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Ausgabe:

1878 Nr. 17

Spalte:

425-427

Autor/Hrsg.:

Wetzel, Paul

Titel/Untertitel:

Praktische Auslegungen zum Matthäusevangelium 1878

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 17.

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Verfaffer herausgegebenen Sammlungen reichlichen Eingang
finden und den Segen verbreiten , der auf der
Predigt der Gnade und Wahrheit ruht; der einzigen,
welche Verheifsung hat.

Dresden. Meier.

Praktische Auslegungen zum Matthäusevangelium.

Wir faffen unter diefem Titel drei neuere Schriften zu-
fammen, die nach Zweck und Inhalt fichfehr unterfcheiden.
Eine ausführliche Erklärung des ganzen Evangeliums giebt
Pfr. Lic. theol. J. L. Sommer, Das Evangelium Matthäi,
praktifch ausgelegt. Erlangen 1877, A. Deichert. (678 S.
gr. 8.) M. 8. — Derfelbe will mit feiner Arbeit nicht blofs
theologifchen, fondern auch weiteren Kreifen dienen. Wie
fie vorliegt, kann damit weder den einen noch den andern
gedient fein. Am wenigften den Theologen. Praktifche
Exegefe foll doch, wie auch der Verfaffer im Vorwort
andeutet, unter Vorausfetzung der wiffenfchaftlichen Exegefe
den Weg zur Anwendung der Refultate derfelben
in Predigt und Katechefe aufweifen und die Bedeutung
der Schriftwahrheit für die P'örderung des chriftlichen
Lebens entwickeln. Eine fehr wichtige und dankbare
Aufgabe, durch deren Löfung die nothwendige Verbindung
von Theologie und Kirche für die Gegenwart erft
wieder recht zu begründen ift. Wie hat fich nun der
Verfaffer damit abgefunden? Er ignorirt einfach die
wiffenfchaftliche Exegefe, fo weit fie mit feinen dog-
matifchen Vorausfetzungen nicht übereinftimmt und flicht
die letzteren unbedenklich in feine Auslegung ein. Bezeichnend
für feine Methode ift fogleich die Einleitung.
Da erzählt er, als ob es fich um die unbeftrittenften
Thatfachen handelte, dafs der Apoftel Matthäus ein
hebräifches Evangelium verfafst habe, welches nicht
lange Zeit'danach in das griechifche Evangelium Matthäi
, wie es uns vorliegt, übertragen worden fei und bemerkt
nur, dafs es fich nicht mit völliger Sicherheit be-
ftimmen laffe, ob diefe Uebertragung von Matthäus felbft
herrühre, was wahrfcheinlich fei, oder ob fie von einem
Andern herftamme. Nicht mit einem Worte wird dabei
erwähnt, dafs darüber auch abweichende Anflehten be-
ftehen; die gefammte Evangelienkritik wird von dem
Verf. fchlechthin ignorirt.

Seine Auslegung, die fich an die Lutherifche Ueber-
fct/.ung anfchliefst, giebt der Verf. in der Form einer
ziemlich weitfehweifigen Umfchreibung des Textinhaltes.
Dabei verfchwimmt die gefchichtliche Auslegung mit
der erbaulichen Anwendung zu einem unerquicklichen
Gemifch. Das Ganze ift bis auf die fprachlichen Eigen-
thümlichkeitcn herab von der fpeeififchen Theologie der
Erlanger Schule bcherrfcht, die von dem Verf. vorgetragen
wird, als exiftirte keine andere Theologie. Abweichende
Anfchauungen werden hie und da erwähnt
und ohne den Verfuch einer tieferen Begründung der
eignen Meinung mit einigen Worten abgewiefen. Originelle
Gedanken oder feinfinnige Bemerkungen finden
fich kaum, felbft die Winke für praktifche Anwendung
des Schriftinhalts gehen nicht über das Gewöhnliche
hinaus. Für Theologen ift eine folche Schriftauslegung
unbrauchbar, felbft wenn fie die dogmatifchen
Vorausfetzungen des Verf.'s theilen, Ihr Werth für die
Förderung der chriftlichen Erkenntnifs bei Gemeinde-
gliedcrn ift wenigftens zweifelhaft. Der Verf. redet zu
fehr die Sprache der dogmatifchen Schule und felbft
Ausdrücke wie Heilsökonomie, Aeon, Weltperiode find
in feinem Werke nicht vermieden. Auf das grammati-
fche Verftändnifs des Textes legt er zu wenig Werth
und die fachlichen und gefchichtlichen Erläuterungen
treten hinter den dogmatifchen und heilsgefchichtlichen
Betrachtungen zurück. Darauf legt der Verf. augen-
fcheinlich das gröfste Gewicht. ,Es braucht', fo fagt
er fogleich im Vorwort, .einer Auslegung, durch welche
dem jetzigen Gefchlccht das Verftändnifs der Heilsge-

fchichte eröffnet und der Gehalt derfelben zu deffen
Nutz und Frommen aufgezeigt wird'. Ift das geeignete
Mittel dazu die Einführung in die fpeeififeh Erlangen'fche
Theologie? In jedem Fall ift es irreführend, fie darzu-
ftellen, als gäbe es keine andre, die neben derfelben
Gehör verdient.

