Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878 Nr. 19

Spalte:

463-467

Autor/Hrsg.:

Ferrar, William Hugh

Titel/Untertitel:

A Collaction of four important manuscripts of the Gospels: with a view to prove their common origin, and to restore the text of their archetype. Edited, with Introduction, by T. K. Abbott 1878

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

463

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 19.

464

Aufl., desgl. von Keils Archäologie u. f. w.; über die
Arbeiten auf dem affyriologifchen Gebiet herrfcht S. XI
wunderbares Stillfchweigen, wohl aber wird noch Scheuch-
zers Phul und Nabonaflar (1850) citirt. Solche Proben
zeigen, dafs der oben ausgefprochene Wunfeh fein gutes
Recht hat. Soll das Bibelwerk den Zweck erfüllen, dafs

nähere Beftimmung des Verwandtfchaftsverhältnifses der-
felben fehlte es lange an irgendwie zureichenden Vorarbeiten
. Nur der Codex 69 (L) war feit 1859, wo Scri-
vener (im Anhange zu feiner Ausgabe des Codex Augien-
fis) eine genaue Collation desfelben veröffentlichte, weiteren
Kreifen zugänglich (die von Tregelles im text-

es die der wiffenfehaftlichen Bewegung nothgedrungen j kritifchen Apparat feines N. T. mitgetheilte Vergleichung
Fernerftehenden kurz und zuverläffig über den jetzigen j erftreckte fleh zwar auf alles Wefentliche, liefs aber ita-
Stand der Dinge orientire, fo mufs der Verf. gründlich t eiftifche Verwechfelungen u. drgl. ganz aus dem Spiel),
mit allem Ballaft aufräumen oder von kundiger Hand j Ferrar's Verdienfc ift es nun, zuerft eine zufammen-
aufräumen laffen und die jetzt mafsgebenden Schriften j faffende Unterfuchung in Angriff genommen und für eine
mit kurzer Charakteriftik des Hauptinhalts an die Stelle j genauere Vergleichung auch der anderen drei Handfetzen
. In der Hoffnung, dafs diefes Defiderium Berück- fchriften diefer Gruppe Sorge getragen zu haben. Für
. fichtigung finden werde (wobei z. B. die gewiffenhafte . den Parifer Codex (P) genügten weder (was fchon Gries-
Bibliographie in Nägelsbachs Jefaja, Th. 14 des A. Tefh, bäch erkannt hatte) die Angaben Küfter's und Wetftein's

als Vorlage dienen könnte), wünfehen wir den weiteren
Neuauflagen des Bibelwerks einen erfpriefslichen Fortgang
-
Bafel. E. Kautzfeh.

Ferrar, William Hugh, A Collation of four important
manuscripts of the Gospels: with a view to prove their
common origin, and to restore the text of their archetype
. Edited, with Introduction, by T. K. Abbott.
Dublin 1877, Hodges, Foster, and Figgis. (LVII,
389 S., 2 Taf. 4.) M. 11. —

Wenn die grofse Maffe der jüngeren Handfchriften
des Neuen Teftaments für die Texteskritik nutzbar gemacht
werden foll, fo ift vor allem eine gründliche
Sichtung derfelben erforderlich, welche, von der Beobachtung
einzelner mehreren Exemplaren gemeinfamer
Eigentümlichkeiten ausgehend, die fo gewonnenen Gruppen
entweder auf uns erhaltene gemeinfame Quellen
zurückzuführen, oder aber, durch den Nachweis des Ver-
lufts jener Quellen, ihren felbftändigen Zeugenwerth zu
erweifen bemüht fein mufs. Ein folches Verfahren, auf
die Gefammtheit der Minuskeln ausgedehnt, würde aller

Wahrfcheinlichkeit nach die völlige Werthlofigkeit des [ wie es fcheint, nicht wieder verglichen; und 2>,e (zu St.

noch auch die von Birch {Variac lectiones, Havniae 1801)
herausgegebene Collation des Dänen Begtrup. Er wurde
vollftändig und mit der gröfsten Genauigkeit von Ferrar
felbft neu verglichen. Leider konnte mit der Mailänder
und der Wiener Handfchrift nicht in gleicher Weife verfahren
werden. Doch ift die Genauigkeit der Mittheilungen
aus jener (M) dadurch verbürgt, dafs die durcli
Ceriani's Vermittlung für Ferrar beforgte Vergleichung
des Ev. Matth, und vollftändige Abfchrift der übrigen
Evangelien in zweifelhaften Fällen auf Abbott's Betrieb
an Ort und Stelle einer wiederholten Controle unterzogen
wurde. Nicht ganz fo günftig fleht es mit der
Wiener Handfchrift (V). Zwar wurde auch hier beim
Auseinandergehen der Angaben früherer Benutzer der
Handfchrift diefe felbft aufs neue eingefehen (durch Dr.
Emmanuel Ho ff mann in Wien); jene Angaben aber
(von Birch, Alter und Scholz) laffen an Genauigkeit doch
fo viel zu wünfehen übrig, dafs, namentlich im Hinblick
auf den Werth diefer Handfchrift (den Ref. allerdings
höher anfehlägt als Abbott), eine vollftändige, genaue
Collation dringend zu wünfehen gewefen wäre. Zu bedauern
ift auch, dafs die Unterfuchung auf die genannten
vier Handfchriften befchränkt geblieben ift. Eine Heranziehung
der Codd. 28 (zu Paris, nach Mill und Scholz,

