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Ausgabe:

1878 Nr. 18

Spalte:

443-444

Autor/Hrsg.:

Behrmann, G.

Titel/Untertitel:

Claus Harms. Eine Predigt und ein Vortrag 1878

Rezensent:

Carstens, Carl Erich

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 18.

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Unterfuchungen über Zell's Leben zu liefern, hat er fich
vielmehr der Schilderung, die Röhrich (in dem 2. Bande
der Beiträge zu den theologifchen Wiffenfchaften von
Reufs und Cunitz) entworfen, im Wefentlichen ange-
fchloffen, fo ift doch die Kenntnifs des Lebens des erften
Strafsburger Reformators dadurch nicht unwefentlich gefördert
worden, dafs Erichfon einzelne Briefe Zell's, die
Röhrich nicht gekannt (S. 34) fowie zwei bisher nicht
bekannte Schriften der Gattin desfelben (S. 22. u. S. 60)
zum erften Male verwerthet hat. Ein Bild Zell's von
Herrn Prof. Bürkner in Dresden nach dem auf der Strafsburger
Landes- und Univerfitätsbibliothek befindlichen
Holzfchnitt gezeichnet, ift dem Buche beigegeben.

Strafsburg. R. Zoepffel.

[. Gedächtnissfeier, die, für Claus Harms an feinem hun-
dertften Geburtstag am 25. Mai 1878. Kiel 1878,
Univ. Buchh. (40 S. gr. 8.) M. 1. 20.

2. Behrmann, G., Claus Harms. Eine Predigt und ein
Vortrag. Kiel 1878, Homann. (40 S. gr. 8.) M. 1. 20.

Zwei kleine Schriften, doch von nicht geringer Bedeutung
, nicht nur für die Freunde von C. Harms,
fondern für die Kirchengefchichte, der fein Name verbleibt
. Wäre der 25. Mai nicht auf einen Sonnabend
gefallen, würde die Sacularfeier in Kiel für die Geiftlich-
keit Schleswigholfteins zu einem Landesfefte geworden
fein. Die Generalfuperintendenten der Provinz erliefsen in-
defs einen Aufruf, das Andenken an die Perfon und das
Wirken diefes hochbegabten und reichgefegneten Zeugen
des Evangeliums zur Erbauung der Gemeinden in unterer
Landeskirche mit Dank gegen Gott wieder wach zu
rufen in der Sonntagspredigt am 26. Mai, dem auch wird
nachgekommen fein. Erftere Schrift befchreibt nun die
Kieler Feier. Sie wurde Morgens 8 Uhr damit eröffnet,
dafs die Gedenktafel, angebracht an dem Haufe, das im
Jahre 1820 250 Gemeindeglieder dem Archidiakonus
Harms zum Eigenthum fchenkten, als er den Ruf als
luther. Bifchof nach Petersburg ausgefchlagen, und in
dem er von 1820—1836 gewohnt, enthüllt ward. Der
Kieler, Dr. Fr. Volbehr, Präfes des Vereins für Ge-
fchichte der Stadt Kiel und bekannt durch feine Ver-
dienfte um das Univerfitätsjubelfeft, hielt dabei die hier
(S. 6) mitgetheilte Rede. Darauf ward von Propft H a n -
fen in Kiel Vorm. 12 Uhr in der akademifchen Aula
die eigentliche Feftrede (S. 11) gehalten, weichein gediegener
Weife nach dem reich vorhandenen Material den
Entwickelungsgang, den Harms genommen, und die
Wirkfamkeit, die er geübt, zeichnet. Nachm. 5 Uhr
redete am Grabe der einzig noch lebende Sohn, Paftor
Chr. Harms in Grube (S. 33) auf Begehr des Feft-
commites: ,Allein Gott in der Höh fei Ehr' ift der Grundton
, der diefe Rede durchklingt. Dem ift noch hinzugefügt
eine beabfichtigte, aber wegen Unwohlfeins nicht
gehaltene Rede des alten ehrwürdigenpast. einer. Haffelmann
, einft unmittelbarer Nachfolger von Harms im
Kieler Pfarramt, der ihm einft auch die Leichenrede
gehalten.

