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Ausgabe:

1878 Nr. 21

Spalte:

524

Autor/Hrsg.:

Ernst, Carl

Titel/Untertitel:

Der erste Brief des Petrus für die Gemeinde ausgelegt 1878

Rezensent:

Kern, R.

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523

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 21.

524

3) die Einfetzung eines Reichsamtes als höchfter wiffen-
fchaftlicher Behörde (S. 383 ff.), welche das zu Lehrende
fefffetze.

An dem Wefen der atheiftifchen Socialdemokratie
ift zu fehen, was für Wirkungen die Stoff- und Kräftelehre
, welche der Herr Verfaffer empfiehlt, fchon hervorgebracht
hat; welche Wirkungen fie als officielle
Lehre, von einem Reichsamte vertreten, hervorbringen
würde, ift fchrecklich auch nur zu denken.

Lennep. Lic. Dr. Thon es.

r. Rothe, W., Die Unsterblichkeit der Seele. [Zeitfragend.

chrifti. Volkslebens. 12. Hft.] Frankfurt a'M. 1877,

Zimmer. (35 S. gr. 8.) M. 1. —
2. Guth, Ffr. Dec. Heinr., Die moderne Weltanschauung u.

ihre Consequenzen. [Zeitfragen d. chrifti. Volkslebens.

13. Hft.] Frankfurt a/M. 1878, Zimmer. (39 S. gr. 8.)

M. 1. —

Das Unternehmen, welchem auch diefe beiden Abhandlungen
zu dienen beftimmt find, ift den Lefern der
Literaturzeitung bekannt.

1. Rothe bekennt, einen Vcrftandesbeweis nach Art
mathematifcher und logifcher Beweisführung für die
Unfterblichkeit der Seele nicht beibringen zu können;
aber es feien beglaubigte Zeugnifse und Wahrnehmungen
vorhanden, aus denen diefelbe ,gefchloffen werden müffe'.
Um nun für diefe Zeugnifse und Wahrnehmungen die
Bahn frei zu machen, fucht er zuerft die materialiftifche
Leugnung der Seele überhaupt aus dem Wege zu räumen
und führt fodann für die Unfterblichkeit derfelben
an, dafs fie die Idee der Unfterblichkeit in fich trage,
an dem Irdifchen auf die Dauer eine tiefe ,Unbefriedig-
ung' empfinde und in ihrem fittlichen Gefühl auf eine
höchfte Gerechtigkeit hoffen müffe , welche in einem
Leben nach dem Tode das Gleichgewicht zwifchenTugend
und Glückfeligkeit herftelle. Ferner lebe in uns die
Ueberzeugung, dafs wir etwas Höheres find, als die
Naturwefen um uns her, wie man eine Vernichtung der
Seele, da nicht einmal ein Staubatom vergehe, fich auch
nicht vorftellcn könne. Endlich könne der Bau der
menfehlichen Gefellfchaft ohne den Unfterblichkeitsglau-
ben nicht beftehen. Zum Schluffe werden dann die bibli-
fchen Data zweckdienlich verwerthet. Befonders der
philofophifche Theil der Beweisführung leidet nicht nur
an den Schwächen jeder Beweisführung diefer Art, fondern
läfst auch fonft an Schärfe und Klarheit Manches
zu wünfehen übrig.

2. Guth findet die moderne Weltanfchauung charak-
terifirt durch die Syfteme des Pantheismus, Materialismus
und Peffimismus. Den Pantheismus fchildert er
nach Schriften von Straufs, Feuerbach, Rüge, den Materialismus
nach Aeufserungen von Vogt, Molefchott,
Büchner u. A., den Peffimismus noch folchen von Hartmann
und Schopenhauer. Die moderne Weltanfchauung
fei nur ein modernes Heidenthum, welches viel fchlim-
nier fei als das antike. Diefes letztere habe doch noch
ein Fragen nach dem unbekannten Gott an den Tag
gelegt, eine oft rührende Pietät, wie z. B. in Epiktet und
Plato; das moderne offenbare vollfte Pietätslofigkeit,
giühendften Gotteshafs. Das moderne Heidenthum zer-
ftöre zuerft die Idee Gottes, eben damit aber auch die
wahre Idee des Menfchen (S. 11) und habe fo Verarmung
und Zerrüttung des Individuums, die Depravation des
Familienlebens, die Zerftörung der ganzen menfehlichen
Gefellfchaft zur unausbleiblichen Folge (S. 14). Diefe
dreifache Folge wird dann durch eine Reihe von paffend
ausgewählten Citaten in lebendiger Weife illuftrirt.

Lennep. Lic. Dr. Thönes.

