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Ausgabe:

1878

Spalte:

510-511

Autor/Hrsg.:

Granier, Guill.

Titel/Untertitel:

Essai sur la prédication de Luther depuis l’année 1515 jusqu’au 31. Octbr. 1517 1878

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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509 Thcologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 21. 510

Lorenz, Ottokar, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter
feit der Mitte des 13. Jahrhunderts. 2 Bde. 2. um-
gearb. Aufl. Berlin 1876—77, Hertz. (X, 291 u. VIII,
359 S. gr. 8.) M. 13. —

Im Jahre 1870 hatte Prof. O. Lorenz in Wien eine
Fortfetzung der Wattenbach'fchen Gcfchichtsquellen für
das ausgehende Mittelalter geliefert. Dieses Unternehmen
war in hohem Grade wünfchenswerth, aber ebenfo
fchwierig. Man kann fleh nämlich ohne einen folchen
Leitfaden fchwerlich auf dem Gebiet der Gefchichts-
quellen des 14. und 15. Jahrhunderts zurechtfinden; allein
da fich diefelben im allgemeinen in einem recht fchlechten
Zuftande befinden, fo wird ein über fie orientirender
Führer nicht leicht allfeitig befriedigen. Diefem Schick-
fal wird auch die 2. Auflage der L.'fchen Gefchichts-
qucllcn nicht entgehen; ich möchte aber erinnern, dafs,
wenn irgend wo, fo gerade in der Löfung diefer Aufgabe
das Kritifiren leichter ift als das Beffermachen.
Wenn die Quellen noch wie ein Chaos roher Blöcke
herumliegen, und die Literatur fich dabei durch die mikro-
logifche Detailforfchung unüberfehbar anhäuft, mufs man
einem Verfaffer Dank wiffen, wenn er uns mit ficherer
Hand durch das Gewirr von Texten und Handfchriften
hindurchleitet. Ein Qucllenführer von der Zuverläffigkeit
der Wattenbach'fchen .Gcfchichtsquellen' wird freilich
für das ausgehende Mittelalter noch auf lange Zeit hinaus
ein frommer Wunfeh bleiben. — Die vorliegende 2. Aufl.
des L.'fchen Werkes übertrifft die erfte weit durch mög-
lichft umfaffende Durchdringung des Quellenftoffes und
der Literatur; fie bekundet einen ganz aufserordentlichen
Fleifs, und der gefchichtliche Standpunkt des Verfaffers,
von welchem aus er die Bewegung des 14. und 15. Jahrhunderts
beurtheilt, verdient volle Anerkennung: gegenüber
der jetzt Mode werdenden ultramontanen Verdrehung
der Vorgefchichte der Reformation meint L.
mit Recht fII, S. 333), bei allen Reformbeftrebungen
habe fich das Refultat herausgeftellt, dafs ,ohne eine
tiefe Wandelung des inneren Menfchen das Mittelalter
nicht zu überwinden fei'. Zur leichteren Ueberficht hat
der Verf. den Stoff in drei Abtheilungen gruppirt: 1) die
füddeutfehen, 2) die norddeutfehen Gcfchichtsquellen
und 3) die Quellen zur Reichs- und Kaifergefchichtc.
Für die Kirchengefchichte kommt befonders die dritte
Abtheilung in Betracht. Wir erlaffen uns, auf nicht be-
rückfichtigte Einzelheiten aufmerkfam zu machen, weil
wir yorausfetzen, dafs dem Verfaffer die Reihe von
Arbeiten, welche feit Vollendung feines Werkes erfchienen
find, wohl bekannt geworden fein werden. Wir wünfehen
ihm von Herzen Kraft und Ausdauer, die beftändig an-
wachfende Literatur auch für fpätere Auflagen fo zu
beherrfchen, wie er es in der zweiten gethan hat.

Halle a/S. Paul Tfchackert.

Luther's, Dr. Martin, Sämmtliche Werke. 17. Bd. Ver

mifchte Predigten, hrsg. v. Pfr. E. L. Enders. 2. Bd

enth.: Die Predigten vom J. 1523—1530. 2. Aufl. Schrift über Luther's Theologie, fowie Brömel, Homilet.

