Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878 Nr. 21

Spalte:

511-513

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Ernst

Titel/Untertitel:

Zur Literatur über die Oxforder Bewegung und die methodische Propaganda in Deutschland 1878

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 21.

512

ung und Berichtigung, aber ebenfo mufs zugeftanden
werden, dafs die bei den Proteftanten geläufigen Vor-
ftellungen von diefem Gegenftand fehr einfeitig und ungenügend
find. Das erfte Capitel redet von Luther's
Berufung zum Prediger, das 2. von den Predigten des
Jahres 1515, das 3. von denen von 1516 und 1517, das
4. giebt eine allgemeine Charakteriftik des damaligen
Luther als Prediger. Diefe ift im Allgemeinen als recht
treffend zu bezeichnen und die vorhergehende Unter-
fuchung der einzelnen Predigten bekundet hingebende
Liebe zur Sache. Der Verf. fchliefst mit den warmen
Worten: Luther est un de ces rares genies, qui reunissent,
dans leur etonnante personnalite, /es dons que la plupart
des grands hommes se partagent. Nous pouvons etre fiers
de nous appeler ses fils. A nous maintenant de nous in-
spirer toujours plus de son exemple et de tenir haut et
ferme comme lui la banniere de l'Evangile de Christ!

Erlangen. G. Plitt.

Zur Literatur über die Oxforder Bewegung und die
methodistische Propaganda in Deutschland.

Dafs der Methodismus wefentlich zur Weckung eines
neuen, religiöfen Lebens in der englifchen Kirche wie
unter den Diffenters beigetragen hat, ift nicht zu bezweifeln
. John Wesley und Georg Whitfield waren (ich
ihrer kirchenhiflorifchen Aufgabe bewufst. Ob diefe
Aufgabe in der Gegenwart erfüllt ift, oder der Methodismus
noch gröfsere Erfolge auch in Deutfchland erzielen
wird, kann zweifelhaft fein. Jedenfalls ift es intereffant
und lehrreich die Entwicklung und Geftaltung desfelben
eingehender zu verfolgen, wie es in den letzten Jahren
in monographifcher Geftalt mehrfach verfucht worden
ift. Jüngft, Pfr. Joh., Wefen und Berechtigung des
Methodismus, Gotha 1876, F. A. Perthes (VI, 41 S.
gr. 8.) M. 1. —, zeigt den kirchlichen Hintergrund, auf
dem fich die charakteriftifche Geftalt des Methodismus
abhebt und fchildert deffen Wirkfamkeit, wie fie ohne
eigentliche theologifche Wiffenfchaft vornehmlich unter
dem niederen Volke in England und Amerika hervorgetreten
fei und Segen geftiftet habe, trotz der formalen
und materialen Mängel des Syftems. Dafs aber der
Methodismus die evangelifche Kirche insgefammt als fein
Miffionsgebiet behandelt und Miffionare nach Deutfchland
und der Schweiz fendet, wie wir fie zu den Kaffern
und Hindus abordnen, zeigt von einem unberechtigten
kirchlichen Particularismus und einer kirchlichen Naivetät,
um nicht mehr zu fagen, die zur Abweifung und Gegenwehr
herausfordert.

Jüngft, Pfr. Joh., Amerikanifcher Methodismus
in Deutfchland und Robert Pearfall Smith.
Skizze aus der neueften Kirchengefchichte. Mit Vorwort
von Prof Dr. Krafft. Gotha 1875, F. A. Perthes. (110
S. 8.) M. 1. 60. Mitten in den evangelifchen Kirchen
Deutfchlands bilden fich methodiftifche Gemeinfchaften,
die fich Kapellen und Kirchen bauen. Es ift richtig,
wir flehen in Deutfchland einer englifch-amerikanifchen
Invafion gegenüber, gegen welche unfere Gemeinden erft
gerüftet werden muffen. Solche Rüftung unternimmt
der Verfaffer an feinem Theile durch Darlegung und
Aufdeckung der erftaunlichen Propaganda der,Albrechtsleute
' in Deutfchland. Die fchwachen und die ftarken
Seiten des eindringenden Gegners werden anfchaulich
gefchildert und dargethan, wie das deutfche Charisma
von dem anglo-amerikanilchen verfchieden, aber wenig-
ftens mit ihm gleichberechtigt fei. Die gewaltige und
planmäfsige Arbeit des Methodismus, der fich in Deutfchland
vorwiegend an die gläubigen Kreife des Volks wendet
, wird gerade foviel Erfolg haben, als die deutfche
evangelifche Kirche ihre Pflicht verfäumt. Dafs der Arbeit
des Methodismus ein gewiffer methodiftifcher Zug
in den chriftlich angeregten Theilen des evangelifchen
Volks vorzüglich in Süd- und Weft-Deutfchland entge-