Die zweite Schrift von dem gegenwärtigen Prediger
an Set. Nicolai in Kiel, dem durch feine Bibelhunden
und feine Mitarbeit am Grau 'fchen Bibelcommentar bekannten
Paftor G. Behrmann, enthält einen am Abend
des Fefttages in der Harmonie zum Beften der Sonn-
tagsfchule gehaltenen Vortrag und eine am 26. Mai in
der Nicolaikirche gehaltene Gedächtnifspredigt über Pf.
40, 10. II. Deren Thema: Die chriftliche Heilspredigt,
was bringt fie?, wie tritt fie auf?, woher kommt fie? —
Für den Vortrag: C. Harms in feinen Entwickelungs-
jahren, hat der Verfaffer bisher ungedruckte Briefe benutzen
können, die H. in feinen Jünglingsjahren und
fpäter an feinen Vaterfreund, Paftor Oertling in St. Michaelisdon
(f Paftor in Bornhöved) gefchrieben, in welchen
er feine Herzensgeheimniffe und Gedankengänge
auszufprechen pflegte. B.'s Refultat ift: fein Andenken
ift in die Gefchichte der luther. Kirche verwoben —1 als
einer ihrer gröfsten Zeugen bleibt er in ihr unvergeffen;
er gehört aber auch der ganzen Kirche Chrifti an als
einer von den Helden in jenem Kampfe, welcher nach
Goethes Wort das Thema für die Gefchichte der Menfch-
heit ift, in dem Kampfe des Glaubens wider den Unglauben
.

Tondern. Carftens.

Schaf fie, Min. a. D. Dr. Alb. E. Fr., Bau und Leben des
socialen Körpers. Encyclopädifcher Entwurf einer
realen Anatomie, Phyfiologie und Psychologie der
menfehlichen Gefellfchaft mit befonderer Rückficht
auf die Volkswirthfchaft als focialen Stoffwechfel.
2. Thl. Das Gefetz der focialen Entwickelung. Tübingen
1878, Laupp. (VIII, 498 S. gr. 8.) M. 10. —.

Die Aufgabe des erften Theils diefes umfangreichen,
auf drei Bände angelegten Werkes beftand — wie Ref.
feinerzeit ausgeführt hat — darin: ,die gefellfchaftlichen
Einrichtungen und Verrichtungen überhaupt erftmals
fyftematifch zu gliedern.' Deshalb mufste fich der Verf.
dort ,vorzugsweife befchreibend verhalten' d. h. mehr
die Anatomie der menfehlichen Gefellfchaft fich zum
Ziele fetzen. Der nunmehr vorliegende zweite Theil hat
,dem aufgehellten Plan gemäfs' die einzelnen Hauptgruppen
focialer Inftitutionen und Functionen genauer
zu erörtern und hierbei namentlich die verfchiedenen
,gefchichtlichen Entwickelungsftufen', gleichfam die Phyfiologie
jeder Gruppe ins Auge zu faffen. Er will fich
alfo zu ,genetifcher Erklärung', dem ,höchften Ziele aller
Wiffenfchaft' erheben. Der dritte Band — welcher von
der Verlagshandlung noch für diefes Jahr in Ausficht
gehellt, aber meines Wiffens bisher noch nicht erfchienen
ih — foll dann ,die Hauptbehandtheile und Hauptverrichtungen
des Gefellfchaftskörpers' von dem eigenthüm-
lichen Gefichtspunkte des ,focialen Stoffwechfels' aus beleuchten
. Worin diefer dritte Theil fich principiell von
dem erhen unterfcheiden foll — es fei denn durch noch
gröfsere Breite im Detail — ih bei der durchaus verworrenen
Syhematik des Verf.'s nicht recht zu verhehen.
Ref. mufs bekennen, auch bei dem vorliegenden zweiten
Bande mit heter Ermüdung — in Folge des unabläffig
wiederholten Refrains Darwinihifcher Formeln — gekämpft
zu haben. Es ih fchwer, einer Gedankenentwickelung
bis ins Einzelnhe zu folgen, wenn fie in ihren
wefentlichen Grundvorausfetzungen an Unklarheit leidet
und durch jene ,analog vergleichende Methode' aus der
nebulofen Sphäre der metaphorifchen Bilderfprache fah
nie herauskommt. Dafs fich bei derfelben allüberall nur
wenig verdeckte Selbhwiderfprüche einfchleichen, dürfte
unfehwer zu erweifen fein.

Suchen wir uns zunächh einen Ueberblick über den
reichen und im Einzelnen auch geihvoll behandelten
Inhalt diefes zweiten Theiles zu verfchaffen, um fodann
unfre kritifchen Bedenken zu äufsern und die wiffen-
fchaftliche Unfruchtbarkeit diefer fich immer um Einen
Hauptgedanken herumdrehenden focial-darwinistifchen
Meditationen darzuthun.

In diefem ganzen zweiten' Theile foll ,das Gefetz
der focialen Entwickelung an den entwickelungsgefchicht-
lichcn Thatfachen der Civilifation' nachgewiefen werden.
Zu dem Zweck verfucht der Verf. einleitend — wie
denn bei ihm fah Alles ,Einleitung' d. h. allgemeines,
hets wieder abbrechendes und immer wieder aufgenommenes
Raifonnement ih — die Civilifation als höchhe
Entwickelungshufe der irdifchen Schöpfung darzuheilen.
Hier werden alfo ,die eigenthümlichen Befitzthümer (!)
der Civilifation' genetifch als ,eine höhere Fortfetzung
(?) des organifchen Schöpfungsfortfchrittes' mit hetiger