Anfprechender und jedenfalls beffer verwerthbar ift
eine kleinere Schrift: Das neue Teftament forfchenden
Bibcllefern, insbefondere auch den Lehrern der evange-
lifchen Jugend in Schule und Sonntagsfchule durch Umfchreibung
und Erläuterung erklärt von Paftor H. Cou-
ard. ErfterBand: Das Evangelium nach Matthäus. Potsdam
1877, Stein. (VIII, 255 S. gr. 8.) M. 2. —

Das Büchlein tritt fehr anfpruchslos auf. Es will für
Nichttheologen eine Anleitung geben zum Studium der
heiligen Schrift durch Darbietung des dazu unerläfslichen
exegetifchen Apparates in einer für fie geeigneten Form.
Und der Verf. meint, dafs dazu eine den Text auf Schritt
und Tritt begleitende Paraphrafe ganz geeignet fei.
Die vorliegende Behandlung des Matthäusevangeliums
ift zum minderten als ein Verfuch, ungelehrten Bibel-
lefern eine Anleitung zu befferem Schriftverftändnifs zu
geben, ganz beachtenswerth. Text, Paraphrafe und hinzugefügte
Erläuterungen find durch verfchiedenen Druck
auseinander gehalten. Vorbemerkungen zu einzelnen
Abfchnitten und längere Ausführungen über die Ver-
fuchung Jefu, das Vaterunfer, das heilige Abendmahl
u. dgl. unterbrechen die paraphrafirende Erklärung, ausführliche
hiftorifche, geographifche und antiquarifche
Notizen find als Anmerkungen unter den Text hinzugefügt
. In der Einleitung geht der Verf., wenn er auch
die oben erwähnte Anfchauung über die Abfaffung des
erften Evangeliums durch Matthäus theilt, doch mit
ziemlicher Ausführlichkeit auf die kritifchen Fragen ein.
An Fleifs und Sorgfalt hat er es nicht fehlen laffen.
Sein Büchlein leiftet wirklich, was es leilten foll; und
es wird Mancher, dem ein eigentlich wiffenfehaftliches
Studium der heiligen Schrift wegen Unkenntnifs der
Urfprache unmöglich ift, daraus viel Belehrung fchöpfen
können. Auch ift das Urtheil des Verf.'s befonnen und
frei von dogmatifcher Befangenheit, wie denn befonders
wohlthuend das Beftreben hervortritt, dem Lefer all-
feitige Belehrung zu bieten anftatt ihm befondere Lieblingsmeinungen
aufzudrängen.

Wir fchliefsen daran die Befprechung eines Schriftchens
, welches wenigftens für einen Theil des Matthäusevangeliums
eine praktifche Auslegung darbietet. Es
find dies die .Bibelftunden. Beiträge zum Verftändnifs
des göttlichen Worts der Gemeinde dargeboten von
Paftor Georg Behrmann. Erfter Theil: Die Bergpredigt
unfres Herrn Jefu Chrifti'. Kiel 1877, Homann. (VIII,
184 S. gr. 8.) M. 2. 50.

Der Verfaffer fpricht fich über den Zweck derfelben
im Vorwort dahin aus: .Anwendung des göttlichen Worts
auf die äufseren Lebensverhältnifse ift nicht der erfte
Zweck diefer Bibelftunden; fie fuchen die Bedeutung der
einzelnen Worte und Ausfprüche zu erfaffen, damit, was
gefchrieben fteht, fich hineinfehreibe in die Herzen. Ift
das Wort Gottes ein Sauerteig für das innere Leben
geworden, fo kann es nicht fehlen, dafs es auch zur
Richtfchnur des äufseren Lebens wird'.

Für diefe Art der Schriftauslegung hat der Verfaffer
eine befondere Gabe. Seine Auslegung ift fchlicht und
einfach, frei von Künftelei und unmittelbar zum Herzen
fprechend. Ocfters bietet er feinen Hörern eine kurze
Erzählung oder läfst das Wort eines älteren Auslegers
in feine Schrifterklärung einfliefsen, aber das eigentlich
bedeutende und wirkfame ift fein eingehendes Verweilen
bei jedem einzelnen Schriftwort. Darin zeigt er
fich als Meifter auf dem von ihm betretenen Gebiet, dafs
er fich in das Schriftwort zu verfenken weifs, ohne die
ftetige Beziehung zu dem Bedürfnifs des Hörers zu verlieren
, dafs die Uebergänge von Auslegung und An-