1. Ernst, Carl, Der Brief des Apostels Paulus an die Christen
zu Ephesus für die Gemeinde ausgelegt. Herborn 1877,
Buchhandlung des Naffauifchen Colportagcvercins.
(119 S. 8.) M. 1. —

2. Ernst, Carl, Der erste Brief des Petrus für die Gemeinde
ausgelegt. Herborn 1878, Buchhandlung des Naffauifchen
Colportagevereins. (175 S. 8.) cart. M. 1. 50.

Der um die Förderung lebendigen Chriftenthums,
zunächft in engerem, heimlichem Kreife, wohlverdiente
Verf., der fchon in früheren verwandten Schriften von
dem ihm verliehenen Pfunde Zeugnifs gegeben hat, bietet
der chriftlichen Gemeinde neuerdings zwei dankenswerthe
Gaben in der ohne Zweifel aus gehaltenen Bibelftunden
hervorgegangenen Veröffentlichung feiner warm an's
Herz fprechenden, von innigem Glaubensleben getragenen
Behandlung des Ephefer- und neueftens des 1. Petri-
briefs. Die Motivirung beider Schriften ift — ohne
Vorbemerkung — im Titel zur Genüge ausgefprochen.
Nicht in den vornehmeren Kreifen der gelehrten Theologie
begehren fie eine Stellung, nicht fubtile Ergebnifse
exegetifchen Scharffinns wollen fie zur Geltung bringen,
fie wollen das Apoftelwort dem Herzensverftändnifs der
chriftlichen Gemeinde nahe bringen und die Liebe zu
demfelbcn nicht fowohl erft wecken, als vielmehr bei
den Geweckten fördern und nähren. Von diefem Grund-
Intereffe geleitet gelingt es denn auch dem Verf., dem
tiefgründigen, an Intuitionen und eingewickeltem Ge-
dankenftoff faft überreichen Epheferbrief, bei welchem
fich der Erbauung fuchende Laie leicht von einem etwas
beklemmenden Gefühl von Unzulänglichkeit feines Ver-
ftändnifses angewandelt fühlt, gerade foviel abzugewinnen,
als dem Erbauungsbedürfnifs dienlich und dem einiger-
mafsen gebildeten evangelifchen Chriften fafslich ift.
Was der Verf. felbft mit dem Herzen und für fein Herz
hier gefunden, das theilt er in warm fliefsender, zum
Theil von edler Schönheit durchleuchteter Sprache mit.
Dafs der praktifche Theolog für feine homilctifchen
Aufgaben viel Nutzen aus dem Büchlein ziehen kann,
verficht fich nach dem Gefagten von felbft. Im Befon-
deren gilt dies von der zweiten, praktifch paränetifchen
Hälfte des Briefs.

In noch reicherem Mafs aber gilt es von der im
laufenden Jahre erfchienenen, in ihrer Art vollkommen
gelungenen Bearbeitung des 1. Petrusbriefes, der feinem
eminent praktifchen Inhalt nach dem Charifma unferes
Autors den innerlich verwandteften Stoff darbietet. Mit
Dankbarkeit will Ref. es bezeugen, dafs der aufmerk-
fame Gang durch diefe Schrift fich durch ein ungewöhnliches
Mafs von Erwärmung und Erbauung lohnt, das
hier vom Anfang bis zum Ende aus der Quelle des
wärmften Herzenschriftenthums und der fruchtbarften
Schriftbetrachtung uns entgegenfliefst. Man fpürt auch
wohl, dafs der Verf. die Wahrheit der apoftolifchen
Zeugnifse von dem Segen des Chriftenkreuzes in der
Schule der Erfahrung verliehen gelernt hat; möge ihm
die verheifsene Kräftigung und Stärkung zu fernerer
freudiger Thätigkeit in vollem Mafse zu Theil werden.

Sulz a. N. Dekan Kern.

H usch ke, Geh. Juftizr. Dr. E., Die Lehre von den verbotenen
Verwandtschaftsgraden der Eheschliessung für das

chriftliche und kirchliche Gcwiffen der Gegenwart.
Breslau 1877, Dülfer. (31 S. 8.) M. — 60.

Das Reichscivilehegefetz hat auch in Bezug auf die
verbotenen Verwandtfchaftsgrade die Grenzen der Licenz
möglichft weit gefleckt und fo eine Anzahl der früheren
kirchlich-gemeinrechtlichen Eheverbote befeitigt. Für
die Kirche entfteht hierdurch die Frage, ob und wie
weit fie jene Verbote als für ihr Gebiet noch fortbefteh-
end betrachten will, was fich freilich auf proteftantifchem