I genkommt, kann nicht geleugnet werden und ift recht
offenbar geworden durch die aufserordentliche Bewegung
, welche das Auftreten des amerikanifchen Fabrikanten
P. Smith auch unter uns hervorgerufen hat.
Von dem Letzteren handelt daher der Verfaffer in
der zweiten Hälfte feiner Schrift. Von Oxford ging
im vorigen Jahrhundert der Methodismus aus. In Oxford
nahm auch diefe neuefte religiöfe Erweckung
ihren Anfang und wird deshalb kurzweg als die Oxforder
Bewegung bezeichnet. Sie hat fich rafch
verbreitet und grofsartige Erfolge aufzuweifen. Vom
29. Auguft bis 7. Septbr. 1874 fanden' in Oxford die
Verfammlungen ftatt, die in brüderlichem Verhältnifs
zu den Maffenverfammlungen von Moody und Sankey
ftanden und ihre Schwingungen bald auf den Continent
fortpflanzten. Eine Schrift: Die Segenstage in Oxford
. Reden, gehalten bei den Verfammlungen vom
29. Aug. bis 7. Sept. 1874. Bafel 1875, C. F. Spittler. (XV,
816 S. 16.) M. 1. 50, fchildert die tiefen Eindrücke, welche
die aufgezeichneten Reden und Anfprachen auf die
Taufende von zufammengeftrömten Zuhörern hervorgebracht
haben. Keine neue Lehre wollten die Redner,
welche mit Smith verbunden dort auftraten, vortragen,
fondern die alten, fchon erkannten Wahrheiten zu lebendiger
, perfönlicher Aneignung bringen. Pank, P. O.,
Die Heiligung durch den Glauben im Blick auf
die OxforderBewegung. Vortrag. Barmen 1875,Wiemann
. (46 S. 8.) M. 1. 20, ftellt die der Oxforder Bewegung
zu Grunde liegende Verkündigung unter das Licht der
heil. Schrift und der chriftlichen Erfahrung, erkennt die
methodiftifche Färbung und manche bedenkliche Bei-
mifchung, hält aber Stamm und Wurzel der Sache für
göttlich und gut, ob auch an einzelnen Zweigen kranke
Blätter fäfsen. Eingehender (teilen Schatten und Licht
nebeneinander: Reiff, Fr., und Joh. Heffe, Die Oxforder
Bewegung und ihre Bedeutung für unfere
Zeit. Bafel 1875, Bahnmaier's Verlag. 60 S. 8.) M. —. 60.
Die Prüfung der Bewegung nach der Schrift ergiebt, dafs
Smith das Wort Gottes einfeitig und vorzüglich das
Alte Teftament zu viel allegorifirend anwende, ja dafs
er neben die Bekehrung, welche die Rechtfertigung zur
Folge hat, einen zweiten Fundamentalact ftellt, aus welchem
fich die Heiligung ergeben foll. Man dürfe die
Bewegung nicht einfach abweifen, aber auch nicht aus
dem, was Smith gefagt, ein Dogma machen wollen. In
den zugefügten Thefen von Heffe wird angegeben, was
wir aus der religiöfen Bewegung lernen follen. Dafs
die vorhandenen kirchlichen Mittel weder für die Be-
dürfnifse der Gläubigen noch zur Gewinnung der Ungläubigen
genügen, ift uns daraus klar geworden. Gottes-
dienft und Predigt anziehender und das kirchliche Leben
reicher und wärmer zu geftalten, das fei unfere Aufgabe.
Im Frühjahr 1875 kam Smith nach Deutfchland. In
Berlin, im Wupperthal, in Württemberg brachte fein
Auftreten gewaltige Erregung hervor. Er fprach englifch,
aber auch das Dolmetfchen konnte den Eindruck feiner
zündenden Rede nicht verhindern. Smith's, P., Reden.
Mit einleitenden Anfprachen von Dr. Chriftlieb, Fabri,
P. Lichtenftein u. A. Barmen 1875, H. Klein. (348 S. 16.)
M. 1. 60, find in vieler Beziehung ein Mufter von leicht
verftändlicher und doch mit Salz gewürzter geiftlicher
Rede, aus der Paftoren viel lernen können.

Der Verfammlung zu Oxford folgte im Jahre 1873
eine ähnliche in der Stadt Brighton. Warneck, Pfr.
Dr. G., Briefe über die Verfammlung zu Brighton
. Verfuch einer zufammenhängenden Darftellung und
Beleuchtung der Grundgedanken der Smith'fchen Bewegung
. Hamburg 1876, Walther. VIII, 172 S. gr. 8.)
M. 1. 50. Der Verfaffer war einer der etwa 200 Geift-
lichen, die von Deutfchland, Holland, Belgien, Frankreich
, Spanien, Italien, Schweden, Norwegen und der
Schweiz zu diefer Verfammlung eingeladen waren und
die im grofsartigften Mafsftab geübte Gaftlichkeit der