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Ausgabe:

1878 Nr. 2

Spalte:

29-32

Autor/Hrsg.:

Macan, Reginald W.

Titel/Untertitel:

The Resurrection of Jesus Christ. An essay in three chapters 1878

Rezensent:

Weiß, Bernhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 2.

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Syntax zu lehren. Wollte darum Sch. nur wirklich
überlieferte Sätze als Uebungsbeifpiele geben, fo mufste
er feine Auswahl auf das Gebiet der hebräifchen Profa
befchränken; dasfelbe giebt Ausbeute genug und kann
durch Benutzung der urfprünglich hebräifch abgefafsten
Bücher der altteftamentlichen Apokryphenfammlung erweitert
werden. Jene grundfätzlich unbegrenzte Auswahl, j
fovvie das Streben nach möglichft engem Anfchlufs an
die altteftamentlichen Sätze hat den Verf. nicht feiten
genöthigt, die deutfchen Beifpielein ungefchickter Sprache
zu geben, damit der Schüler nur ja das Original des
hebr. Dichters treffe! So p. 4 = Jef. 41,27 und 14,11;
p. 8 = Pf. 38,2; p. 16 = Hagg. 2,6 etc. Solch' mangelhaftes
Deutfch ift aber nicht geeignet, den Abftand
zwifchen hebräifcher und deutfcher Diction anfchaulich
zu machen. Andere Beifpiele find unverftändlich geworden
, weil fie aus ihrem Zufammenhange geriffen find
(p. 12 = Jef. 23,12. p. 47 = Pf. 116,15. p. 69 = Pf. 139,14-
p. 72 = Jer. 43,12). Eine freiere Benutzung der altteftamentlichen
Literatur wäre überhaupt meiner Meinung
nach für das Uebungsbuch vortheilhafter gewefen. Auch
ift nicht zu billigen, dafs Stellen von ftreitiger Auslegung,
ja von unficherem Text (p. 5 = Ezech. 46,23. p. 77 =
2 Sam. 17,3) aufgenommen find, ohne dafs eine Umge-
ftaltung fie von dem zweifelhaften Original unabhängig
gemacht hat.

Leipzig. H. Guthe.

Macan, Reginald W., M. A., The Resurrection of Jesus

Christ, An essay in three chapters. London 1877,
Williams & Norgate. (VIII, 168 p. gr. 8.) Cloth.

Das Buch ift ein intereffantes Zeichen davon, wie
auch die extremften Refultate der deutfchen negativen
Kritik in Betreff der evangelifchen Gefchichte in England
Eingang finden und dort mit fcharfem Blick bis in ihre
letzten Confequenzen verfolgt werden. Von einer Aufer-
ftehung Jcfu haben wir kein directes gefchichtliches Zeug-
hifs. Die Apoftel haben fie nur gefolgert aus der Auffindung
des leeren Grabes und den Erfcheinungen des
Auferftandenen, die fie gehabt zu haben meinten. Was
jene anlangt, fo involviren die Berichte darüber fo grofse
Widerfprüche und Schwierigkeiten, dafs die Thatfache
fehr verdächtig wird. Freilich bleibt es Angefichts des
paulinifchen Zeugnifses das Wahrfcheinlichfte, dafs Jefus
von Freundeshand begraben ward, aber wenn wirklich
das Grab leer gefunden wurde (was eben fo gut eine
Folgerung aus der Idee des auferftandenen Chriftus fein
kann, wie die Urfache derfelben), fo war der Grund davon
, dafs der Leichnam ohne Wiffen der Jünger von
Freundes- oder Feindeshand entfernt war (p. 107). Was
die Jünger aber für Erfcheinungen des Auferftandenen
hielten und nach ihren dogmatifclien Vorausfetzungen
halten mufsten, waren fubjective Vifionen, die auf natürlichem
Wege erzeugt waren und deren Entftehung wir
uns noch aus ihrer ganzen Situation erklären können.
Von einer wirklichen Auferftehung Jefu kann fo wenig die
Rede fein, wie von einer übernatürlichen Einwirkung auf
die Jünger, durch welche die Vifionen in ihnen hervorgerufen
wurden.

Das ift in Kurzem die neue Auffaffung der ,Auferftehung
Jefu Chrifti', die der Verf. feinen Landsleuten
infinuiren will, indem er fie im erften Capitel vorbereitet,
im 2. begründet, im 3. nach ihren Confequenzen darlegt
. Wir können natürlich nicht den Ausfuhrungen des
Verf.'s im Einzelnen folgen, zumal diefelben der freien
effayiftifchen Form entfprechend bald fich in breiten
Wiederholungen ergehen, bald mit flüchtigen Andeutungen
begnügen und oft durch die Polemik gegen neuere
englifche Publicationen in ihrer Form bedingt find. Im
erften Capitel liegt es ihm vor Allem daran, gegen die
Vorftellung zu polemifiren, als ob die chriftliche Lehre
aus Thatfachen, insbefondere aus der Thatfache der