bei weitem gröfsten Theils derfelben zur Folge haben Petersburg, von Muralt verglichen), welche mit jenen eine
und uns fomit vor textkritifchen Statiftikern von dem I Anzahl fingulärer Lesarten gemein haben, hätte vielleicht
Schlage Birk's (vgl. LZ. Nr. 18) für die Zukunft ficher j zu intereffanten Refultaten geführt (vgl. p. L).
ftcllen; es würde aber ohne Zweifel auch ein pofitiver Die am meiften ins Auge fallende Uebereinftimmung

Gewinn damit erzielt werden, welcher der neuteftament- '■ zwifchen den Codd. LMPV befteht in der Stellung der

liehen Texteskritik unmittelbar zu Statten käme. Denn
der für eine einzige Plandfchrift oder Handfchriftengruppe
wenn auch noch fo jungen Datums, geführte Beweis, dafs
fie aus einer Quelle gefloffen, welche uns nicht mehr

Perikope von der Ehebrecherin Joh. 7, 53 — 8, II, welche
in allen vier Handfchriften, und zwar, foweit bisher bekannt
, nur in diefen dem 21. Capitel des Ev. Luc. am
Schlufs angehängt ift. Mufste fchon diefer Umftand die

zugänglich ift, kann unter Umftänden der Entdeckung j Vermuthung einer gemeinfamen Quelle nahe legen, fo
eines Üncialcodex vom höchften Alterthum nahezu gleich- ! wird durch eine Vergleichung der Texte felbft unter

kommen

Von diefer richtigen Erwägung geleitet, hatte fleh
W. H. Ferrar, weiland Profeffor in Dublin, die Aufgabe
geftellt, vier durch hervorragende Eigenthümlichkeiten
ausgezeichnete Minuskeln auf ihre gemeinfame
Quelle zurückzuführen und diefe Quelle felbft möglichft
vollftändig zu reconftruiren. Es war ihm aber nur vergönnt
, einen Theil der Arbeit felbft auszuführen. Den Ab-
fchlufs verdanken wir dem auf dem Titel genannten Herausgeber
, welcher fich auch als Verfaffer der ausführlichen
Einleitung kundgiebt, während wir in Bezug auf den
Text felbft nicht erfahren, wie viel davon Ferrar druckfertig
hinterlaffen und von welchem Punkte an Abbott
für ihn eingetreten ift (vgl. die unbeftimmte Angabe
p. LV).

Den hohen Werth und die enge Zufammengehörig-
keit der Evangelienhandfchriften 13 {Paris, sacc. XII—
XIII), 69 {Leicestr. saec. XIV, auch die Apoftelgefch.,
die paulinifchen Briefe und die Apokalypfe enthaltend),
124 {Vindobon. saec. XII), 346 {Mediolan. sacc. XII—XIII)

hatten z. Th. fchon Wetftein, Trefchow, Birch u. a. I zufammen, und zwar am häufigften LMP gegen V
erkannt. Für eine eingehendere Würdigung aber und j (220 mal), während L nur 75 mal gegen MPV, M 42 mal

einander und mit der fonftigen Ueberlieferung diefe
Frage über allen Zweifel erhoben. Jede der vier Handfchriften
enthält c. 125 —200 Lesarten, welche aufserhalb
diefer Gruppe gar nicht vorkommen, fo zwar dafs von
den 142 hierher gehörigen Lesarten in P, 135 auch in
M, 129 in L und M, 100 in LMV wiederkehren, und von
127 in V, 100 auch in LMP. Aber damit nicht genug:
an mehreren Stellen finden fich in allen vier Handfchriften
diefelben Schreibfehler, z. Th. der auffallendften Art,
z. B. Mc. 5, II ngög to ogei, 14, 72 äva/uvijoiheig (lt.
avefivrjo&tf), Lc. 1, 29 und 3, 15 et ft. etry, 8, 26 xaxa-
nlsvaavTeg (ft. v.artnlEvaav), Joh. 19, 39 eptgov (ft. qstgav);
Mt. 19, 24 bieten LMP, und in der Parallele Mc. 10, 25
LMV irkovoiog ft. nlovaiov; Mt. 15, 14, wo L eine Lücke
hat, lefen MPV übereinftimmend börp/bv ft. bdijywv und,
in demfelben Verfe, elai (vor ndr/yoi), welches in V gar
von erfter Hand aus eioiv corrigirt ift. —■ Dafs alle vier
Handfchriften von einander abweichen, kommt fo gut
wie gar nicht vor, und auch eine dreifache Verfchicden-
heit ift höchft feiten. Häufiger ftimmen drei gegen eine