Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878

Spalte:

452

Autor/Hrsg.:

Hildebrandt, Jul.

Titel/Untertitel:

Festpredigten. An den kirchlichen Hauptfesten gehalten vor der Garnisonsgemeinde zu Stettin 1878

Rezensent:

Sachsse, Eugen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 18.

452

dernen Zeitgeiftes vertheidigt. Gewifs find manche Theile
des Buches als gut zu bezeichnen. So werden die
rationalifhfchen Einwendungen gegen Chrifti Genugfhu-
ung gründlich und gut widerlegt. Dennoch können
wir Bedenken gegen die Vorträge nicht unterdrücken.
Die gläubige Gemeinde können fie nicht erwärmen, fie
find zu lehrhaft und die religiöfe Empfindung wird zu
wenig angeregt. Dagegen zweifelnde oder ungläubige
Gemüther können fie nicht befriedigen, weil der Verf.
meift nicht genügend nachweift, wie die Behauptungen
des Unglaubens fich felbft oder andern unzweifelhaften
Thatfachen widerfprechen. Oft wird der Irrthum, nachdem
er dargelegt ift, abgethan mit folchen Bemerkungen,
wie: ,das ift eitel Lug und Trug' und dann einfach das
Gegentheil daneben geftellt. Oder gegenüber der Behauptung
: die Welt ift ewig, wird nur gefagt: viele Entdeckungen
beweifen unwiderfprechlich das zeitliche Ge-
wordenfein der Welt (p. 10). Aber welche Entdeckungen
das find, darüber wird uns keine Aufklärung gegeben.
Ebenfo ftellt er der Leugnung des freien Willens nur
feine Verficherung entgegen: ,Aber fo verhält es fich
durchaus nicht. Gott hat uns Menfchen mit wirklicher,
wenn auch nicht mit unbefchränkter Freiheit begabt.
Darum ift auch jeder für fein Thun verantwortlich' (p.
43). Die Thatfachen des warnenden und ftrafenden Gewiffens
fowie die widerfinnigen Confequenzen diefer Lehre
mufsten vorgeführt werden, um den Irrthum ad absurdum
zu führen. Und welcher Apologet wird in unfrer
Zeit die Gottheit Chrifti durch folgenden Schlufs fchon
erwiefen zu haben glauben: 1) nach den Evangelien hat
Chriftus fich göttliche Natur beigelegt; 2) Chriftus ift
wahrhaftig, — folglich ift er göttlicher Natur. Daher
wird der Zweifelnde diefe Betrachtungen unbefriedigt bei
Seite legen.

Beck, Pfr. H., Das Leben Abrahams in Dreifsig Betrachtungen
erbaulich ausgelegt. Erlangen 1878, Deichert.
(IV, 183 S. gr. 8.) M. 2. —

An das Leben Abrahams find 30 einfache, aber an-
fprechende und erwärmende Betrachtungen angeknüpft.
Die Sprache ift verftändlich, der Inhalt gefund. Freilich
die hervorragende Stellung Abrahams für die Entwicke-
lung des Reiches Gottes tritt nicht deutlich genug hervor
. Gewifs hat die Gemeinde diefe Betrachtungen mit
Intereffe und Nutzen gehört, und gedruckt werden fie
den Freunden des Verf. eine angenehme Gabe fein.

Behrmann, Paft. Geo., Bibelstunden. Beiträge zum Ver-
ftändniffe d. göttl. Wortes. 2. Thl. Au. d. T.: Die
Gleichniffe unfers Herrn Jefu Chrifti. In Bibelftunden
ausgelegt. I. Hälfte. Kiel 1878, Homann. (IX, 169
S. gr. 8.) 2. 40; geb. 3. 40.

Diefe Betrachtungen find nach Form und Inhalt den
vorigen ähnlich und verdienen gleiches Lob. Aber wodurch
glaubt fich der Verfaffer berechtigt, die Gefchichte
vom barmherzigen Samariter unter die Gleichniffe aufzunehmen
? Sie wird Luc. 10. nicht fo genannt und ift
auch kein Gleichnifs im ftrengen Sinn, fondern eine
moralifche Erzählung, in welcher der Herr das Wefen
der Nächftenliebe darfteilt. Allerdings werden auch die
moralifchen Erzählungen in der Schrift hin und wieder
Gleichniffe genannt, z. B. die Erzählung vom reichen
Narren, Luc. 12, 16, die Gefchichte vom Pharifäer und
Zöllner, Luc. 18, 9. In diefem weiteren Sinne nennt
man auch wohl die Gefchichte vom barmherzigen Samariter
und vom reichen Mann und armen Lazarus Gleichniffe
. Doch unterfcheiden fie fich von den eigentlichen
Gleichniffen fehr wefentlich. Das Gleichnifs erzählt einen
natürlichen Vorgang, um daran ähnliche Vorgänge im
Reiche Gottes deutlich zu machen. Jene Erzählungen
aber ftellen das fittliche Verhalten eines Einzelnen als
Vorbild oder Warnung für alle auf. Daher find fie von