Auferftehung hergeleitet fei. Dies fei fchon bei den erften
Zeugen nicht der Fall gewefen, wie viel weniger bei uns,
die wir die Lehre immer zugleich mit den Thatfachen
überliefert bekommen. Da mufs es nun freilich bei einem
fo fcharfen Kritiker fehr auffallen, dafs er bei den Jüngern
fchon während des Lebens Jefu den Glauben an feine
Gottheit vorausfetzt und dies in einer längft von der
Exegefe überwundenen Weife aus fynoptifchen und jo-
hanneifchen Stellen folgert, die offenbar nur feine Meffia-
nität ausfprechen (p. Ii). Sehr oberflächlich aber ift
i feine Ausführung darüber, dafs doch im Grunde aus der
Thatfache der Auferftehung fich nichts Lehrhaftes folgern
laffe. Man kann ihm ja gern zugeben, dafs weder die
Gottheit Jefu, noch die allgemeine Auferftehung oder
die Wahrheit der Verheifsungen Jefu vom ewigen Leben
fich einfach auf logifchem Wege aus der Thatfache
I feiner Auferftehung folgern laffen; aber damit ift doch
im lüntfernteften nicht bewiefen, dafs nicht jene Thatfache
für diefe und ähnliche Lehren von grundlegender
J Bedeutung fein könne. Gewifs mufs nun die hiftorifche
Realität diefer Thatfache erft feftgeftellt werden, und der
Verf. hat ganz recht, wenn er die Möglichkeit des Wunders
und weiter der Exiftenz eines perfönlichen Gottes,
welche diefelbe vorausfetzt, zunächft nur als eine Hypo-
j thefe gelten laffen will, welche eventuell zur Erklärung
der fchriftlichen Zeugnifse der Augenzeugen oder Zeit-
genoffen herangezogen werden mufs. Allein indem er
von der Prüfung diefer Zeugnifse hinfichtlich des Factums
der Auferftehung die grofse Entfcheidung der letzten
Principienfragen abhängig macht und darin die eigentliche
Bedeutung jener Thatfache findet, deutet er bereits an,
auf welcher Seite er fteht und dafs er entfchlofien ift,
nichts als gefchichtlich gelten zu laffen, was fich nicht
aus natürlichen Urfachen erklären läfst.

Es ift demnach eigentlich nur für feine praktifchen
Zwecke von Bedeutung, wenn er im 2. Capitel in ermüdender
Breite die zahllofen Widerfprüche der Berichte
von der Auffindung des leeren Grabes und den Erfcheinungen
des Auferftandenen in alt-Straufsifcher Weife darlegt
und gegen einige fchwache harmoniftifche Vcrfuche
ankämpft, ohne fich auch nur die Frage vorzulegen, ob
nicht das Verhältnifs unferer Evangelien zu einander
und zu ihren Quellen auch hierüber etwas näheren Auf-
fchlufs zu geben im Stande-ift. Denn mit dem allgemeinen
Nachweis, dafs gerade in den Schlufstheilen der
Evangelien fich viel Unechtes und Legendenhaftes finde,
ift doch wenig gethan. Feft fteht aber der Bericht, den
Paulus über die ihm und den Urapofteln gewordenen Erfcheinungen
giebt, und die PTage ift die, ob, wie viel
oder wenig ficheres fich auch aus den evangelifchen Berichten
über diefe Erfcheinungen entnehmen läfst, diefe
i felbft fich auf rein natürlichem Wege erklären laffen.

Da nimmt nun der Verfaffer durchaus nicht in Abrede,
{ dafs er, was die Erklärung der Paulusvifion anlangt, im
Wefentlichen Dr. Holften folgt. Etwas felbftändiger
ift fein Verfuch, die Petrusvifion zu erklären und er ilt
1 fich der vollen Schwierigkeit diefes Unternehmens wohl
I bewufst (vgl. p. 91. 94). Er fucht insbefondere darzu-
ftellen, wie die Berichte der Frauen von den letzten Stunden
des Meifters, bei denen er freilich auch johanneifche
Züge einmifcht, die er nach feiner ganzen fonftigen Stellung
zu diefem Evang. nicht für gefchichtlich halten kann
(p. 95), den Glauben an die Gottesfohnfchaft Jefu in
den Jüngern neu belebte, legt dann aber das Hauptgewicht
auf die pfychologifche Nothwendigkeit für Petrus,
fich nach feinem tiefen Fall mit feinem Meifter wieder
auszuformen. Zuletzt mufs noch die Analogie der
Joanne d'Arc und die fonftige Geneigtheit des Petrus zu
Vifionen aushelfen, und dem Beifpiel des Petrus folgen
dann leicht die andern Jünger und die 500 Brüder mit
ihren Vifionen. Trotz allem Aufgebot von Rhetorik,
mit der diefe Entftehung der Vifionen gefchildert wird, ift
hier aber fo wenig exaete Beweisführung zu finden, dafs