hier mitgetheilte Form der Predigt ift, wie ja auch der
Herausgeber felbft zeigt, fchwerlich von Luther. Immerhin
aber bleibt das Wort: ,Die Stund ift vorhanden, die
mir mein Gewiffen berührt', S. Iii, für die Zeitgefchichte
wohl zu beachten. ,Euer Stadt' S. 115 wird Wittenberg
fein. Es handelt fich um den Kampf gegen das dortige
Stift. Nr. 55 und 56 find jedenfalls, wie der Herausgeber
felbft erweift, nicht aus den Jahren 1524 und 1525; mir
Rheinen fie in das nächftfolgende Jahr zu gehören; denn
dahin zeigt die S. 176 flehende Bemerkung über ,die
neue Secte der Sacramentierer', die für kein anderes
Jahr fo gut pafst. Die vielen auf das Alterthum bezüglichen
Zahlenangaben in diefen beiden Predigten find
jedenfalls nicht von Luther, fondern werden von dem
fpäteren Herausgeber, Georg Buchholzer, flammen. Die
letzten 9 Predigten find einem Buche entnommen, welches
der Prediger J. M. Kraft in Hufum 1730 als Jubiläumsgabe
veröffentlichte. Er benutzte dazu ein Manufcript,
von dem er aber nur einen Theil gab. Sollte fich dies
Manufcript, welches nach dem uns vorliegenden ein
werthvolles war, nicht wieder auffinden laffen? Vielleicht
liegt es noch irgendwo in Schleswig-Holftein verborgen.

Auch diefc Predigten bieten wieder vieles Einzelne,
das für den Reformationshiftoriker wie für den prak-
tifchen Theologen von grofser Bedeutung ift, auf welches
hier näher einzugehen aber der Raum verbietet. Möchte
nur eine rege Theilnahme des theologifchen Publicums
es dem Herausgeber und der Verlagshandlung ermöglichen
, den Druck der noch rückftändigen Predigten zu
befchleunigen und dann die Ausgabe der lateinifchen
Briefe des Reformators zu beginnen!

Erlangen. G. Pütt.

Granier, Guill, Essai sur la predication de Luther depuis
l'annee 1515 jusqu'au 31. Octbr. 1517. Montauban
1878, Vidallet & Macabiau. (172 S. gr. 8.)

Es ift fehr erfreulich, ein im Eidlichen Frankreich
gefchriebenes Buch in die Hand zu bekommen, welches
von einem gründlichen Studium in den Werken des
deutfehen Reformators zeugt. Der Franzofe hat ja in
den deutfehen Schriften Luther's noch viel gröfsere
Schwierigkeiten zu überwinden als der Deutfche. Um
fo mehr verdient der wiffenfehaftliche Ernft Anerkennung
, der fich dadurch nicht zurückfehrecken liefs.

Der Verfaffer betont die Wichtigkeit der Predigten
Luther's für die Erkenntnifs feiner Lehre und feines
Werkes; ßour connaitre Luther, il faut aller le cherclier
dans ses sermons. Darin hat er Recht. Und ebenfo kann
man feiner Behauptung nicht widerfprechen, dafs für die
Darfteilung Luther's als Prediger auch in Deutfchland
noch nicht das Genügende gefchchen ift, eine Aufgabe,
die freilich erft recht lösbar fein wird nach Vollendung
der zweiten Auflage der Predigten Luther's. Sonft ift
die Verwerthung derfelben doch nicht fo verabfäumt,
wie der Verf. annimmt. Ihm fcheinen z. B. für die Anfangszeit
das Werk von K. Jürgens, Köftlin's frühere

Frankfurt a M. 1878, Heyder & Zimmer. ' (VIII, 472 S.

8.) M. 4. —

Fortfetzung der 2. Auflage von Luther's deutfehen
Werken in der Erlanger Ausgabe. Die Vorzüge diefer

Charakterbilder I, 93 ff. entgangen zu fein.

Seine Abficht ift, über Luther's Predigt überhaupt
zu fchreiben; in diefem Essai behandelt er aber nur die
Predigt von 1515—1517, oder wie er fagt, die Epoche
der Vorbereitung, die Predigt des Mönches. Aeufsere

2. Auflage vor der erften find fchon im Jahrgang 1877, ! Gründe rechtfertigen ja die Befchränkung, fonft ift diefe
Nr. 9 diefes Blattes befprochen. Der vorliegende Band ] Eintheilung keine glückliche. Mönch war Luther noch
enthält Predigten aus den Jahren 1523—1530, darunter ! über den 31. Oct. 1517 hinaus, und gerade in feiner Pre-
10, die hier zum erften Male aus alten Drucken in j digtweife bildet die That jenes Tages keinen Abfchnitt.
ihrer urfprünglichen Geftalt mitgetheilt und erft dadurch i In der Einleitung wirft fodann der Verf. einen Blick auf
für die Reformationsgefchichte recht verwendbar ge- den Stand der Predigt vor Luther. Das hierfür verwen-
macht werden. Nr. 41 z. B. vom Palmfonntage 1523 ift j dete Material ift das auch fonft allgemein bekannte, und
fehr bezeichnend für Luther's damalige Stimmung. Nr. wie man fagen mufs, lange nicht genügende. Zwar be-
42 ift für die Sacramcntslehre zu beachten. Nr. 52 hat I dürfen die Behauptungen von Kerker und Janfen über
nur ein halbes Recht in diefer Sammlung, denn die | das Predigtwefen des letzten Mittelalters der Einfchränk-