den Gleichniffen zu unterfcheiden. Allerdings verfucht
der Verf., nach Luthers und andrer Vorgang, die Gefchichte
vom barmherzigen Samariter in ein Gleichnifs
umzudeuten: der Samariter ift Chriftus, der halbtodte
Menfch die in Sünde und Elend fchmachtende Menfch-
heit; allein das heifst nicht auslegen, fondern hineinlegen
.

Roennecke, Karl, Festpredigten aus der Diaspora in Italien
. Leipzig 1877, Härtung & Sohn. (139 S. gr. 16.)
M. 2. —

Der Verfaffer, Prediger an der deutfchen evang.
Gemeinde in Florenz, zeigt uns in 6 Feftpredigten, wie
er in der italifchen Diaspora das Evangelium predigt.
Er verfteht es, von den Feftgefchichten feine und finnige
Anwendung auf das Herz zu machen, die Sprache ift
gewählt, für eine gebildete Gemeinde berechnet. Be-
fonders lobenswerth ift es, dafs er wenig gegen rö-
mifchen Irrthum polemifirt; vielmehr legt er die Oede
des Unglaubens und den Unfrieden des natürlichen
Herzens dar, um für die grofsen Thaten Gottes für
uns und in uns empfänglich zu machen. Wir freuen
uns, dafs unfre evangelifche Kirche in der Arno-
ftadt einen fo tüchtigen Arbeiter hat, und find gewifs,
dafs folchen Zeugniffen der Wahrheit die Herzen fich
öffnen werden. Dankenswerth ift auch die Jubiläumspredigt
, in welcher uns die Gründung und fünfzigjährige
Gefchichte der evang. Gemeinde in Florenz (1826—1876)
in kurzen Zügen erzählt wird.

Hildebrandt, Pfr. Jul, Festpredigten. An den kirchlichen
Hauptfeften gehalten vor der Garnifongemeinde zu
Stettin. Stettin 1877, von der Nahmer. (III, 122 S.
gr. 8.) M. 2. 50.

Auch diefe 11 Feftpredigten, gehalten an den Haupt-
fefttagen des Kirchenjahres, können wir gleich den vorigen
empfehlen. Sie bieten gefunde Speife in körniger,
knapper Sprache. Sie gleichen einer Kraftfuppe, welche
viel Nahrung in wenig Volumen enthält; die Gedanken
werden oft mehr angedeutet als ausgeführt. Zuweilen
möchte man den Gedanken in der Seele ausempfinden,
gleichkam den angefchlagenen Akkord länger ausklingen
laffen, ehe ein andrer ihn ablöft; aber weiter, weiter!
Doch — jeder Vogel hat feine Weife und auch diefe
hat gewifs ihre Liebhaber.

Hamm. Lic. Sachsse.

Bibliographie

von Dr. Caspar Rene" Gregory.
JDcutfcbc Literatur.

Rofcher, W. H., Hermes der Windgott. Eine Vorarbeit zu
einem Handbuch der griechifchen Mythologie vom vergleich
. Standpunkt. Leipzig, Teubner. (X, 133 S. gr. 8.)

3. 60.

Müller, A., Hebräifche Schulgrammatik. Halle, Niemeyer.

(XII, 304 S. gr. 8.) Mit einer Tafel. 2. 60.

Henrici, E., Die Quellen von Notkers Pfalmen zufammen-

geltellt. [Quellen u. Forfchungen zur Sprach- u. Cultur-

gefch. d. german. Völker. Hft. 29.] Strafsburg, Trübner.

(358 S. gr. 8.) 8. -

Tibus, A., Die Pfarre Cleve von ihrer Gründung an bis nach

Errichtung der Collegiat-Kirche dafelbft. Cleve, Bofs.

(132 S. 8.) Mit e. Tab. in gr. Fol. I. $0.

Schleiden, M. J., Die Romantik des Martyriums bei den

Juden im Mittelalter. Leipzig, Engelmann. (64 S. 8.) I. —
Nathan filius Jecläelis. Plenus Aruch targum-talmu-

dico-midrasch verbale et reale lexicon. Ex diseißlinis

contextus Aruchini Venetiis [anno 1531J editi et typis

mandatorum optimi, ita ex huius cum editione prineip.

[ante 1480], nec non cum Septem Aruchinis veteribus