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Ausgabe:

1878

Spalte:

450-452

Autor/Hrsg.:

Mader, Ph. Fr.

Titel/Untertitel:

Die Liebe Gottes in ihrer schöpferischen, erlösenden, heiligenden Bethätigung. 28 homiletisch-apologetische Betrachtungen 1878

Rezensent:

Sachsse, Eugen

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Thcologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 18.

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Gefellfchaft von Fragenden und Suchenden richtet fie
fich, fondern an eine Gemeinde, die Jefus als den Chriftus
bekennt, in welchem ihr die Wahrheit und das Leben
von Gott geoffenbart und gefchenkt ift' (S. 214).
Nicht weniger zutreffende Bemerkungen enthält der folgende
Paragraph über das Verhältnifs von Predigt und
Beredtfamkcit. ,Auch ein Blick, eine Thräne, ein Still-
fchweigen kann in hohem Mafse beredt (sue Isprekend)
fein' (S. 219). Eben fo vorzüglich ift die Auseinander-
fetzung, welche die Predigt in ihrer Beziehung zur Per-
fönlichkcit des Predigers befpricht und im Gegenfatze zu
dem bekannten Worte des Nikiaus von der Flüe zeigt,
dafs eine folche Verleugnung der Perfönlichkeit (verloo-
chening der persooti/ijkcid) unhiftorifch, unpfychologifch
und unpraktifch fei S. 245). Anderfeits hat das Recht
derfelben auch feine beftimmten Grenzen und zwar nicht
am wenigften an dem Bckenntnifs der Gemeinde. ,Voll-
ftändig unbegrenzte Lehrfreiheit mag eine Zeitlang (tijde-
lik) geduldet werden; fie kann aber auf die Dauer nicht
beftehen, ohne Zion zu Babel zu machen (sonder Sion te
Babel te niaken)' (S. 252).

In der nun folgenden materiellen Homiletik (S. 257
— 394) wird zuerft der Stoff der Predigt im allgemeinen
discutirt, dann derjenige der verfchiedenen Predigten und
endlich der Stoff einer jeden Predigt. Wenn der Verf.
auf die Frage: ,Was ift nicht zu predigen (wat niet te
preeken)'} antwortet: .Keine eigentliche Philofophie, keine
Parteipolitik, keineNaturwiffenfchaft, keineWeltgcfchichte
und Literatur, keine focialen, ökonomifchen und philan-
thropifchen Fragen, keine von der Wurzel der Glaubenslehre
getrennte Sittenlehre, keine theologifchen Streitfragen
und endlich auch nicht das eigene Ich' (niet uzel-
ven), fo können wir ihm nur zuftimmen und das Gefagte zur
Beherzigung empfehlen. Auch hat O. wohl das Richtige
getroffen, wenn er (S. 272) fagt: ,Das Biblifch-
predigen befteht keineswegs darin, dafs man fo viel als
möglich biblifche Citate (tcksten aanhale) aufeinander-
ftapelt, wie die Titanen den Pelion auf den Offa, um fo
fich dem Olymp zu nähern'. Es gilt vielmehr, das Bibelwort
gehörig zu verarbeiten und darnach zu trachten,
dafs jede Predigt auch eine chriftliche Predigt in dem
Sinne fei, ,dafs der volle Chriftus des Evangeliums' darin
ftets in den Vordergrund tritt (S; 276. 277;. — Die Darfteilung
des Stoffes der verfchiedenen Predigten führt
den Verf. zur Betrachtung des Kirchenjahres, deffen Bedeutung
er, obwohl der reformirten Kirche angehörig,
vollftändig zu würdigen weifs (S. 289). Beiläufig erfahren
wir bei dieferGelegenheit, dafs in den Niederlanden immer
noch keine allgemeine Feier des Charfreitags (goede
Vrijdag) ftattfindet. In England und Nordamerika
ift das bekanntlich gerade fo, In der reformirtenSchweiz
dagegen wird feit dem Jahre 1860 der Todestag des
Herrn als hoher Fefttag begangen: ein Verdienet des
verftorbenen, durch feine genauen Forfchungcn ausgezeichneten
Paläftinareifenden Dr. Titus Tobler, der die
erfte Anregung, die fofort den fchönften Anklang fand,
dazu gab. —Üm die Katechismuspredigten, die O.
in Schutz nimmt (S. 334 ff.), beneiden wir die Holländer
nicht und halten es für richtig, dafs fie feit 1863 nicht
mehr obligatorifch find 'S. 335). Der Katechismus gehört
dahin, wohin fein Name weist: in den Katechumen-
unterricht, aber nicht auf die Kanzel. Dafs der Verf. die
Schrift von Wolters (der Heidelberger K. in feiner ur-
fprünglichen Geftalt herausgegeben nebft der Gefchichte
feines Textes im Jahre 1563. Bonn 1863; nicht kennt,
wundert uns. Wolters hat die Entftehung der fatalen
80. Frage, die in der erflen Ausgabe gar nicht ftand,
wohl endgültig klargeftellt.

