
gefchrieben ih. Sie ih reich an falfchen Voraus-
letzungen, arm an richtigen Bemerkungen, unter welchen
ich die — vom Verf. jedoch nicht zuerh gemachten —
über die vorexilifche Herkunft von c. 56, 9—57, Ii hervorhebe
. Der Verfuch, dasfelbe auch für c. 65 f. (von
der falfchen Auffaffung der Stelle 43, 22—28 fehe ich
ganz ab) zu beweifen, kann nicht überzeugen. Jenes
Stück (56, 9—57, 11) mufs wegen der engen Verbindung
mit der nachexilifchen (57, 13) Fortfetzung vom Verf.
der cc. 40-66 felbh in feine Sammlung hineingearbeitet

i fein. Aber aus dem kleinen Abfchnitt auf die Abfaffungszeit
des Ganzen zu fchliefsen, ih nicht erlaubt.

Leipzig. H. Guthe.

Philippi, Pah. Dr. Ferd., Die biblische und kirchliche
Lehre vom Antichrist. Gütersloh 1877, Bertelsmann.
(79 S. gr. 8.) M. 1. 20.

In der Meinung, einer Frage von eminent praktifcher
Bedeutung näher getreten zu fein, führt der Verf. aus,
| dafs der Antichrih der Schrift nicht eine Einzelperfön-
1 lichkeit, fondern ein Gattungsbegriff, ein Princip, eine
ideale Perfon ih, und dafs feine Macht und Wirkfam-
i keit nicht dem weltlichen, fondern dem geihigen Gebiete
angehört. Er fucht dies zunächft (S. 6—28) aus dem
Danielbuche (7. 9, 24—27 u. a.) zu erweifen, wendet fleh
J fodann (S. 29 f.) den eschatologifchen Reden Jefu zu,
verweilt hierauf (S. 30—54) bei den einfchlagenden Stel-
1 len der paulinifchen und johanneifchen Briefe und läfst
die Züge, welche er bis dahin gefammelt, zuletzt (S. 54
—66) durch die Apokalypfe theils behätigt, theils ergänzt
werden. Fragt er nun, ob das Bild des Antichrih
, wie es aus der Schrift ihm entgegentritt, mit einer
bereits exiftirenden hihorifchen Erfcheinung fich deckt,
fo will er in jeder falfchen Lehre antichrihifches Wefen
finden, weil fchon die Apohel das Vorhandenfein des
Antichrih zu ihrer Zeit behauptet haben (2 Theff. 2.
1 Joh. 2, 22), aber den Antichrih %u% i§ö%qy da erkennen,
1 wo fich — ein Zeichen der letzten Zeit ■— die falfchc
Lehre in bewufster Oppofition gegen die Wahrheit fyhe-
, matifch ausgebildet hat, das ih im Paphthum. Antichrihifches
Wefen fpiegeln ihm wohl noch andere Gott-
und Chrihusfeindliche Richtungen wieder — vornehmlich
der Staatsabfolutismus auf der einen und die Social-
, demokratie auf der andern Seite —; doch bleibt ihm
der Paph der eigentliche Antichrih. Nach alle dem hat
Ph. für Löfuug der aufgeworfenen Frage keine neue
Bahn gebrochen: vielmehr anfanglich auf dem Standpunkt
! der ,modernen Theologie' flehend ih er bewufst zur Anfchauung
Luther's zurückgekehrt, um nunmehr im Sinne
der Miffourifynode zu votiren. Dafs er die alte Auslegung
dabei mit neuen, feheren Stützen verfehen,
können wir nicht behaupten. Wir vermiffen fie fchon
in feinem Paffus über die letzen Reden Jefu. Hebt er
hervor, dafs eines perfönlichen Antichrih hier nicht Er-
j wähnung gefchieht, fo überfchätzt er die Tragweite eines
argumentum e silentio; und recurrirt er auf die Weiffag-
ung, dafs viele falfche Meffiaffe einh auftreten werden
I (Matth. 24, 4 f.), fo vergibst er Jefu Warnung, in ihnen
| das Zeichen der letzten Zukunft zu erblicken (vgl. v. 6),
| d. h. die Vorboten des Endes mit dem Ende felbh zu
1 verwechfeln. Noch weniger aber vermögen wir ihm da zu
I folgen, wo er den paulinifchen Gedanken (2Theff. 2, 3 ff.)
j zum Ausdruck bringen will. Er giebt auch hier der
| collectivifchen Faffung der fraglichen Worte den Vorzug.

Der avd-ownoc. ttjg ct^agriexg ih ihm eine fchon zu Pauli
' Zeit exihirende geihige Macht, welche göttliches An-
j fehen ufurpirte und durch Zeichen und Wunder, durch
I Lüge und Verführung fich wirkfam erwies. Unferes
! Dafürhaltens ih das in die Worte nur eingelegt, nicht