Die formelle Homiletik, zu der $ 29 hinüberlcitet,
behandelt die Form der Predigt im allgemeinen, die
Dispolition, den Stil, den Vortrag, den richtigen Mafs-
ftab zur Beurtheilung der Predigt (de lioogste toets der
Leerrede) auf S. 394—447. Hier fleht manches goldene,

aus reicher Erfahrung gefchöpfte Wort, das nicht nur
angehende Prediger, fondern auch folche, die es fchon
lange find, fich zu Gemüthe führen mögen. So recht
aus dem Herzen heraus ift uns § 31 über die Difpofition
gefchrieben, wenn es da heifst: .Eine genaue (scheige)
Difpofition, weit entfernt davon, eine willkürliche Anforderung
oder gar ein unerträgliches Joch zu fein, ift im
Gegentheil die conditio, sine qua non einer wohlgeordneten
und ihr Ziel treffenden Kanzelrede' (S. 400). Vom
Stil wird vornehmlich Klarheit, Natürlichkeit, eine ge-
wiffe Erhabenheit (verhevenheid), verbunden mit Einfachheit
verlangt (S. 417—428); für den Vortrag forgfältige
Vorbereitung, wozu auch ein verftändiges Memoriren
(mevioriseeren) gehört, gefordert. Dem Improvifiren ift
O. nicht hold. .Gerade beim I. geräth man in die Gefahr
zu übertreiben und zu heucheln; man fagt mehr,
als man verantworten kann, weil man um jeden Preis
am Sprechen bleiben will und fich fo gut als möglich
, auch durch «Kraftfprache» retten mufs, während man beim
M. nur ausfpricht, was in Ruhe (kalmte) ift erwogen
1 worden' (S. 436) . . . ,In der Einfamkeit wird die Pre-
I digt im Herzen geboren, in der Kirche wiedergeboren auf
i den Lippen des Sprechers, und fie mufs ihm entftrömen,
als ob fie die Frucht koftbarer, augenblicklicher Eingebung
wäre' (S. 435).

Zu den inneren Vorzügen des Buches, deffen Leetüre
uns häufig an Palmer und Vinet, zuweilen auch
durch kräftige Natürlichkeit an Claus Harms erinnerte,
tritt, fo viel wir es zu beurtheilen vermögen, als äufserer
auch noch ein gewandter, mitunter angenehm rhetori-
firend gefärbter Stil hinzu. Die literarifchen Angaben
find reichhaltig, doch haben wir vermifst die fchon 1848
erfchienene Homiletik von A. Schweizer, und deffen
Paftoraltheorie, ferner das umfaffende Werk Nebe's
über das chriftliche Kirchenjahr, Martenfen's Predigten
über die Leidensgefchichte, fowie das treffliche Büchlein
von Wolters über den Heidelberger Katechismus. Die
äufsere Ausftattung ift vorzüglich. In den deutfehen
Citaten find hin und wieder einige kleine Druckfehler,
die jeder deutfehe Lefer leicht felbft verbeffern wird.
Blofs als Verfehen ift es zu bezeichnen, wenn S. 166 als
Bruder von L. Hofacker Wilhelm Hoffmann in
Stuttgart genannt wird.

Von der deutfehen Ueberfetzung, beforgt durch
zwei würtembergifche Pfarrer: Adolf Matthiä und
Albert Petry gehen uns eben die beiden erften Lie-'
ferungen zu. Wir begrüfsen diefc Uebertragung umfo-
mehr mit herzlicher Freude, als das Lefen des Originals
für den, der nicht gründlich holländifch verfteht, ohne
forgfältige Benutzung des Wörterbuchs nicht möglich ift,
ein folches Buch aber, wie Oofterzee's Praktifche
Theologie, deren zweitem Theile wir mit Verlangen ent-
gegenfehen, würdig und werth ift, auch von deutfehen
Theologen beachtet zu werden, mag auch dem Altmeifter
Nitzfeh nicht leicht irgend einer gleichkommen.

Crefeld. F. R. Fay.

Homiletische Literatur.

Mader, Paftor Ph. Fr., Die Liebe Gottes in ihrer fchöpfe-
rifchen, erlöfenden, heiligenden Bethätigung. 28 ho-
miletifch-apologetifcheBetrachtungen. Gütersloh 1878,
Bertelsmann. (IV, 236 S. 8.) M. 2. 40.

Gewifs mufs die Apologetik in unfrer Zeit auch in
der Predigt ihre Stelle finden; denn auch die Befucher
der Gottesdienfte werden angefochten von den kräftigen
Irrthümern der Zeit und der Prediger foll ihnen Waffen
dagegen bieten. Indcfs der Verfaffer geht einen Schritt
weiter, er hält der Gemeinde apologetifche Vorträge.
Die Schöpfung und Vorfehung Gottes, Chrifti Gottheit
und ftellvertretende Genugthuung, die Sakramente und
die Rechtfertigung werden gegen die Einwürfe des mo-